Der Trick mit der Luxussanierung

Wie Kommunen Straßenreparaturkosten auf Anlieger abwälzen

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Wenn auf einer Gemeindestraße der Asphalt bröckelt, dann muss die Kommune diese Straße eigentlich mit Mitteln aus ihrem allgemeinen Haushalt sanieren. In den letzten Jahren greifen Kommunalpolitiker nach Erkenntnissen des Bundes der Steuerzahler aber immer öfter zu einem Trick, um die Kosten dafür auf einige wenige Bürger abwälzen zu können und mit dem gesparten Geld Sport und Kultur zu bezuschussen: Anstatt Straßen zu reparieren, führten sie einen Luxusausbau durch, für den sie von den Anliegern Beiträge verlangten.

Diese neuen Erschließungsbeiträge müssen die umliegenden Hausbesitzer auch dann zahlen, wenn es die Straße und ihre Häuser schon Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte gibt. Und da solche Beträge regelmäßig fünfstellig sind, haben sie vor allem für ältere Anwohner häufig unbillige Härten zur Folge: Anstatt ihnen einen Kredit zu geben, empfehlen Banken den Rentnern, die Häuser zu verkaufen, in denen sie manchmal ihr ganzes Leben verbracht haben.

Luxussanierter Bürgersteig in der Hambührener Ostlandstraße. Foto: Egon Kiehne

In Niedersachsen könnte das geltende Kommunalabgabengesetz (NKAG), das solche Straßenausbaubeiträge erlaubt, durch ein Gerichtsurteil gekippt werden, wenn eine Prozessgemeinschaft aus Hambühren mit ihrer Musterklage Erfolg hat. In der kleinen Ortschaft hatten die Kommunalpolitiker bei der Luxussanierung einer Straße unter anderem dreifarbige Gehsteige legen und extrem teure Lampen aufstellen lassen. Inzwischen hat die Hannoveraner Landesregierung signalisiert, sich 2015 mit dem Problem auseinanderzusetzen.

Straßenlaterne in der Hambührener Ostlandstraße. Foto: Egon Kiehne

In Hessen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, dem Saarland und Thüringen erlaubt man Gemeinden als Alternative zu den einmaligen Forderungen an direkte Anlieger wiederkehrende Straßenausbaubeiträge: Weil solche Beiträge von allen Grundstückseigentümern jährlich bezahlt werden, liegen sie im zweistelligen oder im niedrigen dreistelligen Bereich und führen im Regelfall nicht zu existenzbedrohenden Notlagen.

Damit es nicht zu Zwangsversteigerungen oder ähnlichen Härtefällen kommt, müssen Gemeinden diese Alternative allerdings annehmen - was nicht immer der Fall ist. Zum Beispiel im thüringischen Jena, wo die Stadtverwaltung eine Straße "verbesserte", indem sie sie unter anderem verengte und mit baulichen Maßnahmen versah, die sie nach Ansicht vieler Bürger gefährlicher machen. Den Vorsitzenden einer Bürgerinitiative gegen den Ausbau machte die Stadtverwaltung durch eine Adressänderung zum "Nichtbeteiligten".

Nach seinem Amtsantritt kündigte der neue thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow im ZDF an, die Bürger künftig zu fragen, wenn beitragspflichtige Straßenausbauten geplant werden. Gegenüber Telepolis heißt es dazu aus der Erfurter Ministerium für Inneres und Kommunales allerdings wenig konkret, die neue Landesregierung werde lediglich "diskutieren", wie im Straßenausbaubeitragsrecht die "Transparenz erhöht" werden kann und wie es sich anstellen lässt, dass "die Bürger nicht über Gebühr belastet werden".

Der Verband Deutscher Grundstücksnutzer (VDGN) befürchtet außerdem, wiederkehrende Straßenausbaubeiträge könnten dazu führen, dass es nicht weniger, sondern mehr unnütze und teure Luxusausbauten gibt, weil der Druck sinkt, wenn alle Gründstückseigentümer mit einem Betrag belastet werden, der viel Zeitaufwand für Klagen oder Bürgerinitiativen unverhältnismäßig erscheinen lässt. Er fordert deshalb Landesgesetze wie in Baden-Württemberg und Berlin: Dort müssen alle kommunalen Straßenausbauten über den allgemeinen Haushalt finanziert werden.

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