Humanitäre Hilfe für syrische Flüchtlinge muss massiv reduziert werden

Hilfsorganisationen geht das Geld aus, während allein das Pentagon täglich für den Luftkrieg mindestens 8 Millionen US-Dollar ausgibt

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US-Kampfflugzeuge auf dem Weg zum Einsatz in Syrien. Bild: DoD

Für die Bekämpfung des Islamischen Staats in Syrien und im Irak allein durch Luftschläge gibt die US-Regierung angeblich täglich mindestens 8 Millionen US-Dollar aus, das wären immerhin mehr als 300.000 US-Dollar die Stunde. Das war zumindest die Summe, die das Pentagon am 12. November angegeben hat, vermutlich sind es mittlerweile eher 10 Millionen täglich oder mehr, wobei fraglich ist, was alles berücksichtigt wurde. Mittlerweile wurde seit Beginn des Luftkriegs am 8. August mehr als eine Milliarde US-Dollar in die Zerstörung investiert. Dazu kommen weitere Milliarden, die für die Militärberater, die Ausbildung von "gemäßigten" syrischen Rebellen, die Waffenlieferungen an die irakische Armee und die Kurden fließen sollen.

Das alles ist billig im Vergleich zu den Kriegen im Irak und in Afghanistan, wo die Kosten durch den Einsatz von Bodentruppen hochgetrieben wurden. Aber der Militärexperte Gordon Adams von der American University geht davon aus, dass auch ohne Bodentruppen der Luftkrieg gegen den IS allein den USA 15-20 Milliarden US-Dollar jährlich kosten dürfte - konservativ gerechnet.

Wie jetzt wieder wurden auch im Irak und in Afghanistan sehr viel mehr Gelder für die militärischen Operationen als für die Stärkung des zivilen Staates, für Hilfe, Wiederaufbau, Schaffung von Arbeitsplätzen etc. ausgegeben. Ähnlich war dies bei allen ISAF-Staaten, auch bei Deutschland, auch wenn die Unterschiede der Kosten bei der propagierten zivil-militärischen Zusammenarbeit eher verschleiert werden. Das war ein Grund, warum nach dem Abzug der Kampftruppen im Irak ein failed state zurückblieb, das wird auch im Fall von Afghanistan nicht anders werden. Weil Armut und Arbeitslosigkeit weiter enorm hoch sind, wandern die Menschen zu denjenigen, die bezahlen, zu den Taliban, Warlords, Drogenbossen, Milizen oder islamistischen Gruppen wie dem Islamischen Staat oder al Nusra. Daher dürfte vor allem auch der Luftkrieg gegen den IS zwar vielleicht diesen schwächen und mit beitragen, die Infrastruktur zerstören, aber er wird an der Situation nichts ändern, wenn es den Menschen nicht besser geht.

Lager für syrische Flüchtlinge im irakischen Kurdengebiet. Bild: Cmacauley/CC-BY-SA-3.0

Beschämend ist, dass mit dem enormen Aufwand an militärischen Kosten die humanitäre Hilfe für die Millionen von Flüchtlingen bei weitem nicht mithalten kann. Das Flüchtlingshilfswerk UNHCR warnt, dass es wegen fehlender Gelder zu einer humanitären Krise für die 4 Millionen syrischen Flüchtlinge kommen könnte, die sich in den Nachbarländern aufhalten. Jetzt schon muss die Lebensmittelversorgung für 1,7 Millionen Menschen gekürzt werden. Das UN World Food Programme (WFP) berichtet, dass zu wenig Geld vorhanden ist, um die Lebensmittelversorgung der Flüchtlinge in den Nachbarländern sicherzustellen. Besonders schlimm könnte die Reduzierung für die 1,1 Millionen syrische Flüchtlinge im Libanon mit seinen 4 Millionen Einwohnern sein. 800.000 der Flüchtlinge sind auf Lebensmittelhilfen angewiesen. Hier leben sie zudem verstreut in Notunterkünften wie Garagen, nicht fertiggestellten Gebäuden oder selbstgemachten Hütten, es gibt keine Flüchtlingslager, der Winter wird hier für die Flüchtlinge besonders gefährlich, zumal wenn auch noch die Lebensmittelversorgung ausfällt. Das Land selbst ist hoch gefährdet und kann zum nächsten failed state mit einem Bürgerkrieg werden.

Für den Dezember würden 64 Millionen US-Dollar für Lebensmittel noch fehlen, für das Lebensmittelprogramm für die syrischen Flüchtlinge veranschlagt WFP wöchentlich 35 Millionen US-Dollar. Seit 2011 hat das WFP nach eigenen Angaben 1,8 Millionen Flüchtlinge im Libanon, in Jordanien, der in der Türkei, im Irak und in Ägypten unterstützt. Wenn Geld vorhanden wäre, könnte man umgehend die Hilfe wiederaufnehmen und Lebensmittelmarken ausgeben, mit denen die Flüchtlinge in den Läden der Region einkaufen könnten. Würde das Pentagon 6-8 Tage auf Kampfeinsätze verzichten, könnte man danach fast 2 Millionen Menschen für einen Monat mit dem Notwendigsten versorgen. Das Fehlen von Lebensmitteln "kann weitere Spannungen, Instabilität und Unsicherheit in den Gastnachbarländern verursachen", sagt WFP-Geschäftsführerin Ertharin Cousin.

Zwar hatte die USA Im November Hilfen in Höhe von 125 Millionen US-Dollar zugesagt, die scheinen aber noch nicht beim WFP angelangt zu sein. Seit Beginn des Syrienkriegs haben die USA fast eine Milliarde US-Dollar an das WFP gegeben. Die EU spendete Anfang November 9,5 Millionen - für die 6 Millionen syrischen Binnenflüchtlinge. "Deutschland hat", so die Bundesregierung im Oktober, "als Unterstützung für die betroffenen Menschen in der Syrienkrise seit 2012 insgesamt 613,7 Millionen Euro aufgewendet, davon rund 347,07 Millionen Euro für humanitäre Hilfe, 191,65 Millionen Euro für strukturbildende Übergangshilfe und 75 Millionen Euro für Krisenbewältigung. "

Trotz der finanziellen Unterstützung, die aber nicht ausreicht, hat das WFP schon im Oktober angekündigt, die humanitäre Hilfe für die 3,3 Millionen syrischen Flüchtlinge in den Nachbarländern und die nun 7,3 Millionen Binnenflüchtlinge nicht mehr leisten zu können. Auch das UNHCR musste bereits wegen fehlender Gelder vor allem Hilfen im Libanon reduzieren. Insgesamt sind im Irak und in Syrien 13,6 Millionen Menschen auf der Flucht. Im Irak ist die Zahl der Binnenflüchtlinge auf 2 Millionen angesteigen, berichtet die International Organization for Migration (IOM). Sie fliehen vor allem aus den Provinzen Niniveh und Anbar, die der Islamische Staat teilweise kontrolliert und in denen gekämpft wird. Die Meisten sind in die irakischen Kurdengebiete geflüchtet.