All Time High beim Schlafmohnanbau in Afghanistan

US-Aufsichtsbehörde beklagt, dass 7 Milliarden Dollar Steuergelder ohne Erfolg für Anti-Drogen-Maßnahmen am Hindukusch bereitgestellt wurden

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Es ist eine Menge Geld, 104 Milliarden Dollar, die die Vereinigten Staaten für Wiederaufbauprogramme in Afghanistan bereitstellen. Das Amt des Special Inspecteur General for Afghanistan Reconstruction, kurz SIGAR, hat die Aufgabe, die Verwendung der Milliarden Steuergelder zu überwachen.

Im Sigar-Newsroom kann der Interessierte nachverfolgen, wie sich das Schlagwort Korruption in Einzelfällen aufblättert. Freilich sind die dort präsentierten Fälle des Versickerns oder Verschwendens von Steuergeldern nicht vollständig, wie Peter van Buren am Wochenende bei Antiwar berichtete.

Bei ihm ist etwa zu erfahren, dass Flugzeuge insgesamt im Wert von beinahe einer Milliarde Dollar, die an die afghanische Armee geliefert wurden, nachträglich entweder zerstört wurden oder sich als untauglich für den Einsatz herausgestellt haben. Von diesen seltsamen Vorgängen dürfte jemand enorm profitiert haben. Im Mittelpunkt des van-Buren-Artikels, der aufzeigt, wie sehr sich die USA in Afghanistan "selbst ein Bein stellen", steht jedoch eine andere große Erfolgsstory: die der Opiumanbauer in Afghanistan, deren Produktivität mit dem amerikanischen Engagement im Land deutlich zugenommen hat.

Die stete Kurve nach oben, wurde vom Altmeister der Kenntlichmachung von Schattenseiten der amerikanischen Kriege, Tom Engelhardt, schon vergangenes Jahr in einigen Schlüsselzahlen aufgezeigt und von der Website Common Dreams noch einmal aus dem Archiv geholt: Stand die Opiumproduktion in Afghanistan 1979 noch bei 250 Tonnen, so stieg sie 2007 auf 8.200 Tonnen; nach Angaben der staatlichen russischen Drogenbehörde sollen sich 2013 40.000 Tonnen Opium in Afghanistans Lagern befunden haben.

Die Zahlen geben eine erstaunliche Entwicklung des Krieges gegen die Drogen in Afghanistan wieder. Überprüfbar sind sie aber nicht. Dafür legte die eingangs genannte amerikanische SIGAR-Behörde Ende Oktober einen Bericht vor, der auf überprüfbare Zahlen Wert legt. Sein Fazit bestätigt, was bei Engelhardts Tomgram schon im letzten Jahr zu lesen war: neue Rekordwerte beim Opiumanbau trotz der offiziell angekündigten Bemühungen der USA, den Anbau zu schwächen. So heißt es in dem SIGAR-Bericht:

Trotz der Ausgaben von 7 Milliarden Dollar, um den Anbau von Schlafmohn zu bekämpfen und die Kapazitäten der Anti-Drogen-Politik der afghanischen Regierung weiter zu entwickeln, hat der Schlafmohnanbau in Afghanistan im Jahr 2013 ein niemals zuvor erreichtes Ausmaß, "an all-time high", angenommen.

411.000 Vollzeit-Jobs im Drogengeschäft

Die afghanischen Bauern haben nach amtlichen Informationen 2013 auf 209.000 Hektar Mohn angebaut und damit den bisherigen Rekordwert von 193.000 Hektar aus dem Jahr 2007 bei weitem übertroffen. Da sich die "Sicherheitslage" in einigen ländlichen Gebieten Afghanistans weiter verschlechtere, rechnet SIGAR damit, dass 2014 noch weitere Anbauflächen für den Drogengrundstoff genutzt werden.

Schon im letzten Jahr sei zu beobachten gewesen, dass Bauern in Provinzen, die zuvor zu "mohnfreie Zonen" erklärt worden waren, wieder dem durch die hohen Marktpreise lukrativen Mohnanbau zugewandt haben. Die zuständigen Stellen in der amerikanischen Regierung sollten sich Gedanken über die langfristige Wirkung und die Nachhaltigkeit ihrer Maßnahmen machen, fordert der SIGAR-Bericht.

Wie Peter van Buren hervorhebt, hat der Special Inspecteur General ermittelt, dass der Drogenhandel das Problem der Arbeitslosigkeit noch viel besser löst als die Armee; er sorge für geschätzt 411.000 Vollzeit-Jobs, das sei mehr, als das afghanische Militär anzubieten habe. Dazu stellt SIGAR fest, dass die von US-Geldern finazierten Bewässerungsprojekte tatsächlich auch arbeitsplatzfördernd waren, insofern sie dem Mohnanbau zu neuen Impulsen verhalfen.