Partei in Bewegung

Nähern sich Pegida und AfD weiter an? Die Partei äußert Verständnis für die islamfeindliche Bewegung, ob und wie sie mitmischen will, bleibt aber unklar

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Seit Wochen debattiert man in der "Alternative für Deutschland" (AfD) darüber, wie die Bewegung der "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" (Pegida) und etwaige lokale oder regionale Ableger einzuschätzen sind. Offen ist die Frage, ob die AfD eine Art parlamentarischer Arm der Bewegung sein könnte oder ob sie dann unfreiwillig gemeinsame Sache mit Rechtsextremisten machen würde. Die "Zeit" hat darauf hingewiesen, dass Pegida und AfD teils schon kooperieren - Berührungspunkte zur extremen Rechten hin inbegriffen.

So meldete die Wochenzeitung, dass für den 12. Januar 2015 der Leipziger Pegida-Ableger "Legida" seine erste Demonstration angemeldet habe. Der Ort habe als Revolutionsstadt von 1989 Symbolwirkung für die Bewegung. Mindestens zwei Mitglieder des bis zu jener Veröffentlichung unbekannten Organisationsteams seien laut "Zeit" AfD-Führungsfiguren in Sachsen: Felix Koschkar kandidierte 2014 für die Partei um einen Landtagssitz und gelte als wichtiger Vertreter der extrem rechten und islamfeindlichen Gruppierung der "Identitären Bewegung" (IB).

Koschkar sei außerdem Mitbegründer des AfD-Rechtsaußen-Flügels "Patriotische Plattform". Auch Hans-Thomas Tillschneider ist führend in der "Patriotischen Plattform" aktiv und sehe sich als Berater der Leipziger Organisatoren. Der Islamwissenschaftler sei von den Legida-Veranstaltern gebeten worden, beim Aufbau dieses Pegida-Ablegers zu helfen, sagte er demnach. Der Islamkritiker ist Mitglied im Landesvorstand der AfD in Sachsen. Tillschneiders "Patriotische Plattform" hat indirekt von der AfD gefordert, Pegida zu unterstützen, deren "Kernforderung […] zu übernehmen [sowie] gegen die Machtpolitik der Islamverbände und gegen die Wahnvorstellung einer multikulturellen Gesellschaft" aufzustehen.

Die "Zeit" wies zudem darauf hin, dass auch in anderen Orten AfD-Mitglieder die Veranstaltungen der Pegida-Bewegung mit organisierten. Einer der Düsseldorfer Veranstalter ("Dügida"), Alexander Heumann, ist Mitglied der AfD und ein Kopf des nordrhein-westfälischen Ablegers der "Patriotischen Plattform". Heumann war Redner beim Aufmarsch der "Hooligans gegen Salafisten" (HoGeSa) in Hannover (Volksaufstand der wutbürgerlichen Unanständigkeit?), an der von ihm in Düsseldorf Anfang Dezember mit organisierten Versammlung nahmen auch Hooligans, Neonazis und Rechtsradikale teil. Zu den Mitverantwortlichen für jene Versammlung gehörten Sebastian Nobile (Köln), zeitweise Mitglied der vom Landesverfassungsschutz beobachtete Splitterpartei "Pro NRW", sowie das "Pro NRW"-Vorstandsmitglied Melanie Dittmer (Bonn). Beide sind seit Jahren in unterschiedlich extremen Strömungen der rechten und islamfeindlichen Szenen aktiv.

Auch in Kassel ("Kagida") sei der Protest mit Michael Viehmann von einem AfD-Mitglied angemeldet und organisiert worden. Der Sprecher des AfD-Kreisverbandes Kassel-Stadt, Manfred Mattis, sei als Redner aufgetreten. Zuvor schon hatte der HR auf die beiden AfD-Mitglieder hingewiesen. Unter den Teilnehmern der Kadiga-Kundgebungen sollen auch Hooligans und Rechtsextremisten gewesen sein. Viehmann selbst soll sich gar antisemitisch geäußert haben.

Offiziell war die AfD-Spitze auf Distanz zu den "Hooligans gegen Salafisten" gegangen (Zwischen Nadelstreifen, Abendkleid, Hooliganismus und Islamisierung), die unterdessen neue Aktionen sowie ein Rechtsrock-Konzert ankündigen und dennoch weiter behaupten, mit der rechten Szene nichts zu tun zu haben. Derweil ist der Umgang mit dem sich bürgerlich gebenden HoGeSa-Sidekick Pegida innerhalb der AfD uneinheitlich. So fürchtete der AfD-Vize Hans-Olaf Henkel um das Ansehen seiner Partei und sagte: "Ich rate weiterhin davon ab, dass sich unsere Partei an Demonstrationen von selbsternannten Islamkritikern beteiligt."

Der Spitzenkandidat der AfD für die Hamburger Bürgerschaftswahl, Jörn Kruse, äußerte zwar Verständnis für die Pegida-Forderungen. Er schloss jedoch gleichzeitig eine engere Zusammenarbeit seiner Partei mit der Bewegung aus. AfD-Chef Bernd Lucke nannte den Namen Pegida einen "Missgriff […], unter dem man sich auch plumpe Islamfeindlichkeit vorstellen kann. Das wäre für mich inakzeptabel. Man muss hoffen, dass Pegida nicht für solche Zwecke missbraucht wird."

"Ziemliches Potpourri"

Während sich kurz darauf der AfD-Fraktionsvorsitzende im Brandenburger Landtag, Alexander Gauland, in Dresden ein Bild von der mit rund 15.000 Teilnehmern bisher größten Pegida-Aktion machte, entwickelte sich zeitgleich der von Dittmer in Bonn organisierte Ableger zu einer klar islamfeindlichen und von rechtsradikalen Rednern dominierten Versammlung. Eine Woche zuvor hatten jene Kreise in Düsseldorf mit AfD-Mitglied Heumann kooperiert. AfD-Vize Gauland stellte indes zu der "völlig friedlichen Demonstration" am vergangenen Montag in Dresden fest, das sei ein "ziemliches Potpourri" und er "durchschaue noch nicht, was die Leute wirklich bewegt".

Zudem, sagte Gauland, sehe er die AfD auch nicht als parlamentarischen Zweig von Pegida. Dass er seine Partei zuvor als "die natürlichen Verbündeten dieser Bewegung" umschrieben hatte, wiederholte er nicht mehr. AfD-Mitbegründer und -Vize Konrad Adam schlug sich angesichts der Geiselnahme in Sydney jedoch indirekt auf die Seite der Pegida und warf Politikern "die von der Wirklichkeit keine Ahnung haben", vor, die Demonstranten angesichts solcher Gefahren lächerlich machen zu wollen. Adam erntete dafür Kritik, weil er versuche, aus der Terrortat politisches Kapital zu schlagen.

Wie sich Pegida weiter entwickelt und wie sich die AfD dazu verhält, das wird sich zeigen. Partei und Bewegung eint zum Beispiel, dass Teile der Anhängerschaft und Sympathisanten mit Medienvertreter auf Kriegsfuß stehen, weswegen die Pegida-Macher auch Einladungen in Talkshows ausschlagen. Hasnain Kazi, Korrespondent von "Spiegel Online" mit Sitz in Istanbul, kommentierte über die Pegida - und könnte doch auch Teile der AfD-Sympathisanten und -Basis gemeint haben: "Man will Fremden und vermeintlich Fremden nicht auf Augenhöhe begegnen."

Der Verfassungsschutz warnte schon vor der wachsenden Gefahr, dass es bei islamfeindlichen Protesten zu Eskalationen zwischen Rechtsextremisten sowie Radikalislamisten und Salafisten kommen könnte. Also dürfte sich die AfD weiter fragen, in welches Fahrwasser sie gerät, sollte sie sich den Pegida noch weiter annähern. Und zu Recht polemisierte der Politikredakteur der "Aachener Nachrichten", Joachim Zinsen, unlängst über die oft kruden Ansichten der Pegida-Macher, eines Teils ihrer Mitdemonstranten und den Debatten darüber, ob man mit diesen in einen Dialog treten sollte:

Machen wir ein Experiment. Ersetzen wir in den Äußerungen von "Pegida"-Anhängern und Konsorten einfach die Worte "Muslime" und "Moschee" durch die Begriffe "Juden" und "Synagoge". Würde dann irgendjemand versuchen, Verständnis für solche Parolen aufzubringen? Würde irgendjemand dafür plädieren, die Sprüche als einen Hilferuf sozial benachteiligter Schichten ernst zu nehmen? Würde irgendjemand auf die Idee kommen, sich mit dem antisemitischen Pöbel an einen Tisch zu setzen und über seine krude Gedankenwelt diskutieren zu wollen? Wohl kaum.