Angela, ein "Jungrebell" und die Burka

Der CDU-Parteitag ohne Knall und Knüller

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Beileibe keine Überraschung: Angela Merkel bleibt Chefin der CDU, WettbewerberInnen hatte sie selbstverständlich nicht, ihr Wahlergebnis ist ok.. Ein (nach christdemokratischer Selbstdarstellung) "politisches Großereignis", mit Tausenden von aktiven und beobachtenden Teilnehmern, an einem historischen Stammplatz - aber Aufreger kommen nicht vor beim Parteitag der einzig existierenden deutschen "Volkspartei".

Das mögliche innerparteiliche Konfliktthema, die Forderung nach Abbau der "kalten Steuerprogression", war vor Beginn der Veranstaltung bereits abgehakt; die CDU-Mittelstandsvereinigung und die christdemokratische Arbeitnehmersektion wurden zufrieden gestellt. Und so konnte die Bundeskanzlerin am Vorabend des Parteitags (laut unbestätigten Medienberichten nach einem kleinen Anfall von Unwohlsein) "mit dem BILD-Reporter Bouletten essen", wie das Boulevardblatt rasch noch mitteilte.

"Deutschland soll Spitze bleiben" - hatte der Generalsekretär dem Parteitag als Devise vorausgeschickt. Diskussionsbedarf dazu war nicht zu erwarten. Wer von den Delegierten hätte über mögliche ökonomische und soziale Fallstricke bei der Umsetzung dieses Wunsches reden wollen? Dazu ist der repräsentative Auftritt einer Partei, die sich ihrer demoskopischen Spitzenstellung weiterhin sicher glaubt, nicht die geeignete Gelegenheit.

Ein bisschen Spektakel versprach die im Vorfeld des Parteitags aufgekommene Idee, ganz generell das Tragen einer Burka hierzulande zu verbieten. Aber schon meldeten sich Bedenkenträger, eher bürokratische als prinzipielle, ob denn so etwas juristisch handhabbar sei. Damit war Wasser in den Burkawein geschüttet, das Textil gab wenig mehr her für das Gemüt der Delegierten.

Und so blieben nur einige Personenwahlen als Angebot für Spannungsbedürfnisse. Die mediale Aufmerksamkeit konzentrierte sich auf einen so genannten "Jungrebellen" (Jens Spahn MdB., 34 Jahre alt), den es ins Parteipräsidium zieht. Sodann auf die Frage, ob Angela Merkel als Parteivorsitzende ihre Zustimmungsquote (97,9 % bisher) noch steigern könne - so als müsste ein Soll von 100 Prozent voll erfüllt werden. Aber ein kleiner Rückgang passierte: 96,7. An der Macht der Kanzlerin kratzt das nicht. Sie hielt sich in ihre Parteitagsrede an das Übliche: Mutiger soll es zugehen in der Bundesrepublik, stärker digital, mehr Investitionen müssten her, das TTIP-Projekt sei untadelig, zum Euro und EU gebe es keine Alternative - und die CDU-Koalition mit der SPD habe auch einige Schattenseiten, in Thüringen zeige sich das. Die Energiewende soll perfektioniert werden (also steht einer eventuellen Koalition der Christdemokraten demnächst mit den Grünen nichts im Wege)...

Soweit die Chefin, und eigentlich könnte damit das Kölner "Großereignis" zu Ende sein, aber in deutschen Parteien geht es tagesordentlich zu. Nun die CDU-Realitäten: Spitzenmäßig steht in der Tat die CDU in den Sonntagsfragen da - solange sie Angela Merkel als Kanzlerin vorzuweisen hat und deren Politik einer Mehrheit der Deutschen angenehme Ruhe vor allen Turbulenzen in der Welt zu versprechen vermag.

Aber es bleiben Probleme für die "Volkspartei", die keine Parteitagsroutine lösen kann: Wie lange noch hält der Merkeleffekt an? Spitzen sich wirtschaftliche und soziale Fragen auch in der Bundesrepublik zu? Auf welche Frist hin will die Kanzlerin ihres Amtes walten? Beim Führungsnachwuchs in der CDU sieht es mau aus. Und mit Regierungsrollen in den meisten Bundesländern ebenfalls. Schmilzt der Christdemokratie auf längere Sicht die Basis ab? JungwählerInnen waren bisher nur mühsam einzuwerben, der kirchliche Rückhalt der "christlichen" Partei bröckelt weg. Die CDU will "konservativ, liberal und sozial" sein, eine Mischofferte, die möglichst ohne grundsätzliche Debatten wirken soll, auf den Politmarkt ausgerichtet. Aber wie haltbar ist diese diffuse Etikettierung? Speziell das "Konservative" ist in Irritation geraten, die CDU will ja immer auch "modernisieren"...

Die Stimmen für die AfD kommen nicht nur aus dem christdemokratischen Terrain, aber für die Position der CDU im Parteienspektrum ist der "Rechtspopulismus" eine Anfechtung. Die "Schwesterpartei" in Bayern bietet keine konzeptionelle Rettung aus diesen Unsicherheiten der CDU. Horst Seehofer hat hinreichend eigene Sorgen, darunter auch solche derselben Art. "Die CDU soll Spitze bleiben" - so wünschen es ihre Betreiber. Ein vorweihnachtlicher Wunsch, den man als fromm bezeichnen kann.