Griechenland: Das Drama der Syrer

Protestierende Syrer auf dem Syntagma-Platz. Bild. W. Aswestopoulos

Dem Krieg und dem Islamischen Staat entronnen - Dank Dublin II obdachlos in Athen

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Der Staat Griechenland ist pleite. Niemand bekommt dies extremer zu spüren als die syrischen Flüchtlinge, die sich im Land befinden. Etwas mehr als 100 von ihnen campieren seit mehr als zwei Wochen auf dem Syntagma-Platz vor dem Parlament in Athen. Seit knapp zehn Tagen befinden sich viele von ihnen im Hungerstreik.

Die Regierung vermutet hinter der Aktion der Syrer eine Steuerung durch die Opposition und zieht Parallelen zu ähnlichen Protesten von Immigranten in der Vergangenheit (Griechische Regierung gibt erstmals dem Druck der Straße nach). Solche Aktionen meist links gerichteter Menschenrechtsgruppen gibt es in der Tat alle paar Monate. Ebenso regelmäßig bezeichnen rechts gerichtete Politiker die Immigranten als hygienische Bombe oder aber als Beleidigung ihrer Ästhetik.

Nach Angaben aus Regierungskreisen haben vierzig Syrer vom Syntagmaplatz Verwandte in Nordeuropa. Letzteres wird von den Flüchtlingen mitnichten bestritten. Viele verweisen auf Verwandte und Freunde in Nordeuropa. Unter den Campierenden befinden sich auch Minderjährige ohne Begleitung erwachsener Verwandter. Einige Kinder und Jugendliche haben nach eigenen Angaben den überlebenden Elternteil bereits im sicheren Norden, bei anderen, den Vollwaisen, sind es Onkel, Vetter oder Tanten.

Die Syrer sind offensichtlich asylberechtigt. Seit Beginn des Aufruhrs gegen das Assad-Regime im Jahr 2012 sind nach offiziellen Angaben 46.000 Syrer in Griechenland registriert worden. Die Regierung hat sie informiert, dass ihre Anträge auf Asyl, wenn sie denn gestellt werden, innerhalb von fünfzehn Tagen bearbeitet werden sollten. Eine Frist, die der Staat bislang übrigens nie einhielt. Die griechische Regierung möchte das Problem loswerden.

Bild: W. Aswestopoulos

Auf der anderen Seite sind die Flüchtlinge mit ihrer verständlichen Verzweiflung. Die Campierenden haben allesamt eine sechsmonatige Duldung. Das bewahrt sie vor dem Knast, in dem Flüchtlinge ohne Papiere normalerweise landen. Die Duldung schützt jedoch niemanden vor der Obdachlosigkeit. Vom ersten Tag an drückten die Syrer daher wirksam auf die Tränendrüse der Passanten. Vor allem die Kinder wurden als Bildmotiv für Fotografen präsentiert.

Bild: W. Aswestopoulos

Dieser Akt der Verzweiflung hat mehr als nur einen Grund. Die Regierung informierte die Flüchtlinge auch mit offiziellen Schreiben, dass Griechenland als in argen finanziellen Nöten befindlicher Staat nicht einmal seinen eigenen Bürgern einen Arbeitsplatz, geschweige denn eine Bleibe garantieren kann. Die lakonische Feststellung beschert den Syrern schlicht die Erkenntnis, dass sie ziemlich rechtlos und ohne Chance auf Besserung ihrer Lage durch die Athener Straßen streunen müssen. Selbst von der zum linken SYRIZA gehörenden Regionalpräsidentin Attikas, Rena Dourou, kam nur ein Hilfsangebot für die Kinder. Die Kinder würde der griechische Staat in Waisenhäusern beherbergen, für die Erwachsenen fehlen sämtliche Mittel - aber es mangelt auch an Aussichten auf eine bessere Zukunft.

Bild: W. Aswestopoulos

Falle Griechenland

Lediglich diejenigen von ihnen, die bereits als Flüchtlinge anerkannte Verwandte in der EU besitzen, können auf eine Ausreise hoffen. Für die übrigen gilt, dass sie selbst bei einer Anerkennung als Asylanten nur für jeweils drei Monate pro Halbjahr in die übrige EU reisen können. Seit dem 23.11. befinden sich zahlreiche der Syrer nun in einem Hungerstreik.

Für die Syrer gibt es keinerlei legale Wege in den Staat ihrer Sehnsucht. Wer es bis nach Griechenland geschafft hat, sitzt schlicht in der Falle. Sie können für eine Ausreise Polizeibeamte bestechen oder aber falsche Papiere kaufen.

Bild: W. Aswestopoulos

Recherchen am Athener Omonia-Platz ergaben, dass Pakistaner für ein paar hundert Euro jeden Pass fälschen. Dieses Angebot gilt jedoch nur für europäische Schwarzhändler, die in einem entsprechenden mafiösen Ring organisiert sind. Ein syrischer Flüchtling bekommt das begehrte Papier in schlechter Qualität ab 3.500 Euro und in ausgezeichneter Qualität ab 5.000 Euro aufwärts, pro Person versteht sich. Zum Vergleich, eine Kalaschnikow zweifelhafter Herkunft wird bereits für knapp 350 Euro angeboten, "saubere" Waffen sollen für unter 1.000 Euro erhältlich sein.

Die friedfertigen Syrer drängen darauf, dass ihr Recht zum Leben respektiert wird. Sie versuchen mit Bildern, Plakaten und durch Druck auf Politiker eine Lösung ihres Problems zu erzwingen.

So eine Lösung wird dringend gebraucht. In den Flüchtlingscamps der UNO in Jordanien, der Türkei und dem Libanon sitzen knapp 1,7 Millionen Menschen fest. Aus Geldknappheit stellt die UNO deren Versorgung mit Lebensmitteln ein (Humanitäre Hilfe für syrische Flüchtlinge muss massiv reduziert werden). Der Weg in den Norden führt auch für diese Menschen über Griechenland und Italien.