Nukleare Aufrüstung in den USA

Schon jetzt haben Russland und die USA die Zahl ihrer einsatzbereiten Atomwaffen erhöht - trotz des Start-Abkommens von 2011

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Die USA und Russland besitzen nach dem Friedensforschungsinstitut Sipri mehr als 93 Prozent aller Atomwaffen. Russland verfügt mit 8.000 über mehr Sprengköpfe als die USA mit 7.300. Insgesamt gibt es weltweit 16.300 Atomwaffen in den USA, Russland, Frankreich, Großbritannien, China, Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea. Russland und die USA haben in den letzten Jahren ihre Atomwaffen reduziert, in Frankreich, Großbritannien und Israel blieb die Zahl stabil, die übrigen Staaten haben ihr Arsenal erweitert.

Minuteman-Rakete. Bild: Spencer/CC-BY-SA-3.0

Schon seit 2002 wird der Plan vom Pentagon verfolgt, erstmals im Nuclear Posture Review vorgetragen (Neue Atomwaffen sollen entwickelt werden), die Atomwaffen zu modernisieren und auch taktische Atomwaffen (Mini-Nukes) zu bauen, mit denen beispielsweise tief unter der Erde gelegene Bunker zerstört werden können. Sie sollten nach dem Strategiepapier "Doctrine for Joint Nuclear Operations" (Joint Pub 3-12) vom März 2005 auch dazu dienen, präventiv gegen Terroristengruppen und Staaten vorzugehen, die den Einsatz von Massenvernichtungswaffen planen (Nukleare Aufrüstung).

Verschärft hat sich die Thematik, nachdem die USA begonnen haben, den Raketenabwehrschirm aufzubauen und ihn auch an die russische Grenze zu verlegen, angeblich um mögliche iranische Langstreckenraketen abzuwehren. Nicht bereit, mit Russland über eine Kooperation zu verhandeln, kündigte Moskau daraufhin die Entwicklung neuer Raketen an, die den Raketenabwehrschirm austricksen sollen (Neue russische Raketen gegen US-Raketenabwehrsystem). Bei Amtsantritt von Obama blockierte dieser die Installation erst einmal (Polen und Obamas kleine und große Raketen, Katzenjammer in Warschau und Prag) und verkündete dann, die Atomwaffen abbauen zu wollen, um eine atomwaffenfreie Welt anzustreben. 2010 kam es denn auch zu dem neuen Start-Abkommen, das ab 2011 in Kraft trat. Danach sollten die einsatzfähigen Atomwaffen jeweils auf 1.550 und die einsatzfähigen Langstreckenraketen, U-Boote und Bomber bis 2018 auf 700 reduziert werden. 2014 verfügen die USA laut Sipri über 1.920 und Russland über 1.600 einsatzfähige Atomwaffen. 2013 wollte Obama bereits mit Russland das Start-Abkommen neu verhandeln, um stärker abzurüsten. An eine einseitige Abrüstung war nicht gedacht, vielmehr sollten alte Atomwaffen reduziert, dafür aber die vorhandenen modernisiert und neue gebaut werden.

Kürzlich hatte die Federation of American Scientists (FAS) darauf aufmerksam gemacht, dass US-Präsident Obama zwar am meisten über die Reduzierung der Atomwaffen gesprochen hat, aber dass in seiner Amtszeit bislang die wenigsten Atomwaffen reduziert worden sind. Und geplant wird eine Aufstockung der Atomwaffen, die in den nächsten 30 Jahren bis zu einer Billion US-Dollar, in den nächsten zehn Jahren 355 Milliarden kosten könnte. Der Ukraine-Konflikt hat, wie immer er auch gefördert wurde, zusammen mit dem Kampf gegen den "Islamischen Staat" Einsparmaßnahmen beim Pentagon gedrosselt und eine einseitige nukleare Abrüstung in den USA politisch unmöglich gemacht.

US-Verteidigungsminister Chuck Hagel bei der Ankündigung des Atomwaffenprogramms. Bild: DoD

Bevor Chuck Hagel Verteidigungsminister wurde, unterstützte er noch einen Bericht, der einen radikalen Abbau der Atomwaffen auf 900 einsatzfähige Nuklearsprengköpfe forderte. Jetzt vertritt Hagel als Verteidigungsminister die nukleare Aufrüstung. Die nukleare Abschreckung sei weiter notwendig, die Kosten für Erhalt und Modernisierung müssten angehoben werden, wenn man die Zahl der Atomwaffen reduzieren und die Infrastruktur erhalten wolle. Hagel kündigte an, dass die notwendigen Korrekturen im Atomwaffenprogramm in den nächsten fünf Jahren mehrere Milliarden US-Dollar kosten werden, zusätzlich zur Modernisierung, die Hunderte von Milliarden US-Dollar während der nächsten Jahrzehnte kosten wird. Derzeit werden 15-16 Milliarden US-Dollar für das Atomwaffenprogramm ausgegeben, der Betrag soll jährlich um 10 Prozent steigen. Es soll aber auch mehr Personal eingestellt werden.

Man ist, offenbar im Pentagon gerne gesehen, in den Kalten Krieg zurückgekehrt und kann wieder viel Geld in die Rüstungsspirale stecken, in Sprengköpfe, Langstreckenbomber, U-Boote und Interkontinentalraketen. Das ist vertrauter als die asymmetrischen Kriege in Afghanistan, im Irak, in Somalia, in Syrien, in Pakistan … Gleichwohl bleibt die Frage, ob die für den Kalten Krieg entwickelten Atomwaffen heute noch eine Bedeutung haben, ob der Kalte Krieg zwischen den Supermächten also nur simuliert wird, um über die Probleme in der zerfallenden Weltordnung hinwegzutäuschen.

Und was das Start-Abkommen betrifft, das 2011 in Kraft getreten ist und zu einer Reduktion der Atomwaffen führen sollte, so ist gerade das Gegenteil geschehen. Die Zahl der einsatzfähigen ist gestiegen. Während die USA die Zahl der einsatzfähigen Sprengköpfe seit März nur geringfügig erhöht hat, hat Russland schon seit September 2013 die zahlenmäßige Unterlegenheit ausgeglichen und liegt nun mit der Zahl der einsatzfähigen Nuklearsprengköpfe auf Höhe der der USA. Zunächst hatte Russland die Atomwaffen 2013 noch unter die Grenze von 1.550 reduziert, um sie dann um 131 zu erhöhen, die USA erhöhte sie um 57. Jetzt hat Russland, wie gesagt gleichgezogen mit den USA, mehr einsatzfähige Nuklearsprengköpfe als beim Inkrafttreten des Start-Abkommens 2011.

Am Samstag stellte Hagel überdies eine "Innovationsinitiative" vor. Amerika will militärtechnisch an der Spitze bleiben. Aufgrund der Sparzwänge müsse Innovation anders geleistet werden als früher. Irgendwie soll das ein langfristiges Forschungs- und Entwicklungsprogramm mit einem neuen, alle Abteilungen übergreifenden Ausschuss und eine stärkere Einbeziehung der Privatwirtschaft leisten. Hagel setzt auf Robotik, autonome Systeme (!), Miniaturisierung, Big Data und neue Herstellungsverfahren, wozu auch 3D-Druck gehört.