"Niemand hat der CIA mehr geschadet als Dick Cheney…"

"It's not torture when U.S. forces are doing it...". Bild: Carlos Latuff

Ex-CIA-Agent Robert Baer über den Senatsbericht und den Nutzen der Folter

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Die Bücher des ehemaligen CIA-Agenten Robert Baer sorgen in den USA regelmäßig für großes Aufsehen. Baers Werke "See No Evil" und "Sleeping with the Devil" lieferten die Vorlage für den 2005 fertiggestellten Film Syriana. Die Person des Film-Charakters Bob Barnes - gespielt von George Clooney - wurde Robert Baer nachempfunden.

Der ehemalige US-Vizepräsident Dick Cheney bezeichnete den Senatsbericht über die Foltermethoden der CIA als "Mist". Was denken Sie darüber?

Robert Baer:: Zunächst einmal möchte ich entgegnen, dass niemand der CIA mehr geschadet hat als Dick Cheney während seiner Amtszeit als Vize-Präsident der USA. Nicht einmal die Presse oder das Justizministerium der USA haben einen ähnlichen Schaden anrichten können.

: Inwiefern?

Robert Baer:: Cheney bestand auf Folter, gleich ob Water Boarding oder ähnliche Maßnahmen, als Bestandteil der CIA-Aufklärung im sogenannten "War against Terror". Er wurde dabei von ganz oben, also vom damaligen Präsidenten der USA, angetrieben. Die Bush-Administration erfand diese Methoden, ließ diese anwenden, ohne dabei irgendwelche brauchbaren Ergebnisse oder Informationen zu erlangen. In diesem Zeitraum starben etwa 100 Menschen im US-Gewahrsam, bis heute wissen wir nicht, wie sie ums Leben kamen oder wer sie umgebracht hat. Politiker wie Dick Cheney müssen dafür verantwortlich gemacht werden, in bestimmten Fällen sogar aufgrund von Kriegsverbrechen.

"It's not torture when U.S. forces are doing it...". Bild: Carlos Latuff

Als ehemaliger CIA-Agent, dessen Operationsgebiet unter anderem der Nahe Osten war, können Sie doch aber nicht wirklich überrascht gewesen sein, dass bei der Aufklärung auch Folter eingesetzt wurde und wird?

Robert Baer:Zu meiner Zeit hieß es: "Wenn du ein ernsthaftes Verhör willst, schickst du einen Gefangenen nach Jordanien. Wenn du willst, dass sie gefoltert werden, schickst du sie nach Syrien. Wenn du jemanden verschwinden lassen willst - wenn du ihn nie wieder sehen willst -, dann schickst du ihn nach Ägypten." So arbeitete damals die CIA.

Sie wurden gefoltert. Haben Sie auch selbst gefoltert, oder wurden Sie Zeuge von Folter, während Ihrer Dienstzeit?

Robert Baer: Lassen Sie mich Ihre Frage bitte so beantworten. Ich habe 21 Jahre als CIA-Agent im Nahen und Mittleren Osten verbracht. Ich habe die Ergebnisse von Folter gesehen, Folter in Ländern wie Ägypten, Syrien und Saudi-Arabien beobachtet. Meine Erkenntnis ist, basierend auf diesen Erlebnissen, wenn wir die menschenrechtlichen Aspekte außer Acht lassen, dass Folter völlig nutzlos ist, denn sie führt zu keinen brauchbaren Ergebnissen. Ein Mensch der gefoltert wird, wird Ihnen alles sagen, was Sie hören wollen, wenn die Schmerzen schlimm genug sind. So erlangt man keine Informationen, sondern Desinformationen, die für die Aufklärungsarbeit verheerend sind.

Viel eher muss sich nachrichtendienstliche Tätigkeit auf die Penetration gegnerischer Zirkel konzentrieren, um die relevanten Informationen zu erlangen. Als Stalin den KGB beauftragte, eine Atombombe zu bauen, entführte und folterte der sowjetische Geheimdienst nicht britische oder amerikanische Wissenschaftler, sondern rekrutierte Spione. Dadurch wurde die Sowjetunion zur Atommacht.

: Setzt sich diese Erkenntnis auch bei den Nachrichtendiensten der Verbündeten der USA durch?

Robert Baer: Die Israelis haben das beispielsweise schon lange erkannt. Ich habe in den vergangenen Jahren häufig israelische Gefängnisse besucht, die dortigen Verhörmethoden beobachtet, mit Hamas-Gefangenen gesprochen, wie auch mit den Mitarbeitern des Geheimdienstes. Die Mitarbeiter des israelischen Inlandsgeheimdienstes Shin Beit versicherten mir, ich konnte das auch vor Ort analysieren, sie würden meistens auf traditionelle Polizeimethoden bei ihren Verhören zurückgreifen, was gewinnbringender sei als Folter. Die Israelis haben Folter gestoppt, weil es ihre Ermittlungen versaute, sowie ihr angeschlagenes internationales Image weiter verschlechterte.

Totalitäre Systeme und Terrorgruppen foltern massiv. Was halten Sie von dem Argument, bei der Bekämpfung solcher Gegner sei Folter erlaubt?

Robert Baer: In Zentralasien wurde ich Zeuge, wie Gefangenen die Finger einzeln abgeschnitten wurden. Die USA-Dienste waren und sind also bei weitem nicht die schlimmsten Folterer. Um auf Ihre Frage zurückzukommen. Von solchen Aussagen halte ich gar nichts. Wir haben Gesetze, national wie international, die Folter eindeutig verbieten. Ich erwähnte es schon, Folter ist eine unproduktive Methode, um Gefahren abzuwehren, außerdem verraten wir damit unsere Werte und sinken dadurch auf das Niveau unser Gegner.

Gehen Sie davon aus, dass der Senatsbericht ein realistisches Bild skizziert oder ist die Wahrheit noch viel schlimmer?

Robert Baer: Ich gehe leider davon aus, dass es sich dabei nur um die Spitze des Eisbergs handelt. Zahlreiche Dokumente wurden CIA-Intern vernichtet. Nein, die Realität sieht leider schlimmer aus.

Noch einmal zu Dick Cheney. Dieser argumentierte, er würde jederzeit wieder so vorgehen wie nach den Anschlägen auf New York und Washington. Amerika habe Folter "sorgfältig vermieden" und "erfolgreich" das Richtige getan, "um die Bastarde zu fassen, die 3000 von uns am 11.September getötet hatten, und sicherzustellen, dass das nicht noch einmal passierte".

Robert Baer: Das Gegenteil ist der Fall.Cheney und seine Kamarilla haben alles getan, um die saudischen Spuren des Attentates zu verwischen, nicht aus Sorge um amerikanische Menschenleben, sondern aus Angst um ihre finanziellen Interessen. Ich habe die Beziehungen zwischen Washington und Riad nicht umsonst als "Sleeping with the devil", in einem meiner Bücher bezeichnet.

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