Die neue Teilung der Welt

Warum die USA, Kanada und die Ukraine gegen eine Resolution zur Bekämpfung der Glorifizierung des Nazismus gestimmt haben

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Der 3. Ausschuss der UN-Vollversammlung hat am Freitag eine Resolution zur Bekämpfung der Glorifizierung des Nazismus und anderer Praktiken (A/C.3/69/L.56) angenommen, die Rassismus, rassistische Diskrimination, Xenophobie und damit verbundene Intoleranz schüren. Eingereicht hatte die Resolution Russland. Für den Resolutionsentwurf, über den in der Vollversammlung im Dezember abgestimmt wird, haben 115 Staaten gestimmt, 55 Staaten enthielten sich, 3 Staaten haben ihn abgelehnt.

Nun sollte man meinen, die westlichen Staaten, die sich als rechtstaatliche Demokratien begreifen und für die Menschenrechte einstehen, hätten für die Resolution stimmen müssen, die schon einmal 2012 eingereicht worden war. Der Resolutionsentwurf bezieht sich auf die Durban-Erklärung vom September 2001, wo es heißt: "Wir verurteilen den Fortbestand und das Wiederaufleben von Neonazismus, Neofaschismus und gewalttätigen nationalistischen Ideologien, die auf rassischen oder nationalen Vorurteilen gründen." Andenken an das Nazi-Regime, seine Alliierten und verbundener Organisationen sollten verboten werden. Besorgt ist man über zunehmend mehr "extremistische" Parteien in den Parlamenten und dass traditionelle Parteien mit diesen Koalitionen eingehen.

Und man stellt sich gegen Praktiken, "die das Andenken der unzähligen Opfer der im Zweiten Weltkrieg begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit beschmutzen, insbesondere der Opfer der Verbrechen, die von der SS und denjenigen, die gegen die Anti-Hitler-Koalition kämpften und mit der nationalsozialistischen Bewegung kollaborierten, begangen wurden, und Kinder und Jugendliche negativ beeinflussen und dass Staaten, die nicht wirksam gegen diese Praktiken vorgehen, gegen die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen nach deren Charta und gegen die Ziele und Grundsätze der Organisation verstoßen."

Russland zielt auf die Ukraine und die baltischen Staaten

Die Ukraine wird explizit nicht erwähnt, aber es liegt auf der Hand, dass die Resolution die Ukraine meint, aber auch baltische Staaten wie Lettland, wo ganz offen Veteranen der Waffen-SS Umzüge veranstalten, der Schlacht gegen die Rote Armee gedenken und zur nationalen Gedenkstätte der Freiheit in Riga ziehen.

In der Ukraine war nicht nur mit Swoboda eine rechtsextreme Partei in der Regierungskoalition, es gab auch nach der Orangen Revolution eine wachsende nationalistische Strömung, für die die von Stepan Bandera geführte "Organisation Ukrainischer Nationalisten" (OUN) und später der "Ukrainischen Aufständischen Armee" ein Vorbild war. Wiktor Juschtschenko ernannte Bandera zum "Helden der Ukraine", er wurde als nationaler Widerstandskämpfer gefeiert, obgleich er zeitweise mit den Nazis paktierte und seine Bataillone mit diesen gegen die Sowjets kämpfte. Überdies verübten die von Bandera geführten Kampfverbände Massaker an Juden und Polen (was die Polen derzeit vergessen zu haben scheinen).

Sein Ruf bei den Nationalisten rührt daher, dass er sich 1941 auch gegen die Nazis auflehnte und einen unabhängigen Staat Ukraine ausrief. Nach wenigen Tagen nahm die SS ihn und seine Kämpfer fest. Bis 1944 war er in Gefangenschaft, dann kämpfte er wieder gegen die Rote Armee und später gegen die Deutschen. Es gab auch nach 1943 ein eigenes ukrainisches SS-Bataillon. Bandera fand nach dem Krieg Unterschlupf in Deutschland, wo er 1959 von einem KBG-Agenten ermordet wurde. Während Bandera in der Westukraine als Held gefeiert wurde, gilt er vielen in der Ostukraine als SS-Komplize, Kriegsverbrecher oder Terrorist. Eine der ersten Amtshandlungen von Präsident Janukowitsch war, Bandera die Ehrung wieder abzusprechen.

Der Konflikt gärte schon vor der Maidanbewegung, die die militanten Rechtsextremisten mit hochspülte und sogar mit an die neue Regierung brachte. Für Russland war dies eine Bestätigung der Befürchtungen. Schon 2012 war die praktisch gleiche Resolution von 129 Ländern in der Plenarsitzung am 20. Dezember angenommen worden, 54 Länder enthielten sich, darunter alle EU-Länder, 3 Länder stimmten mit Nein: Kanada, Palau, Vereinigte Staaten von Amerika. Im Ausschuss wiederholte sich das Spiel jetzt. 115 Länder stimmten dafür, 55 enthielten und 3 stimmten mit Nein: erneut Kanada und die USA, nun aber auch die Ukraine, die sich 2012 noch enthalten hatte.

Die EU zweifelt an der Ehrlichkeit der Resolution, weil sie von Russland kommt

Das ist ein taktisches Spiel der Realpolitik, wie man es bei Abstimmungen in Parlamenten auch immer wieder vorgeführt bekommt. Werden von der Opposition etwa oder von einer schief angesehenen Partei Gesetzesvorwürfe vorgelegt, so werden diese auch dann gerne abgelehnt, wenn fast identische eigene Gesetzesentwürfe der Mehrheit eingereicht werden. In dem Fall wurde der Resolutionsentwurf neben Russland von Benin, Bolivien, Burkina Faso, Kuba, Weißrussland, Pakistan, Kirgisien, Nicaragua, Nigeria, Äquatorialguinea, Guinea und auch noch Nordkorea eingereicht. Es ist also schon eine seltsame Gruppe. China, Brasilien, Südafrika, Indien, praktisch alle südamerikanischen, arabischen und afrikanischen Staaten haben der Resolution zugestimmt, selbst Afghanistan und der Irak.

Vor der Abstimmung erklärte der UN-Botschafter der Ukraine, dass der Stalinismus viele Menschen im Gulag getötet habe, sowohl Hitler als auch Stalin seien Kriminelle. Die Manipulation der Geschichte für die eigenen politischen Interessen sei falsch, zumal Russland auch Neo-Nazi- und Terrorgruppen auf der Krim unterstütze. Die Resolution sende die falsche Botschaft, weswegen die Ukraine sie ablehne. Samantha Power, die UN-Botschafterin der USA, sagte, man lehne wie andere Länder Versuche ab, die Nazi-Ideologie zu propagieren, und verurteile alle Formen des religiösen und ethnischen Hasses. Russlands politische Motive würden jedoch auf der Hand liegen, so habe Russland Formulierungen gegen die Ukraine in die Resolution eingefügt. Das sei anstößig und eine Missachtung derjenigen, die unter dem Nazi-Regime leiden mussten. Das war ein etwas unglücklicher Versuch, über die rechtsnationalistischen Kräfte in der Ukraine hinwegzusehen, die sich auch jetzt wieder in den Reihen der Volksfront oder der Radikalen Partei im Parlament finden.

Sebastiano Cardi, der UN-Botschafter Italiens, erklärte stellvertretend für die EU, dass man natürlich gegen Rassismus, rassische Diskriminierung, Fremdenhass und Intoleranz auf allen Ebenen kämpfe, aber dass man die Ehrlichkeit des Resolutionstexts anzweifle, da Russland Menschenrechte verletzt habe. Mit dieser Begründung ließen sich wohl fast alle, zumindest sehr viele Resolutionen abwehren. Die Begründung macht nur klar, dass die EU und die USA und die mit diesen verbundenen Ländern Russland schneiden wollen. Die EU hält sich allerdings bedeckt, weil sich die Länder der Stimme enthalten haben, was aber in diesem Fall einer Unterstützung der USA gleichkommt. Aber die EU hat sich auch nie explizit seit der Maidan-Bewegung von den rechtsnationalistischen und faschistoiden Strömungen in der Ukraine distanziert.