Der Islamische Staat Türkei

Weil man das Nato-Mitglied benötigt, schweigt die Kritik aus dem Westen

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Die Türkei droht unter Präsident Erdogan, der mit seinem 1000-Zimmer-Palast eher als Sultan denn als demokratisch gewählter Staatschef auftreten will, zu einem autoritären islamistischen Staat zu werden.

Zuletzt machte Erdogan deutlich, dass die Überwachung der Bürger und die Kontrolle des Internet immer weiter ausgebaut werden soll, um möglichst jede Opposition in der gelenkten Demokratie des Nato-Mitglieds unterdrücken zu können. Weil man die Türkei für die Nato und den Kampf gegen den Islamischen Staat benötigt, ist die Kritik aus dem Westen bestenfalls verhalten, auch wenn der türkischen Regierung vorgeworfen werden kann, den Islamische Staat zumindest durch offene Grenzen zu unterstützen. Was im Fall der Ukraine Russland zu einem militärischen Aggressor macht, wird im Fall der Türkei ganz anders bewertet, wo weiterhin deutsche Soldaten mit Patriot-Raketen stationiert sind.

Die zunehmende Islamisierung ist auch kein Thema der Kritik, man sieht zu. Die Türkei plant, mehr als 80 Moscheen in Universitäten im ganzen Land zu bauen, um die Studenten mit der Religion zu beglücken. 15 sind bereits geöffnet worden. Nach dem Religionsminister gibt es 20 Millionen junge Menschen im Land, die man erreichen will. Mit einer Moschee im Campus sollen die Geistlichen mit jungen Menschen kommunizieren: "Wir wollen, dass sich die Jugend spirituell entwickelt und Zugang zu Moscheen hat."

Von der Trennung von Religion und Staat will man sich verabschieden. Präsiden Erdogan machte nun auch deutlich, dass im Kern seines islamischen Staats die Geschlechterpolitik steht, was ihn auch mit dem IS und anderen fundamentalistischen islamischen Regimen verbindet. So wandte er sich gestern in einer Rede vor dem Frauenverband Kadem gegen die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Eine Gleichstellung sei widernatürlich, weiß der türkische Präsident, der lieber von einer Gleichwertigkeit vor dem Gesetz sprechen würde. Besser sei es von Gleichheit zwischen Männern oder Gleichheit zwischen Frauen zu sprechen

Man kann Frauen und Männer nicht in gleiche Positionen bringen. Das ist gegen die Natur, weil ihre Natur unterschiedlich ist. Man kann nicht Frauen alles machen lassen, was Männer machen, wie das die kommunistischen Regimes taten.

Erdogan entblödet sich nicht, die Forderung nach Gleichberechtigung auf die körperliche Gleichheit zu begründen und aus dieser Konstruktion dann diese zu verwerfen. So könne man eine schwangere Frau im Arbeitsleben nicht denselben Bedingungen unterwerfen wie Männer. Man könne ihr auch keine Schaufel geben und wie einen Mann arbeiten lassen. Feministinnen würden sowieso nur die Mutterschaft zurückweisen. Die Füße der Mütter verbindet der starke Mann mit dem Geruch des Himmels.

Erdogan vertritt die These, dass eine Frau mindestens drei Kinder haben sollte. Abtreibungen sind für ihn ebenso verpönt wie ein Kaiserschnitt. Es muss in Geschlechterverhältnissen natürlich zugehen, so wie früher, während er ansonsten gegen moderne Technik nichts einzuwenden hat und die Natur gerne zubetoniert. Und er weiß, welche Rolle der Islam den Frauen zuweist:

Unsere Religion hat die Position der Frauen definiert: Mutterschaft. Manche Menschen können dies verstehen, andere nicht. Das kann man Feministinnen nicht erklären.

Gewalt gegen Frauen ist in der Türkei endemisch. Erdogan erklärt, häusliche Gewalt gegen die Ehefrau sei unislamisch, schließlich sei der Islam eine Friedensreligion. Wenn Frauen gut islamisch schon brave Mütter sein müssen, sollen sie wenigstens nicht gewalttätig angegangen werden. Wenn man Frauen aber die Gleichberechtigung abspricht und damit die Männer überhöht, provoziert man die Gewalt der Männer gegenüber den Frauen.

Das zeigte sich auch während der Veranstaltung, auf der Erdogan gesprochen hat. Als eine Frau die Familienministerin etwas fragen wollte, als diese ihre Rede hielt, wurde von Sicherheitskräften gleich aus dem Raum geschafft. Die Ministerin duldete die Gewalt und sagte zynisch: "Bitte bringt unsere Freundin höflich hinaus, ich werde ihre Frage später beantworten."