CIA-Bericht - nicht ohne juristische Folgen?

Jürgen Trittin fordert, dass Mittäter in Europa ermittelt und strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Foltermethoden der CIA sickerten in manchen Berichten schon Jahre vor dem Senatsbericht durch, aber Jakob Augstein begreift das Phänomen der Empörungswelle, die sich nach der Veröffentlichung des Berichts aufgebaut hat, an der richtigen Stelle, wenn er schreibt, dass es einen Unterschied mache, "ob die Dinge bekannt sind oder bewiesen". Nun kann eine breitere Öffentlichkeit die angewandten Foltermethoden schwarz auf weiß in einem offiziellen Bericht nachlesen, in Einzelheiten. Augstein fordert juristische Konsequenzen: "Wenn der Westen seine Würde wiedererlangen will, müssen die Täter vor Gericht."

Auch der grüne Außenpolitiker Jürgen Trittin fordert juristische Konsequenzen. Er präzisiert:

Es ist an der Zeit, dass Mittäter hier in Europa ermittelt und strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Dass es offensichtlich Geheimgefängnisse in Polen, Litauen und Rumänien gab, kann nicht ohne juristische Folgen bleiben.

International werden diese Forderungen ebenfalls laut. Doch stellt sich die Frage, welche Gerichte dafür infrage kämen.

US-Gerichte? Laut Ben Emmerson, dem UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte, ist der US-Justizminister "rechtlich verpflichtet, Anklage gegen die Verantwortlichen zu erheben" (CIA-Folter: UN-Vertreter fordern Strafen). Aber damit ist wohl kaum zu rechnen, zumal sich Obama schon 2011 gegen eine strafrechtliche Verfolgung der Verantwortlichen ausgesprochen hatte (Rehabilitierung der Folter) und auch aktuell auf der "patriotischen Argumentationslinie" besteht (Stabile Wertegemeinschaft?).

Wie viel politische Traute hat der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag?

Und die Gerichte außerhalb der USA? Das hängt in vielen Fällen vor allem vom politischen Mut ab. Denn mit strafrechtlich relevanten Aktionen riskieren übernationale Gerichte und Regierungen des Landes, in dem nationale Gerichte Verfahren einleiten, einen politischen Konflikt mit den USA - und dies in Fällen, wo man mehr oder weniger auch auf die Mitarbeit der US-Regierung angewiesen ist, weil konkrete Informationen, die im Senatsbericht "schwarz auf weiß" zu lesen sind, meist geschwärzt sind.

In der Washington Post legt Mark Kersten, ein Spezialist für Internationale Beziehungen, die Schwierigkeiten dar, die der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag mit der strafrechtlichen Verfolgung zu vergegenwärtigen hat. Dem ICC würden durch den Bericht tatsächlich neue Möglichkeiten zur strafrechtlichen Verfolgung der in die Folterprozeduren Verwickelten eröffnet, so Kersten, aber die politische Frage sei, ob der Strafgerichtshof dazu schon bereit sei.

In Kürze argumentiert Kersten so: Da Anwälte des ICC erst Anfang Dezember einen Bericht über den Stand von "vorbereitenden Untersuchungen über mögliche strafrechtliche Ermittlungen" in Afghanistan veröffentlicht haben, wo es um Fälle geht, die amerikanische Verhörmethoden einschließen, sei darin auch ein Signal für eine Bereitschaft zu erkennen, gegen die USA zu ermitteln.

(Einfügung: Da die USA dem ICC nicht begetreten sind, kann er imgrunde nicht gegen die USA ermitteln - dieser Grundsatz wird aber von Juristen seit Veröffentlichung des Senatsberichts und der Ermittlungen in Afghanistan angezweifelt - siehe The Torture Report and the possibility of International Criminal Court charges.)

Aber für den ICC, so Kersten, sei ein gutes Verhältnis zu den USA nicht gleichgültig. Man brauche die USA, als Beispiel nennt er Fälle von Menschenrechtsverletzungen in Afrika, wo Verdächtige nur mit der Unterstützung der USA dingfest gemacht werden können. Zum anderen beschreibt Kersten, dass das kühle Verhältnis zwischen dem ICC und den USA - die USA hatten gegen die Gründung des Internationalen Strafgerichtshofs mobilisiert und sind dem Römischen Statut nicht beigetreten - seit einigen Jahren einem "Tauwetter" gewichen sei. Die Frage sei jetzt, was den Verantwortlichen wichtiger sei, ein "positives Verhältnis zu den USA" oder der Mut, hier konsequent zu bleiben.

Für letzteres spreche der Druck, der im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Folterberichts international kommt. Damit werde es für den ICC immer schwieriger, nicht weiter zu gehen. Die USA müssten begreifen, dass dies auch für ihre internationale Reputation wichtig wäre. Das werde sich nun schon daran zeigen, wie kooperativ sich die USA in den Fällen der Misshandlung von Gefangenen in Afghanistan verhalte. Der Druck auf die USA auf mehr Transparenz sei seit dem Bericht gewachsen, lässt Kersten verstehen.

Die "Black Sites" der CIA in Ländern außerhalb der USA

Und die nationalen Gerichte? Die "black sites", die von CIA-Mitarbeitern verwendet wurden, lagen im Ausland, in Afghanistan, Guantanamo, Thailand, Polen, Rumänien und Litauen. Sämtliche Landesnamen und Ortsnamen wurden im Senatsbericht allerdings geschwärzt, sie sind aber allenthalben bekannt, wie etwa ein aktueller US-Zeitungsbericht erneut hinweist.

Dort ist noch einmal zu lesen, mit wieviel Geld etwa die Mitarbeit des polnischen Geheimdienstes entgolten wurde - "15 Millionen Dollar in Schachteln voller Hundert-Dollarscheine". Noch einmal heißt, die Zahlen und andere Einzelheiten stehen im Senatsbericht, aber eben ohne namentliche Kennungen. Zwar dürfte es für polnische oder litauische Ermittler ein leichtes sein, die genauen Orte zu ausfindig zu machen und möglicherweise auch die Beteiligten, aber wie die einzelnen strafrechtlich relevanten Taten nachzuweisen wären, steht auf einem anderen Blatt - und auch das hat politische Markierungen.

Aus den USA dürfte hier kein Druck kommen, der auf Aufklärung drängt. Zwar gibt es viele überzeugende Anhaltspunkte - zuletzt auch aus Bushs Memoiren und von Cheneys kürzlichem TV-Auftritt -, dass die Regierung Bush sehr wohl auch über Einzelheiten der angewandten Foltertechniken informiert war, inwieweit sie allerdings über die Prozeduren, die die Kooperation von Geheimdiensten in anderen Ländern betrifft, im Bild war, ist weniger deutlich.

Und die Rendition-Programme?

Der Senatsbericht stützt in diesem Punkt die politisch angenehme und verbreitete Ansicht, wonach die CIA sehr darauf achtete, dass es möglichst wenig Mitwisser auch in der US-Regierung gibt. Gestützt wird hier die These, dass die CIA in vielen Punkten "unabhängig und klandestin" handelte, eine Eigendynamik entwickelte. Um herauszufinden, ob dies tatsächlich zutrifft, müssten die Gerichte der einzelnen Länder mit einigem Mut und viel investigativem Elan arbeiten. Die eigenen Geheimdienste, die durch die Kooperation mit den USA einiges Geld verdienten, dürften Hindernisse aufstellen, ebenso die Regierungen, die wahrscheinlich wenig Lust auf solche Enthüllungen haben.

Wie man etwa auch am Fall Großbritannien sieht, wo die Regierung laut Guardian lange mit dem Geständnis zögerte, dass Inhalte des Senatsbericht vorher abgesprochen worden seien. So musste man nicht einmal schwärzen. Großbritannien spielte angeblich keine kleine Rolle beim Rendition-Programm; auch Deutschland ist darin verwickelt. Aber es bräuchte viel politischen Druck, um hier juristisch Relevantes herauszufördern.