Rein in die Kohle, raus aus der Kohle

Die Energie- und Klimawochenschau: Gabriel gibt sich bei der Kohle wankelmütig, Kritik an neuen Stromtrassen und das Zusammenspiel von Landnutzung und Klimawandel

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Nachdem Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel gerade erst mit der Aussage, Deutschland könne nicht gleichzeitig aus der Atomkraft und der Kohle aussteigen, für Furore gesorgt hat, will er nun anscheinend doch in das Geschäft mit dem Kohlestrom eingreifen. Demnach sollen die Stromkonzerne verpflichtet werden zwischen 2016 und 2020 22 Millionen Kohlendioxid weniger auszustoßen.

Die CO2-Einsparungen im Stromsektor sind dringend notwendig, damit Deutschland sein Ziel einer 40prozentigen CO2-Reduktion bis 2020 noch erreichen kann. Wie sie die einzusparenden Mengen verteilen und ob Kraftwerke komplett stillgelegt werden, sollen nach Gabriels Plan die Kraftwerksbetreiber selbst entscheiden.

Anders als der BUND oder der WWF und Germanwatch fordert Gabriel nicht, die ältesten Kohlekraftwerke zuerst abzuschalten. Auch die einzusparende CO2-Menge fällt geringer aus als von den Umweltorganisationen gefordert. Der BUND will durch die Stilllegung von 24 Kraftwerksblöcken 88 Millionen Tonnen CO2 bis 2020 einsparen, WWF und Germanwatch wollen Braunkohlekraftwerke konsequent nach 35 Jahren Betriebszeit und Steinkohlekraftwerke nach 40 Jahren abschalten lassen und kommen so auf eine Reduktionsmenge von 100 Millionen Tonnen (Wäre es an der Zeit, die Kohle- und Atomkonzerne zu enteignen?. Die von Gabriel geforderten 22 Millionen Tonnen werden zusammen mit allen anderen Maßnahmen im Klima-Aktionsprogramm kaum ausreichen, um die Emissionslücke bis zum Erreichen des 40-Prozent-Ziels zu schließen.

Kritik am Netzentwicklungsplan

Würden die Überkapazitäten bei den Kohlekraftwerken abgebaut, könnte auch auf einen Teil der geplanten neuen Stromtrassen verzichtet werden, meint der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Der Umweltverband nahm Ende vergangener Woche zum Entwurf des Netzentwicklungsplans (NEP) 2014 Stellung, den die Netzbetreiber Anfang November vorgelegt hatten und der noch von der Bundesnetzagentur genehmigt werden muss. Die vier Übertragungsnetzbetreiber beschreiben darin den aus ihrer Sicht bestehenden Ausbaubedarf der nächsten 10 bis 20 Jahre.

Der BUND kritisiert, dass der NEP 2014 das neue EEG 2014 mit seinen Beschränkungen für den Ausbau verschiedener erneuerbarer Stromquellen zu wenig berücksichtigt. Das neue EEG führe zu einer Verlangsamung des Ausbaus der Erneuerbaren, insbesondere der Offshore-Windenergie. Die Netzbetreiber versuchten zwar, dem mit einer Neuberechnung der regionalen Verteilung der erneuerbaren Energiequellen (im Szenario B 2024*) zu begegnen, doch der BUND fordert eine komplette Neuberechnung des Bedarfs.

Der NEP basiert auf einem Szenariorahmen, der von der Bundesnetzagentur noch vor Verabschiedung des neuen EEG genehmigt wurde. Hauptkritikpunkt des BUND ist, dass der Netzausbau den Transport von Kohlestrom begünstige. "Im Kontext der Energiewende ist vor allem die Ost-Süd-Stromtrasse in der geplanten Form überflüssig. Diese Leitung soll klimaschädlichen Braunkohlekraftwerken möglichst viele Volllaststunden ermöglichen. Damit konterkariert diese Planung die Klimaschutzziele der Bundesregierung. Schlichtweg grotesk ist, dass der Netzentwicklungsplan den Bau eines neuen Braunkohlekraftwerks am Standort Profen in Mitteldeutschland vorsieht", sagte Netzexperte Christian von Hirschhausen von der Technischen Universität Berlin.

Außerdem gingen die Netzbetreiber in ihrem Szenariorahmen für 2015 von einer verlängerten Lebensdauer der Braunkohlekraftwerke aus, die an die Genehmigungsdauer der Braunkohletagebaue angepasst wurde, so der BUND. Stattdessen müssten die noch ausstehenden Beschlüsse der Bundesregierung zum Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 in den Szenariorahmen einfließen. Schließlich könnte auch durch Stromsparmaßnahmen der Ausbaubedarf deutlich reduziert werden. Auch hier wurden die Effizienzziele der Bundesregierung im Szenariorahmen bislang nicht berücksichtigt.

Der Solarenergie-Förderverein befürchtet ebenfalls, dass die geplanten Höchstspannungstrassen in erster Linie dem Transport von Braunkohlestrom nach Bayern dienen würden. Stattdessen setzt er auf regionale Selbstversorgung. "Vordringlich sind jetzt weitere finanzielle Anreize zum Ausbau auch der Windkraft und zur Aufrüstung künftiger Solarstromanlagen mit Pufferspeichern, damit die mittäglichen Solarspitzenleistungen auch auf den Abend und die folgende Nacht übertragen werden", schreibt Geschäftsführer Wolf von Fabeck in einem offenen Brief an Ministerpräsident Seehofer.

In einem im Auftrag des Vereins erstellten Gutachtens wird außerdem die Legitimität von Enteignungen für neue Stromleitungen angezweifelt: "Das Gutachten zeigt: Fehlt es für Stromleitungen (auch wenn sie nicht unterschwellig für den Kohlestromtransport geplant sind) an einer Eignung zur Förderung einer ernsthaften Energie- und Klimawende, fehlt es ihnen an einer tragfähigen Gemeinwohldienlichkeit und damit an einer Rechtfertigung, um Enteignungen zu legitimieren", schreibt Felix Ekardt, Leiter der Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik.