"Für den Technologiestandort Deutschland ist die sichere Rohstoffversorgung unabdingbar"

Der neue BGR-Bericht zur Rohstoffsituation weist bei den Energierohstoffen auf die starke Abhängigkeit von Russland hin

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Deutschland sei zwar weiterhin ein Bergbauland, so die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) im neuen Rohstoffsituationsbericht, aber ist auch sehr von Importen abhängig, allen voran von Energierohstoffen, d.h. Gas und Öl. Die Bundesanstalt will die Fakten bereitstellen, damit beurteilt werden kann, ob der "Technologiestandort Deutschland" gesichert ist.

Wenig rühmlich ist, dass das Land der weltgrößte Braunkohle-Produzent ist. Auch beim Abbau von Kaolin und Steinsalz ist Deutschland weltweit führend. Gefördert wurden in Deutschland 2013 192,9 Millionen Tonnen Braunkohle, Steinkohle und Erdöl sowie 10,7 Milliarden Kubikmeter Erdgas. Mit mineralischen Rohstoffen und Torf wurden so insgesamt 14,8 Milliarden Euro erwirtschaftet. 6,3 Prozent weniger als 2012. Das hat nicht nur mit einer verringerten Nachfrage zu tun, sondern auch mit sinkenden Rohstoffpreisen.

Die einzige deutsche Bohrplattform Mittelplate im Wattenmeer der Nordsee. Bild: Ralf Roletschek/CC-BY-SA-3.0

Importiert wurden hingegen Rohstoffe im Wert von 143,8 Milliarden Euro, 4,9 Prozent weniger als 2012 (2004 waren es Rohstoffe im Wert von nur 60 Milliarden Euro!). Die Menge der eingeführten Rohstoffe ist mit als 330 Millionen Tonnen in etwa gegenüber 2004 konstant geblieben, der Anteil der Energierohstoffe hat sich geringfügig erhöht. 70 Prozent machten die Energierohstoffe aus, 28,8 Prozent Metalle. Deutschland gehört weltweit zu den fünf größten Verbraucherländern bei den Industriemetallen Aluminium, Blei, Kupfer, Nickel und Zinn. Der Bericht verweist vor allem auf den großen Einfluss von China, während der von Brasilien, Indien und Russland weiterhin gering sei:

Seit Anfang des neuen Jahrtausends ist China zum Land mit dem größten Einfluss auf die Rohstoffmärkte aufgestiegen, während die USA bzw. die klassischen Industriestaaten stark an Einfluss verloren haben. Kein Land hatte jemals zuvor einen solch starken Anstieg des Einflusses auf die Nachfrageseite zu verzeichnen wie China.

Abgesehen von Erdöl, wo die USA noch an der Spitze lagen, war 2013 China der weltweit größte Importeur von Industrierohstoffen, die zweitgrößte Nachfrage kam ansonsten von den USA. Die Ausgaben für die Erschließung von Rohstoffen hatte 2012 einen Peak erreicht und ist 2013 wieder gesunken. Die höchsten Explorationsausgaben wurden in Lateinamerika getätigt, wo offenbar Gold noch immer besonders begehrt ist. Langfristig verfügbar seien Kohle, Erdgas, Uran, Metallrohstoffe und Industrieminerale, bei Erdöl und einigen Seltenen Erden müsse man damit rechnen, dass in "kommenden Jahrzehnten" die Nachfrage nicht mehr gedeckt sei. Von Peak Oil ist also nicht die Rede, zu Lieferengpässen könne es durch Spekulation und durch die Ausbeutung der Rohstoffe in wenigen und teilweise auch instabilen Ländern kommen.

In Deutschland sind Erdöl und Erdgas mit einem Anteil von 57 Prozent die wichtigsten importierten Energierohstoffe, allerdings entfallen auch 21 Prozent der Energierohstoffe auf Kohle. Nur 12 Prozent des Erdgases und zwei Prozent des Öls stammen aus deutscher Förderung, der Rest muss importiert werden:

Deutschland muss als hochentwickelte Industrienation und einer der größten Energieverbraucher der Welt den Hauptteil der benötigten Energierohstoffe importieren.

GBR

Bei Energierohstoffen ist die Abhängigkeit von Russland weiter groß. 34,8 Prozent der Erdölimporte stammen aus Russland, beim Erdgas sind es 39 Prozent. Insgesamt ist die Russische Föderation nach Wert mit 32,4 Milliarden Euro das wichtigste Einfuhrland für Deutschland, gefolgt von Norwegen und den Niederlanden. Allerdings ist von 2012 auf 2013 bereits der Import russischen Erdöls um 9,4 Prozent zurückgegangen, während der Import aus Norwegen, vor allem aber aus Aserbeidschan und Kasachstan stark angestiegen ist. Der Import aus Libyen ist stark zurückgegangen, aus Saudi-Arabien importiert Deutschland nur 2,7 Prozent des Erdöls, 8 Prozent aus Nigeria.

Der Konflikt mit Russland hat auch damit zu tun, dass die Abhängigkeit Deutschlands und der anderen EU-Länder von russischen Energierohstoffen reduziert werden soll, was natürlich bedeuten würde, dass andere oder stärkere Abhängigkeiten bei fossilen Brennstoffen entstehen, beispielsweise von den USA oder Ländern des Nahen Osten.

Mindern könnte dies der Ausbau der Erneuerbaren Energien, den die Bundesregierung aber nur noch verhalten betreibt. Nur bei Braunkohle mit über 336 Milliarden Tonnen an Ressourcen wäre Deutschland autark, das ist allerdings die schmutzigste Energiequelle. Aber es gibt, überwiegend in Niedersachsen, neben den Erdgasreserven auch noch größere Schiefergasreserven: "Die in Deutschland potentiell gewinnbaren Erdgasmengen (Ressourcen) aus Schiefergasvorkommen werden auf ein Volumen von 0,7 bis 2,3 Bill. M3 geschätzt. Darüber hinaus wird in Kohleflözen ein Potential von 0,45 Bill. M3 an Erdgasressourcen vermutet."

Das GBR weist für die Metallrohstoffe auf die wachsende Bedeutung des Recycling hin. 55 Prozent des Aluminiums, 42 Prozent des Kupfers und 44 Prozent des Rohstahls stammen aus sekundären oder recycelten Rohstoffen: "Durch das Recycling von Metallrohstoffen sowie den Zukauf von Schrott und Abfällen - überwiegend aus Staaten der Europäischen Union - konnte Deutschland die Importabhängigkeit deutlich reduzieren", so das GBR. Bei Nichtmetallen ist Recycling aber meist nicht möglich.

Freie Handelswege und eine gesicherte Rohstoffversorgung als deutsche Sicherheitsinteressen

Die Sicherung der Rohstoffversorgung notfalls auch militärisch gehört mehr oder weniger deutlich ausgesprochen zur Sicherheitsstrategie der Bundesrepublik. Schon 1992 hieß es in den Verteidigungspolitischen Richtlinien über den Auftrag der Bundeswehr, dass dieser die "Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen" einschließt (Deutsche Kriege für das "nationale Interesse"?). Forsch und direkt formulierte Ex-Verteidigungsminister Struck 2004, warum Deutschland möglicherweise auch am Hindukusch verteidigt werden muss:

Ich denke, dass in der Tat die wirtschaftliche Entwicklung Europas im 20. Jahrhundert, die Globalisierung und das Aufkommen neuer Bedrohungen zu gemeinsamen materiellen Interessen der Europäer geführt haben. Sie stehen gleichwertig neben ideellen Verpflichtungen. Zu diesen Interessen gehören der Schutz gegen internationalen Terrorismus oder die Begrenzung der Auswirkungen destabilisierender Konflikte in der europäischen Nachbarschaft. Dazu gehören auch der Schutz vor illegaler Immigration und organisierter Kriminalität oder der Schutz der Energie- und Rohstoffversorgung. Dies sind legitime gemeinsame Interessen, die gemeinsames internationales Handeln der europäischen Staaten erfordern können.

Im Weißbuch der Bundeswehr 2006 heißt es weniger explizit:

"Deutschland hat aufgrund seiner immer engeren Verflechtung in der Weltwirtschaft besonderes Interesse an ... ungehindertem Warenaustausch" und ist "in hohem Maße von einer gesicherten Rohstoffzufuhr und sicheren Transportwegen in globalem Maßstab abhängig". "Störungen der Rohstoff- und Warenströme" bleiben "nicht ohne Auswirkungen auf die nationale Volkswirtschaft, Wohlstand und sozialen Frieden".

2010 trat Köhler von seinem Amt als Bundespräsident zurück, nachdem er für die Doktrin in einem Interview vorsichtig geworben hatte (Soldatensärge und deutsche Interessen):

Meine Einschätzung ist aber, dass insgesamt wir auf dem Wege sind, doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern.

In den Verteidigungspolitischen Richtlinien (2011) heißt es:

Freie Handelswege und eine gesicherte Rohstoffversorgung sind für die Zukunft Deutschlands und Europas von vitaler Bedeutung. … Transport und Energiesicherheit und damit verbundene Fragen (werden) künftig auch für unsere Sicherheit eine wachsende Rolle spielen.

Und zu den Sicherheitsinteressen Deutschlands gehört: "einen freien und ungehinderten Welthandel sowie den freien Zugang zur Hohen See und zu natürlichen Ressourcen zu ermöglichen".