Autorin mit Agenda

Der Rolling Stone distanziert sich von einem Initiationsritusvergewaltigungs-Reißer

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Am 19. November veröffentlichte die US-Ausgabe des Rolling Stone einen Text von Sabrina Rubin Erdely, in dem ausgesprochen plastisch erzählt wird, wie sieben Verbindungsstudenten an der University of Virginia in Charlottesville während einer Party im Haus der Studentenvereinigung Phi Kappa Psi eine "Jackie" genannte Studentin im Rahmen eines Initiationsrituals drei Stunden lang vergewaltigen.

Vielen Lesern kam der angebliche Tatsachenbericht seltsam vor. Einige davon - darunter der Washington-Post-Blogger T. Rees Shapiro - spürten den Fakten nach und stießen dabei auf Merkwürdigkeiten wie die, dass an dem Tag der Vergewaltigung im Herbst 2012 nach Angaben von Phi Kappa Psi gar keine Veranstaltung stattfand. Darüber hinaus sieht es im Eingangsbereich des Verbindungshauses ganz anders aus, als das im Artikel beschrieben wird - und es gibt kein Mitglied, auf das die Beschreibung des Anlockers und Vergewaltigungschoreographen "Drew" passen würde. Von den eigentlichen Vergewaltigern will "Jackie" niemanden erkannt haben, weil es dazu zu finster gewesen sein soll.

Erdely hatte das angeblich deshalb nicht überprüft, weil sie von "Jackie" gebeten wurde, die beschuldigte Studentenverbindung nicht anzuhören. Dass sich die Autorin daran hielt, könnte daran liegen, dass sie selbst einer Agenda folgte - diesen Eindruck hatte eine andere von ihr interviewte Studentin. In einem Slate-Podcast berichtet Erdely außerdem, wie sie sich nach Recherchen in Harvard, Yale, Princeton und der University of Pennsylvania die von Thomas Jefferson gegründete staatliche University of Virginia mit ihren "elitären" Studentenverbindungen als perfekte Lokalität für ihre Geschichte über eine angebliche "Rape Culture" an US-Universitäten aussuchte.

Sabrina Erdely. Foto: Kellywritershouse. Lizenz: CC BY 2.0.

Die Zweifel an der Geschichte, die Erdely in ausweichenden Interviews nicht entkräften konnte, verdichteten sich so sehr, dass sich Anna Merlan, eine Autorin für das Frauenportal Jezebel (die anfangs den Reason-Kolumnisten Robby Soave wegen dessen Skepsis einen "Idioten" genannt hatte) entschuldigte und zugab, dass sie "dead fucking wrong" lag.

Ende letzter Woche distanzierte sich der Rolling Stone selbst von der Geschichte - was ihr noch deutlich mehr Aufmerksamkeit einbrachte als vorher. Über diese Aufmerksamkeit sind nicht alle US-Feministinnen glücklich: Arielle Duhaime-Ross beklagte in einem Beitrag für The Verge, die möglicherweise erfundene Story führe dazu, dass echten Opfern von Vergewaltigungen weniger geglaubt werde. Hardcore-Ideologinnen wie Zerlina Maxwell forderten dagegen ein Ende der Unschuldsvermutung und lancierten den Twitter-Hashtag #ibelievejackie.

Opfer sind jedoch auch die Studentenverbindungen an der University of Virginia, denen die Hochschulleitung nach dem Erscheinen der Geschichte vorläufig alle Aktivitäten verbot. Die stellvertretende UVa-Studentendekanin Nicole Eramo erhielt trotzdem Morddrohungen, weil sie nach Ansicht einiger Fanatiker nicht zeitnah und scharf genug auf die Vergewaltigungsvorwürfe reagierte. Phi Kappa Psi muss darüber hinaus Wände neu streichen und Fensterscheiben ersetzen, nachdem Unbekannte ihr Verbindungsgebäude verwüsteten.

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