CSU: Zuwanderer sollen zuhause deutsch sprechen

Trotz Kritik hält Generalsekretär Scheuer an seinem "Appell" fest. Update

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Wenn es um Zuwanderung geht, fühlt sich die CSU zu Besonderem herausgefordert. Anfang des Jahres bereicherte die Partei die Diskussionen über Einwanderer in Deutschland mit Spruch "Wer betrügt, der fliegt" und am Ende des Jahres überrascht sie die Öffentlichkeit mit einem Vorschlag zur Spracherziehung der Einwanderer:

Wer dauerhaft hier leben will, soll dazu angehalten werden, im öffentlichen Raum und in der Familie deutsch zu sprechen.

Der Satz mit dem eigentümlichen Obrigkeitsstaatston - "soll dazu angehalten werden" - hat der CSU am vergangenen Wochenende Kritik eingetragen sowie "maximalen Hohn und Spott" (BR). Auch in Frankreich gab es ein Echo; in Paris wunderte man sich über "Bayern, das den Fremden auferlegen will, deutsch zu sprechen, selbst en famille".

Was man im Nachbarland als "intellektuelle Ratlosigkeit" einer Provinzpartei kritisierte, wurde vom Auswärtigen Amt in Berlin spöttisch weitergetwittert ("Wir sprechen weiter diplomatisch") und selbst von CSU-Mitgliedern als "Schmarrn" bezeichnet. Zum Beispiel von Martin Neumeyer, dem Integrationsbeauftragten der bayerischen Staatsregierung. Er fragte, ob demnächst die "Videoüberwachung in den Küchen" auf der Tagesordnung stünde.

Parteichef Seehofer, dessen Witterung ständig auf Publikumsgunst ausgerichtet ist, kündigte eine "Überprüfung" an.

So machte ein kleiner Satz aus einem Leitantrags-Entwurf zum Parteitag der nicht so großen Partei CSU Karriere. Der BR hatte ihn publik gemacht und der für den Leitantrag zum Thema "Integration durch Sprache" verantwortliche CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sprach am Samstag noch von Entwürfen der Leitanträge, die "gut vorbereitet und breit abgestimmt" sind.

Heute Morgen auf die Empörung hin befragt, sprach Scheuer in einem BR-Interview davon, dass man sich nun in einer "Antragssituation" befinde. Es sei aber nichts schiefgelaufen, so Scheuer. Die Idee zur Sprachförderung stamme schließlich von der "Top-Nummer 1", dem "Willkommensland Bayern", wo Integration am erfolgreichsten gelinge, umkurvte der Generalsekretär den Vorwurf der "Sprachpolizei". Er habe damit lediglich einen Appell ausprechen wollen, dazu motivieren, das Erlernen der deutschen Sprache in den Vordergrund zu stellen. Sie solle möglichst viel im Alltag geübt werden.

Glaubt jemand in der CSU an solche Appelle? An wen richten sie sich? An Zuwanderer oder an andere CSU-Mitglieder, die zuhause bayerisch sprechen - und alles Recht der Welt dazu haben, wie eben zugewanderte Kroaten, Italiener, Polen, Bulgaren, Türken, Rumänen auch auf den Gebrauch ihrer Muttersprache in den "eigenen vier Wänden"? Das gehört zum Schutz des privaten Raums, auch wenn bayerische Innenminister nicht viel davon halten (Wo und wie der Bayerntrojaner zum Einsatz kommt). Was hielten die deutschen Mallorca-Auswanderer davon, wenn sie die spanische Regierung dazu anhält, in ihren Fincas, Villen und Appartements spanisch zu reden?

Beifall für den CSU-Vorschlag gab es vom CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach. Sprachkenntnisse seien für die Integration von überragender Bedeutung. Deshalb sei es wichtig, dass mit Kindern auch zuhause deutsch gesprochen wird, so Bosbach gegenüber "Bild am Sonntag". Selbst wenn die Eltern das Deutsche nicht so gut beherrschen? Wozu? Hält man doch sonst, wenn es zum Beispiel um das Englische oder Französische geht, die zweisprachige Erziehung hoch, wie eben auch in Bayern den Dialekt, der nicht verschwinden dürfe.

Mittlerweile ist aus dem Appell ein Scherzartikel geworden. Die Kritik daran sei an den Haaren herbeigezogen, so Scheuer. Dass sich die Kritik an Sprachfähigkeiten nun auch gegen den CSU-Generalsekretär selbst richtet, kommt nicht von ungefähr. Man hat den Eindruck, dass es in der CSU sehr beflissen zugeht, wenn es um Fliegenfänger-Themen geht, bei denen man mangels eigener Reflexion nur aufgeschnappten Meinungen nach dem Mund redet, pauschal, ohne auf den Wortlaut zu achten. Das sieht nach keinem guten Ansatz aus, um den Rest der Welt darüber zu belehren, wie die deutsche Sprache am besten zu üben sei.

[Update]: Der Parteivorstand beschloss heute eine Korrektur der umstrittenen Formulierung. Das Verb "anhalten" wurde durch "motivieren" ersetzt; die Formulierung "in der Familie" wurde ebenfalls gestrichen. So lautet der Appell nun von Anstößigem befreit:

Wer dauerhaft hier leben will, soll motiviert werden, im täglichen Leben Deutsch zu sprechen.