Langsam dämmert es den Dämmern

Die (giftige) Imprägnierung wäscht sich aus, die Algen kommen. Redwitz/Oberfranken. Bild: Konrad Fischer

Das Vertrauen in Styropor bekommt Risse, der Architekt und Baugutachter Konrad Fischer über den "Dämmwahn"

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Eine Milliarde Quadratmeter Dämmstoff sind an Deutschlands Fassaden bereits verklebt und verdübelt. Bis 2050 sollen 840 Mrd.€ nach den Normen der Energie-Einsparverordnung verbaut sein. Doch trotz allen CO2-Berwußtseins wachsen bei Hauseigentümern die Zweifel. Für wen lohnt sich dämmen? Telepolis sprach mit einem der schärfsten Kritiker des "Dämmwahns", dem Architekten, Baugutachter und Denkmalexperten Konrad Fischer.

Wie kamen Sie zum Thema "Dämmwahn"? Was war der Auslöser?

Konrad Fischer: Bei einem Auftrag für ein Massivziegelhaus in den 90ern kam mir eine Verschärfung der Regularien zum Wärmeschutz ins Gehege. Ich erreichte eine vorschriftenkonforme Befreiung von den Auflagen und konnte so dämmstoffbefreit planen und bauen. Bald darauf stieß ich auf Prof. Claus Meier, der sich schon lange mit der Wärmedämmung kritisch auseinandergesetzt hatte. Er schrieb zum Beispiel "Das malträtierte Haus - Kontra falsche Wärmedämmung und Energiespar-Betrug". Aber trotz vieler Vorstöße in den Gremien - Meier war u.a. Bauamtsleiter - blieb er komplett erfolglos. Da auf offiziellem Weg überhaupt nichts geht, sah ich es als Herausforderung, publizistisch tätig zu werden.

Ein anderer Grund, der bis heute wirkt, ist meine und meiner Architektenkollegen Verantwortung als Treuhänder des Bauherren. Wenn die Bauherren aufwachen und am Ende feststellen, dass sie nichts gespart haben, bekommen wir Architekten ein riesiges Haftungsproblem wegen unwirtschaftlichen Planens. Das für den Bauherren nachteilige Handeln wird begünstigt, wenn wir die Paket-Angebote eines Dämmstoffherstellers nur durchreichen und dafür noch Honorar kassieren. Entscheidend für uns ist, den Kunden sauber zu bedienen.

Die Dämmstoffindustrie verspricht phantastische Amortisationszeiten bei Wärmeverbundsystemen mit Hartschaum. Was ist dran?

Konrad Fischer: Im Zusammenhang mit Befreiungsvorgängen von der Energie-Einsparverordnung (EnEV) führe ich als Sachverständiger ständig Kosten/Nutzen-Analysen durch. In bisher keinem Fall kam es zu sinnvoller Amortisation. Trotz üblicher Zinsansätze, Energiepreis-Verteuerungen, zehn Jahre, zwanzig, fünfzig Jahre als Amortisationszeitraum, es kommt nie etwas Sinnvolles heraus. Das Institut für Bauforschung in Hannover bekam heraus, dass ein Wärmedämmsystem (p.a. und pro qm) etwa 9,50 € mehr an Instandhaltung kostet als eine Putzfassade. Das darf bei der Gesamtkostenbetrachtung nicht unterschlagen werden.