"Seid versichert, oh Muslime, euer Staat ist in guter, in bester Verfassung"

Mit einer im Internet veröffentlichten Rede - angeblich von al-Baghdadi - tritt der IS Gerüchten entgegen, sein Führer sei verletzt oder getötet worden

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Am Donnerstag wurde ein Video veröffentlicht, auf dem angeblich der verletzte IS-Führer al-Baghdadi zu sehen sein soll. Es kursierten Gerüchte, dass der IS-Chef bei einem Angriff von US-Flugzeugen auf einen Konvoi mit vielen anderen IS-Führern und -Kämpfern getötet worden sein könnte. Andere sprachen davon, er sei verletzt worden. IS reagierte erst einmal darauf nicht, veröffentlichte aber im Internet am Donnerstag eine Rede, die angeblich von al-Baghdadi sein soll - und bot auch gleich eine englische Übersetzung an. Seit der Rede im Juli, als al-Baghdadi das Kalifat verkündete ("Versetzt die Feinde Allahs in Schrecken", wäre damit der IS-Führer mit seiner Freitagsrede erstmals wieder an die Öffentlichkeit getreten.

Hier soll der verletzte al-Baghdadi zu sehen sein.

Die Rede soll primär als Lebenszeichen dienen, aber sie soll wohl auch die Mitglieder der Organisation angesichts zunehmender Angriffe und Verluste bei der Stange halten. Nicht erwähnt werden der US-Luftangriff auf den Konvoi oder die Gerüchte, dass er verletzt oder getötet worden sei. Auch wird nur eine Audio-Datei präsentiert, kein Video, wie bei seiner Rede in Mosul.

Dass der IS straff wie ein Staat geführt wird, macht nicht nur die Auswertung der bei dem im Juni des letzten Jahres getöteten Abdel Rahman al-Bilawy auf Sticks und Festplatten gefundenen Dokumente deutlich. Seit längerem wurden auch Bilder und Filme veröffentlicht, die nicht mehr nur die militärischen Erfolge und Selbstmordanschläge feiern, sondern auch das Alltagsleben und die angeblich zufriedenen "Bürger" des IS. Zudem will der IS nun auch eine eigene Währung einführen ("ime to say goodbye to Euro and US Dollar"), ein Regionalgeld, das die Wirtschaft und den Handel innerhalb der kontrollierten Gebiete fördern soll. Es sollen Münzen aus reinem Gold, Silber und Kupfer sein.

Letztlich verkündet al-Baghdadi, wenn er es sein sollte, dass Allah den Muslimen den Kampf und den Dschihad auferlegt hat. Alle ohne Ausnahme müssten den Dschihad verfolgen und "unter allen Bedingungen kämpfen". Allah würde den Mudschahedin helfen: "Aus diesem Grund kämpfen die Soldaten des Islamischen Staats." Ehre und Würde gebe es nur im Kampf.

Amerika und seine Allierten, vor allem die Juden und die "Sklaven und Hunde unter den Herrschern der islamischen Länder, hätten Angst und seien schwach, deswegen würden sie verlieren. Sie hätten die Einrichtung des IS nicht verhindern können - und damit ist der IS als territorialer Staat gemeint -, weil sie zu schwach sind, Bodentruppen einzusetzen. Die "Kreuzfahrer" würden alle "Trompeten, Satellitensender und Medien in der größten Kampagne der Fälschung gegen den IS" nutzen, um die Menschen vom IS zu lösen. Das, so al-Baghdadi natürlich, hätten sie nicht erreicht, weswegen sie mit dem Luftkrieg, der Rekrutierung und Ausbildung der Armeen der Apostaten und der Wiedereroberung der vom IS besetzten Städte begonnen hätten. Auch die Entsendung von zusätzlichen 1500 US-Soldaten in den Irak hätten den Fortschritt nicht gebremst und den IS nicht geschwächt.

Al-Baghdadi bei seiner Rede im eroberten Mosul.

Der IS könne nicht besiegt werden, er werde bis Rom marschieren (Strategie von al-Qaida: 2013 Kalifat und Endsieg 2020). Die Medienmeldungen, dass jeden Tag Dutzende von IS-Kämpfer getötet sowie Stellungen und Fahrzeuge zerstört werden, seien Lügen: "Seid versichert, oh Muslime, euer Staat ist in guter, in bester Verfassung." Der IS habe sich bereits nach Saudi-Arabien, Jemen, Ägypten, Libyen und Algerien erweitert. Dort sind islamistische Gruppen dem IS beigetreten. Die Schiiten (rafidah) sollen in Saudi-Arabien zuerst angegriffen und getötet werden: "Schlagt ihnen die Gliedmaßen ab. Ergreift sie als Gruppen und Individuen." In Libyen, Algerien, Tunesien und Marokko soll sich der Kampf den Säkularismus richten. Die IS-Soldaten sollen weiter um Soldaten werben: "Lasst überall Vulkane des Dschihad ausbrechen." Und dann wird auch dazu aufgerufen, gegen die USA und ihre Alliierten vorzugehen. Alles natürlich im Namen von Allah.

Schwer nachvollziehbar, wie die umständliche Rede junge Menschen vor allem aus dem Westen begeistern und mitreißen soll und wie dadurch die IS-Kämpfer weiter bereit sein sollen, in den Tod zu ziehen oder sich in Selbstmordanschlägen zu opfern. Aber wahrscheinlich geht es um die Inhalte gar nicht, sondern nur um die Botschaft, dass der Kampf alles ist und alle Ungläubigen vernichtet werden müssen, also um eine Art des religiösen und apokalyptischen Faschismus oder dem mörderischen Kult einer auserwählten Herrenrasse.