Wenn sich die Erde um den Mond dreht

Auf der Suche nach der amerikanischen Ideologie - Teil 2

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Gibt es sowas wie eine amerikanische Ideologie im amerikanischen Film? Am Besten, dachte ich, frage ich mal die amerikanischen Filmemacher direkt.

Teil 1: Folter im Film und in der Realität

Gewiss, jeden einzelnen persönlich zu fragen - das wäre etwas aufwändig gewesen. Aber ich habe hier ein Buch. "Amerikanische Filmemacher reden über ihre Lieblingsfilme." Auf Englisch klingt der Titel noch eine Spur - äh - großspuriger? Aber warum nicht? Es sind schließlich amerikanische Filmemacher.

Watching Movies - The Biggest Names in Cinema Talk About the Films That Matter Most. Von Rick Lyman

Das erste, was mir bei diesem Titel auffiel, war, dass sich gleich zu Beginn, bereits am Titel, eine ideologische Aufspaltung einstellt. "Movies" ist das übliche Wort, das Amerikaner im Zusammenhang mit dem Spielfilm verwenden. Wörter wie "Cinema" und "Film" bezeichnen dagegen cineastische Allüren, den Kunstfilm, den schwierigen Kintopp, den man nur mit Untertiteln konsumieren kann, statt mit Popcorn.

Nur mit Popcorn

Tatsächlich geht es in dem Buch aber nur um "Movies" - die 21 Regisseure benennen durch die Bank nur amerikanische Filme als jene "Filme, die wirklich zählen." Einzige Ausnahme: der britische Film eines amerikanischen Regisseurs, gedreht mit amerikanischen Schauspielern, der zuguterletzt auch ein halbes Dutzend Oscars und eine Millionen-Dollar-Flut einspielte. Das war Fred Zinnemanns "A Man for All Seasons." Zinnemann ist auch noch mit einem weiteren Film dabei, mit "High Noon", nominiert vom deutschen Regisseur Wolfgang Petersen.

Man fragt sich, welchen Abgrund von Landesverrat wohl in diesem Aufmarsch nationalistischer Fanfaren ein Woody Allen zu gewärtigen gehabt hätte, wenn er hier sein bekanntes Idol Ingmar Bergmann oder einen Film wie "Das Schweigen" in den Herrgottswinkel postiert hätte. Man könnte sich fragen, ob es wohl eine ironische Geste war, dass Allen an dieser Stelle die Western-Schmonzette "Shane" (deutsch: Mein großer Freund Shane ) als sein wichtigstes Film-Erlebnis bezeichnet. Kurioserweise bemüht sich der Filmemacher aber redlich, jeden Anflug von Ironie zu vermeiden. Was ich vermutlich auch getan hätte, wenn mich ein Jay Leno zehn Jahre lang jeden Abend im Fernsehen über die heißen Kohlen gezogen hätte.

Der Held des Films, der Revolverheld "Shane", ist sowas wie der große, stille Schutzengel, der trotz der Gefahr für sein eigenes Leben, die armen Leutchen auf der kleinen Farm vor dem Zugriff der großen bösen Gangster verteidigt. Ich hätte gedacht, dass ein Filmemacher vom Format eines Woody Allen hier sofort den Hebel angesetzt hätte, um auf den ideologischen Kern, auf die symbolische Ebene, des Films aufmerksam zu machen. Wie Amerika sich selber im Jahr 1953 als die gute Schutzmacht portraitierte - die ohne große Worte zu machen, den Kampf gegen die böse kommunistische Übermacht in der Welt aufnahm, in Korea und dann auch überall sonst.

Aber: Nitschewo. Der erwachsene Filmemacher Woody Allen verharrt in der Position des Teenagers, wie der diesen Film einst sah, er betrachtet die Story durchweg von der handwerklichen Seite, gerade eben, dass er mal auf die nicht näher erläuterte "poetische" Qualität des Films verweist.

Das Wort "Ideologie" erwähnt er nie , es fällt auch im ganzen übrigen Buch nur gerade ein einziges Mal.

Das geschieht im Interview mit Janusz Kaminski, einem polnischen Kameramann und Regisseur, der hier gewissermaßen als Platzhalter für Roman Polanski auftritt. (Dessen "Rosemary’s Baby" erfährt sehr wohl eine Würdigung, "China Town" dagegen bleibt unerwähnt.)

Kaminski bringt das Wort "Ideologie" wohl deswegen vollkommen natürlich ins Spiel, weil er eben im sozialistischen Polen aufwuchs, wo er und seine jungen Kameraden in der Filmschule amerikanische Filme zu sehen bekamen, um den Gräuel vor dem Kapitalismus zu erlernen. Aber genau das Gegenteil passierte; sie sahen "Vanishing Point", und verliebten sich in die "amerikanische Ideologie der Freiheit."

I saw America … as a country of freedom, where the individual is free, the ideology is free. That is why I so much wanted to come here.

Auszug aus: Rick Lyman. "Watching Movies.

Der Held dieses Films heißt übrigens Kowalski, und fährt mit einem Auto in halsbrecherischer Geschwindigkeit quer durch die USA, bis er schließlich in eine Straßenblockade rast und dort einen romantischen Selbstmord begeht. Ich würde ja meinen, dass Kowalski, wie Kaminski, ein durchaus polnischer Name ist, ja sogar weit vor Kaminski der zweithäufigste polnische Name überhaupt, und der Filmemacher Kaminski identifiziert sich real auch bis heute mit diesem Film-Kowalski. Die einzige Assoziation, die er indessen mit dem Namen hat ist die, dass es in Tennessee Williams’ Theaterstück "A Streetcar Named Desire" einen Helden namens Kowalski gibt, der in der Filmversion von Marlon Brando gespielt wird.

Der Filmemacher Kaminski tritt hier also, statt als Sehender, als ein Nicht-Sehender auf, als ein ideologisch Verblendeter. Er identifiziert sich als Pole mit einem Mann namens Kowalski, schaltet aber "unbewusst" aus, dass dieser Kowalski vielleicht ein Pole ist, und erinnert sich einzig an einen anderen Kowalski aus einem amerikanischen Film nach einem amerikanischen Theaterstück.

Auch das, scheint mir, gehört zur "amerikanischen Ideologie" dazu, dass man die reale Ethnie oder volkszugehörige Abstammung eines Menschen "vergisst" und durch eine eher fiktive "amerikanische" ersetzt. Dieses Phänomen kannte man früher als den "amerikanischen Schmelztiegel". Heute scheinen Amerikaner sich eine Wunsch-Ethnie oder einen DNA-Ausweis zuzulegen, der ihre Vorfahren bis zu den alten Ägyptern hin haarklein "wissenschaftlich" aufschlüsselt.

Ich finde, das ist eine sehr amerikanische Qualität, die man auch an den anderen hier aufgeführten Filmemachern beobachten kann.

Übrigens real auch bei dem zweiten hier erwähnten Kowalski, dem Schauspieler Marlon Brando. Der stammte von einem Urgroßvater namens Brandau ab, Wilhelm Brandau, aus Germany. Obwohl Brando bekannt wurde für seine Rolle als Mafiaboss (in "Der Pate") hatte der Schauspieler dennoch keinerlei italienische Vorfahren; Don Corleones Akzent erwarb Brando bekanntlich nicht durch ein eifriges Italienisch-Studium, sondern dadurch, dass er sich die Backen mit Papierservietten auspolsterte.

Polnische Vorfahren besaß er offenbar überhaupt keine. Aber auch er zählt in seiner Autobiographie neben dem deutschen Ur-Opa eine ganze Reihe anderer Völkerscharen auf, die zu seinem Zustandekommen beigetragen haben.

Ich suchte unterdessen weiter nach einer amerikanischen Definition für"Ideologie" in einem Buch, dass dieses Worts dezidiert im Titel trug. Es heißt

English with an Accent Language, Ideology, and Discrimination in the United States. Die Autorin ist Rosina Lippi-Green.

Lippi ist eine interessante Autorin, wie man aus ihrer Wikipedia-Seite ablesen kann. Sie widmet das Buch ihrem verstorbenen Vater, einem Italo-Amerikaner, dessen Akzent sie "selber nicht hören konnte", wie sie sagt.

Es geht ihr also um die sprachliche Diskriminierung von Menschen in den USA, die nicht den standardisierten Mittelklasse-Akzent sprechen. Bedenkt man, dass die Schauspieler aus Hollywoods Glanzzeit fast durch die Bank mit einem ausländischen Akzent sprachen, erkennt man bereits hier, dass eine Nivellierung hin zu einem Mittelwert statt gefunden hat, den es vor 50 Jahren zwar bereits gab, aber der damals noch nicht das Maß aller Dinge abgab.

Die "Sprach-Ideologie", wie Lippi das nennt, diskriminiert nun aktiv gegen Afro-Amerikaner, die ja einen autochthonen, bodenständigen, amerikanischen Dialekt sprechen, den es außerhalb der USA nirgends gibt, aber ebenso gegen die Hispanics, die oft einen lateinamerikanisch getönten Akzent ihr eigen nennen. Deutsche oder österreichische Schauspieler dürfen in amerikanischen Filmen zwar weiterhin ihre Nazi-Rollen mit deutschem Akzent sprechen, aber man erwartet doch, dass ein Oscar-Preiströger Christoph Waltz bei einem Auftritt in der Tonight Show ein passables Amerikanisch vorträgt. Frage nicht, wie lange er die Nummer einstudiert haben muss.

Ich frage auch nicht, wie lange Frau Lippi es sich wohl gefallen lassen musste, wegen ihres Vornamens - Rosina - gehänselt zu werden: Jedenfalls zog sie es vor, mit 17 Jahren als AFS-Austauschschülerin nach Österreich zu gehen und dort in der Folge ihr Lehrerinnenexamen abzulegen. Sie scheint ein ähnliches Buch wie das vorliegende auch auf Deutsch über die sprachliche Diskriminierung im Deutschen geschrieben zu haben, das mir unbekannt ist. Es ist allerdings leicht, sich vorzustellen, wie stark der Einfluss der Medien - besonders TV und Radio - in diesem Bereich während der letzten 50 Jahre gewirkt haben muss.

Ich erinnere mich an einen Vorfall aus meiner Studienzeit in München, Anfang der Siebzigerjahre. Im riesigen Hörsaal des Audimax eine große Menschenmenge. Eine junge Frau meldet sich zu Wort. Kaum hat sie angefangen zu sprechen, widerhallt der ganze Saal in lautem Gelächter. Was hat sie gesagt? Wer weiß? Es war akustisch nicht auszumachen. Die Studenten in der bayerischen Hauptstadt lachten, weil die Studentin - bayerischen Dialekt sprach! Oder eine ländliche Variante davon.

Heute sprechen die Kids selbst im abgelegensten Burgenland (Österreich) dank TV einwandfrei "Piefke"-Deutsch.

Das ist der gleiche Prozess, der in Amerika stattgefunden hat. Frau Lippi nennt das "Sprach-Ideologie" - und warum nicht? Die meisten amerikanischen Filme heute sind nicht einmal mit Untertiteln für Nicht-Amerikaner entzifferbar. Sie üben auf diese Weise einen starke Druck nach innen aus, zur Mitte hin, der Zuschauer soll sich diesem Nivellierungsdrang (oder - drall) nach Möglichkeit fügen.

Wenn Woody Allen’s oben angeführtes "Shane"-Beispiel als repräsentativ gelten kann, dann dürften heutige Teenager, die sich heutige amerikanische Filme ansehen, auch bis ins hohe Alter die Sprach-Ideologie der heutzutage gesehenen Filme verinnerlichen.

Als Vergleichsmaterial verweise ich auf die - "durchaus sehenswerte" - TV-Serie True Detective die es auch auf Deutsch gibt. Ich kann meine Leser nur auffordern, wenn Sie sich die Serie als DVD-Set erstehen, den ganzen Quargel zunächst einmal ohne Untertitel im amerikanischen Original reinzuziehen. Sie können die ganze Serie ja etwas später nochmal in der deutschen Synchron-Version ansehen, dann wächst Ihnen das Verständnis schon wieder im Dutzend zu.

Aber hier können Sie beobachten, wie sich das heutige Amerikanisch nach innen zusammenzieht. Der Afroamerikaner, der Hispanic, auch der Jiddisch daherkommende New Yorker soll außen vor bleiben. Wer aber nach Amerika hineinwill, muss durch diese enge Gasse (oder Pforte) kommen.

Das andere Vergleichsbeispiel ist die britische Serie Utopia, die bereits nach sechs Episoden zum Stillstand kam, aber demnächst in Amerika als amerikanische Serie neu gestartet werden soll (was an und für sich bereits eine ideologische Aussage beinhaltet). Die britische Serie ist (obwohl im Original Englisch) einem amerikanischen Publikum nicht zuzumuten - allein schon wegen der knapp fünf Sekunden langen Szene, wenn der schwarze Hauptdarsteller Nathan-Stewart-Jarrett in einem Nebenzimmer die weiße Hauptdarstellerin Alexandra Roach pimpert.

Ein anderer Grund ist der linguistische Drall weg vom Zentrum, es gibt also die Figur, die eindeutig schottischen Dialekt spricht, und so weiter. Amerikaner verstehen kein britisches Englisch, so wie Norddeutsche kein Österreichisch verstehen. Es gibt also Unzumutbarkeiten - die Fick-Szene zwischen einem Schwarzen und einer Weißen - und Unverstehbarkeiten. Um diese Serie in Amerika überhaupt anbringen zu können, muss sie extra noch einmal für ein amerikanisches Publikum neu gedreht werden.

Sie muss also über die Tabu-Raster geschoben oder gehoben werden wie ein störrisches Rind in den Pferch - und sie muss ideologisch bereinigt werden. Der Vergleich zwischen den beiden Versionen wird später einmal interessante Aufschlüsse gewähren.

Unterdessen erreichte Frau Lippi-Greens Buch seinen unfreiwillige Höhepunkt auf Seite 41, wo es heißt:

Galileo was the mathematician and astronomer who first observed that the earth revolves around the moon. This did not sit well with the Catholic Church

- und das sehr zu Recht. Ich hätte dem Mann auch die Lehrbefugnis entzogen, vielleicht hätte ich ihn sogar in Prag aus dem Fenster werfen lassen.

Aber letztenendes fand ich die "language ideology" - gesehen als Mittel der sprachlichen Unterdrückung von Nicht-Weißen durch Weiße - irgendwie unzureichend. Wozu musste das Ding überhaupt als "Ideologie" bezeichnet werden? Statt beispielsweise als "Kampfmittel", als "linguistische Diskriminierung", o.ä.?

Nebenher ließ die Autorin auch mal einen "klassischen Marxisten" auftreten. Der, meinte sie, würde "Ideologie" wohl als "falsches Bewusstsein" definieren. Hätte ich auch gedacht, obwohl mir hier eher die "falsche Grammatik" auffiel.

Denn: Ein "classic Marxist" wäre im Englischen einer gewesen, der heute lebt, und vielleicht Jeans trägt, aber sich an Marx orientiert, so wie ein heutiger Psychoanalytiker sich als "klassischer" Freudianer ausgeben könnte. Ohne wesentliche Zugeständnisse oder Abstriche an die seither vergangenen Jahrzehnte zu machen. Ein classical Marxist müsste dagegen einen Vatermörder von anno Tobak um den Hals tragen. Und um den Po vielleicht eine Schnellfeuerhose - eine nach hinten aufklappbare Unterhose.

Kurzum, das Wort "Ideologie" bei einem amerikanischen Autor zu finden - und in irgendeiner heute verständlichen Weise verwendet zu finden - ist so ähnlich, als ob man nach einer Definition von "Katholizismus" in einer islamischen Streitschrift suchen würde. Vielversprechend fand ich aber vom Thema her das Buch

Screen Enemies of the American Way, Political Paranoia About Nazis, Communists, Saboteurs, Terrorists and Body-Snatching Aliens in Film and Television, von Fraser A. Sherman

Der "American Way" - das, scheint mir, ist der "ideologische" Begriff schlechthin in den USA. Ich glaube kaum, dass es in Deutschland ein ähnliches Konzept gibt, außer vielleicht das Konzept "Fußball" - oder zumindest den Fußball zur Zeit der deutschen Weltmeisterschaft. Eine ältere Bekannte aus Gießen berichtete mir damals, sie habe seit ihrer Kindheit - in der Nazi-Ära - nie wieder eine solche Fülle an herausgestreckten Deutschland-Fahnen gesehen wie zu dieser Zeit.

Ähnlich wohl auch die dusselige BILD-Schlagzeile, "Wir sind Papst", wo eine völkische Einheit mit dem Konzept "Papst" postuliert wurde, eine Inbesitznahme des Papsttums durch Deutschland. Wesentlich schwächer dann schon die Idee einer "Leitkultur", die für den "German Way" in etwa das leisten sollte, was die wohl nie eigens kanonisierte amerikanische Leitkultur schon seit längstem für den "American Way" leistete: eine ideologisch verbrämte oder überhöhte Definition des eigenen Seins, die für jeden Staatsbürger - und ebenso für jeden Besucher - bindend zu gelten hätte. Und derzufolge auch die geringsten Abweichungen aufs Härteste zu ahnden wären. Ein Europäer, der in Amerika glaubt, beispielsweise sagen zu können, "für ihn habe Martin Luther King keinerlei Bedeutung", würde mit dieser Ansicht rasant in den Orkus fahren.

In Deutschland gäbe es, vergleichbar, die "Deutschtümelei", deren Dimensionen man etwa zwischen der wohlwollerisch-paternalistischen Islam-Toleranz eines Karl May und der heutigen Pegida-Bewegung einsortieren kann. In Amerika sind die Toleranzgrenzen seit Erfindung der politischen Korrektheit auch enger geworden. Ein amerikanischer Klassiker wie "Huckleberry Finn" steht schon seit langem auf der Abschussliste, und auch "Der Fänger im Roggen" wird mit schöner Regelmäßigkeit aus irgendeiner Schulbibliothek herausgesäubert. In dem einen Fall wegen der Figur des "Nigger Jim", im anderen wegen der häufigen Verwendung des unnennbaren "F-Worts".

Was natürlich nichts daran ändert, dass eben dieses "F-Wort" in jedem amerikanischen Film als Eckstein der Konstruktion, als zutiefst konstitutives Element, ständig präsent ist, ebenso wie das Wort "Nigger" spätestens seit Richard Pryor in keiner schwarzen Kulturäußerung als Beitrag zur Selbstdefinition fehlen darf. Die Afro-Amerikanische Version von "Wir sind Papst" hätte, zur Wahl Obamas, lauten können "Niggers Is Presidents" - oder so ähnlich.

Der Begriff des "American Way" ist also wohl der ideologische amerikanische Begriff schlechthin, er ist die Brille, durch die jeder Amerikaner die Welt betrachtet, sie ist, wie eine 3D-Brille im Kino, jeder amerikanischen Weltbetrachtung vors Auge geschoben. Und nicht minder ideologisch ist die Vorstellung des Verräters an dieser amerikanischen Seineweise. Typisches Beispiel dafür sind heute die "Men in Black", die Außerirdischen, die sich in Menschengestalt unter die Normalbürger mischen, nur um sie dann umso leichter vernichten zu können. So umfassend herrscht diese Thematik in der realen Politik nicht erst seit den Tagen McCarthys und ebenso im Film, dass man hier von einem durchgängig präsenten ideologischen Konstrukt sprechen muss, oder von einer Wahnvorstellung, die dem mentalen Irrgelichter heutiger Islamisten nahe kommt. Spannend, das in diesem Buch so detailliert mitverfolgen zu können.

Aber auch hier kommt das Wort "Ideologie" lediglich drei Mal vor. Z.B. so:

The fear of Communism and related "unAmerican" ideologies has with us a long while.

Dass hier das Wörtchen "been" nach "has" im Satz fehlt, scheint mir wie eine Markierung dafür, dass in dem Satz noch etwas anderes fehlt, nämlich das Zugeständnis, dass, wenn es eine "unamerikanische" Ideologie gibt, es auch eine "vollamerikanische" Ideologie geben muss. Das ist hier so ähnlich wie beim Galileo, der irrtümlich die Erde um den Mond kreisen lässt. Etwas fehlt.

In der Beschreibung eines antikommunistischen Films findet sich sodann der Satz über Molly, eine Mitläuferin:

Molly, a typical dupe, doesn’t understand the ideology or big words the party higher- ups use…

Wiederum gibt es "Ideologie" - und das ist die Aussage des Autors, nicht ein Zitat aus dem Film - nur bei den Kommunisten. Amerikaner besitzen keine Ideologie.

Zuletzt, in einer kritischen Anmerkung über einen Film, in dem eine ganze Stadt von Sowjet-Spionen unterwandert werden soll, heißt es:

There’s no discussion of ideology, and the prospect of transplanting a townful of Soviet agents to America doesn’t disturb anyone -

Die kritische Anmerkung bezieht sich hier auf den Mangel an Darstellung der kommunistischen Ideologie dieser Aliens, obwohl das ja gerade die Thematik ist: Das "unerkannte" Sich-Einschleichen der Andersartigen.

Zuletzt will ich noch auf ein viertes Buch hinweisen, das die Zusammenarbeit Hollywoods mit dem Nazi-Propaganda-Apparat beleuchtet:

The Collaboration Hollywood’s Pact with Hitler von Ben Urwand

Das Titelbild, mit Sicherheit ein Propaganda Foto, das zeigen sollte, dass der Führer auch im Kino kein Popcorn zu sich nahm, trifft dennoch den Kern der Sache. Und so finden sich hier nun auch gehäuft die Hinweise auf eine "Ideologie" - z. B. so:

The only Hollywood film that addressed the persecution of the Jews in this period, The House of Rothschild, contained ideas so compatible with Nazi ideology that it was incorporated into the most extreme Nazi propaganda film of all time.

Tatsächlich beklagten es die Nazis noch lange, dass es keine deutschen Propagandafilme gäbe, die sich mit den amerikanischen Produkten messen könnten. Leni Riefenstahls "Triumph des Willens" (1934) - der erfolgreichste Nazi-Propagandafilm aller Zeiten - rangierte 1935 an zehnter Stelle hinter neun amerikanischen Filmen.

Gary Cooper, der in einem von Hitlers Lieblingsfilmen - "The Lives of a Bengal Lancer" - deutscher Titel: "Bengali" - die Hauptrolle gespielt hatte, besuchte im November 1938, kurz nach der berüchtigten Kristallnacht, Nazi-Deutschland, um sich von seinen begeisterten Fans vor Ort huldigen zu lassen.

Ein Schnappschuss - Hitler unbeobachtet in einem Kino

Wie dieser Gleichklang aus amerikanischen und nationalsozialistischen Ideologismen auf die jüdische Bevölkerung der USA damals gewirkt hat, läßt sich in Philip Rots Roman "Verschwörung gegen Amerika" (englischer Originaltitel "The Plot Against America") nachlesen, der dem Genre der Social Science Fiction oder Alternativweltgeschichte zuzurechnen ist. Der fiktionale Ich-Erzähler Philip Roth erinnert sich darin an seine Kindheit, in der er und seine jüdische Familie zu Beginn des Zweiten Weltkrieges zu Opfern einer faschistischen Machtübernahme in den USA wurden.

Nach dem Krieg besuchten einige Hollywood-Granden das Braune Haus in München und das KZ Dachau und verfertigten anschließend ein Statement:

If it is true . . . that ‘He who controls the cinema, controls Germany’ ... and if the Allies will not permit Germans to rebuild the munitions industry, they should not be permitted for any reason, even if temporary, to rebuild a motion picture industry.

Aber ganz ohne Filme sollten die Deutschen natürlich nicht bleiben. Meinte Jack Warner, der Chef der Warner Brothers:

It should be feasible to produce films in Germany exclusively for the German market using German actors and German technicians under the most careful American supervision.

Man spürt förmlich, wie hier das Wort "amerikanische Ideologie" im Satz fehlt, aber genau dieses Nicht-Aussprechen bewirkte wohl den Zauber der amerikanischen Weltsicht.

Ein Film wie Billy Wilders "One Two Three", der mit Coca Cola, James Cagney, Lilo Pulver und Hotte Buchholz dem Warnerischen Edikt spät oder vielleicht auch zu spät (1961) nachzukommen schien, floppte - und zwar nicht nur wegen der Mauer, welche die DDR-Oberen genau in dem Moment am echten Brandenburger Tor hochzogen, so dass man das ganze Dinge in Hollywood nochmal aus Pappe aufbauen musste. Die Ideologie war zu aufgesetzt, der Humor nicht richtig zum Lachen. Und das hatte das Berliner Tageblatt ja bereits 1935 erkannt:

Die Amerikaner haben uns gegenüber eines voraus, dass sie diese Dinge mit Humor darstellen können

Mit "diesen Dingen" - waren gemeint: das Führerprinzip, die heldenhafte Selbstaufopferung, der Heldentod. Ideologische Konzepte eben, Verdrehungen der Wirklichkeit.

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