Zahl der im Irak getöteten Zivilisten hat sich erneut verdoppelt

Verantwortlich ist der Islamische Staat, aber auch die Luftangriffe der irakischen Armee und der US-Koalition

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Seit dem Einmarsch der US-Truppen und der Koalition der Willigen 2003 in den Irak herrscht dort Krieg, zumindest wurden seitdem an jedem Tag Zivilisten getötet. Bis 2007 stieg die Zahl der getöteten Zivilisten Jahr für Jahr, um dann von 2010 bis 2012 relativ konstant bei 4.000 durch irgendeine Waffe getöteten Zivilisten zu bleiben. 2013 verdoppelte sich die Zahl - und 2014 noch einmal auf mehr als 17.000, wie Iraq Body Count aufgrund der Auswertung von öffentlich zugänglichen Quellen ermittelt hat. Die Zahl könnte höher liegen.

Zu der Zahl von 17.049 getöteten Zivilisten im Jahr 2014, so viel wie in den schlimmsten Jahren 2006 und 2007, kommen noch die getöteten Kämpfer. Auch deren Zahl ist 2014 gestiegen. Zurückführen lässt sich dies vor allem auf den "Islamischen Staat", der sich 2014 im Irak ausgebreitet hat. Auf dem Höhepunkt der Gewalt 2006/2007 war bereits der Vorläufer von IS, al-Qaida im Irak unter der Führung des IS-Vorbilds al-Sarkawi, dafür verantwortlich. Damals wurden die ideologischen und medienästhetischen Grundsteine für den IS als Kalifat gelegt.

Nach der Tötung von al-Sarkawi und der Bekämpfung von al-Qaida durch die Truppenaufstockung, aber vor allem durch die Bezahlung sunnitischer Kämpfer als lokale Selbstverteidigungskräfte durch die USA, verlor al-Qaida im Irak an Macht und Einfluss. Erst der arabische Frühling in Syrien und dessen Niederschlagung durch das Assad-Regime, das die USA unter US-Präsident Obama und der Westen nach den Erfahrungen in Afghanistan, im Irak und Libyen handeln ließen, führte zu einem Wiederaufleben in dem Machtvakuum. Dies ermöglichte es den globalen Dschihadisten mit ihrer Vision der Ausmerzung aller Andersgläubigen, große Regionen einzunehmen und zu kontrollieren, um dann wieder die sunnitischen Gebiete im Irak ins Visier zu nehmen.

Seit Juli 2013 sind nach dem Iraq Body Count monatlich mindestens 900 Zivilisten getötet worden, durchschnittlich 1500. Die meisten Toten gab es mit 4.767 durch die zahlreichen Anschläge in Bagdad, gefolgt von der mehrheitlich sunnitischen Provinz Anbar mit 3.600. Dort sind allerdings 1.748 Zivilisten durch Luftangriffe in und um Falludscha getötet worden, während in Salah al-Din und Ninive vor allem der IS für die Verdopplung der Opferzahlen verantwortlich gemacht wird.

Wer für die Tötung der Zivilisten verantwortlich ist, konnte in den meisten Fällen nicht ausgemacht werden. Bei fast 11.000 der 17.000 getöteten Zivilisten ist nicht klar, wer dahintersteht. 4.325 Tote sollen dem IS zuzuschreiben sein, aber eben auch 1.748 der irakischen Luftwaffe, die offenbar auf Kollateralschäden wenig Rücksicht nimmt. Und auch die von den USA geführte Koalition ist erstmals seit 2011 wieder verantwortlich für die Tötung von 118 Zivilisten. Die Idee eines "sauberen Kriegs" bleibt obsolet, der IS nutzt in seiner Propaganda natürlich die Kollateralschäden, um die von der USA geführte Koalition anzuschwärzen.

Was die Zahl der getöteten Kämpfer im Irak angeht, so variieren die Schätzungen zwischen 5.000 und 30.000. Die hohen Zahlen sind darauf zurückzuführen, dass beide Seiten Propaganda über die Getöteten der jeweils anderen Seite machen. Iraq Body Count geht davon aus, dass die wirkliche Zahl irgendwo dazwischen liegt. Insgesamt seien, konservativ geschätzt, seit 2003 206.000 Menschen getötet worden, 75 Prozent davon sollen Zivilisten gewesen seien. Eingerechnet wurden die 4.807 getöteten Soldaten der US-Koalition und 468 Söldner. Gelohnt haben sich offenbar die Toten nicht - nicht für die USA und schon gar nicht für den Irak. Allerdings sind die Zahlen nicht wesentlich höher als die, die der 2006 auch auf US-Druck begonnene Krieg gegen die Drogen gefordert hat.