Der typische PEGIDA-Demonstrant gehört der Mittelschicht an

Nach einer Studie der TU Dresden richtet sich der Protest weniger gegen den Islam, sondern ist durch Unzufriedenheit mit der Politik motiviert

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Der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Hans Vorländer von der TU Dresden hat mit seinem Team 400 Teilnehmer von Pegida-Demonstrationen am 22.12. 2014 sowie am 5.1. und 12.1. 2015 nach ihren soziodemografischen Merkmalen und ihrer Motivation befragt. Recht auskunftswillig scheinen die Unzufriedenen nicht zu sein. Ebenso wenig wie sie mit der "Lügenpresse" sprechen wollen, lehnten sie auch eine Befragung ab. 65 Prozent der Angesprochenen wollten jedenfalls nicht mitmachen.

Daher ist fraglich, wie repräsentativ die Ergebnisse der Studie sind. Gleichwohl bietet sie einen überraschenden Blick auf montäglichen Verteidiger des Abendlands. Dass es sich meist um Männer handelt (75 Prozent), weiß man schon aus den Bildern der "Spaziergänge" (sind das auch die "zornigen" Männer, die sich nach alten Rollenbildern zurücksehnen?). Spaziergänge passen eben auch besser als Demonstrationen zu den unzufriedenen Mittelständlern. Der typische Teilnehmer ist nach der Umfrage "gut ausgebildet, berufstätig, verfügt über ein für sächsische Verhältnisse leicht überdurchschnittliches Nettoeinkommen, ist 48 Jahre alt, männlich, gehört keiner Konfession an, weist keine Parteiverbundenheit auf und stammt aus Dresden oder Sachsen".

Offenbar ist es relativ egal, mit was man die Unzufriedenen sammelt, wichtig könnte nur sein, dass es eine Plattform außerhalb der etablierten Politik (und der mit dieser zusammenhängenden etablierten Medien) ist. Nur ein Viertel der Befragten nimmt wegen des Mottos von Pegida an den Umzügen teil und sagt, er sei durch den Islam, den Islamismus oder die Islamisierung motiviert. "Unzufriedenheit mit der Politik" wurde von den Wissenschaftlern als Hauptmotiv für die Teilnahme ermittelt. Danach kommt bereits die Kritik an den Medien und an dritter Stelle erst werden die Ressentiments gegen Zuwanderer und Asylbewerber genannt. Die Vorbehalte gegen Muslime sind hier besonders groß, aber sie sind wohl vor allem eine Möglichkeit, die Ablehnung von Ausländern artikulieren zu können. Unzufrieden sind die Teilnehmer zwar mit dem politischen System als solchem, aber kaum mit der Sozial- und Wirtschaftspolitik oder mit der Außen- und Sicherheitspolitik, sondern vor allem mit der Asyl- und Zuwanderungspolitik.

Offenbar werden die etablierten großen Medien auch deswegen abgelehnt, weil sie für die Unzufriedenen, die womöglich Angst vor dem Abstieg haben, mit der etablierten Parteienpolitik und deren Vertretern zusammenhängen. Daher denn vermutlich auch die zirkulierende Bezeichnung der etablierten Medien als "Systempresse". Man nimmt Politik und Medien als geschlossenes System wahr und setzt auf etwas, was sich als Alternative anbietet und angeblich nicht in den üblichen Kategorien etwa von links und rechts einzuordnen ist. So hatten sich schon die Piraten inszeniert, aber eben auch viele der Bewegungen und Parteien, die sich islamkritisch, nationalistisch und als Anti-EU oder Anti-Euro geben. Dass Pegida und AfD zusammenrutschen, dürfte daher nicht erstaunen, auch dass über die antimuslimische und ausländerablehnende Einstellung rechte Bewegungen und Parteien andocken, liegt auf der Hand. Die Wissenschaftler schreiben:

In den Befragungen kommt die Wahrnehmung einer tiefen Kluft zum Ausdruck: zwischen den Massenmedien, der veröffentlichten Meinung und der etablierten Politik auf der einen Seite und den Problemen des Bürgers und dem "Willen des Volkes" auf der anderen Seite.

Interessant wäre ja auch, ob Wissenschaftler auch zum System mitgerechnet werden, schließlich gehören sie auch der gesellschaftlichen "Elite" an. Die Politikwissenschaftler deuten das Ergebnis der Umfrage jedenfalls so, dass die Pegida-Teilnehmer auf den Umzügen "tief empfundene, bisher nicht öffentlich artikulierte Ressentiments gegenüber politischer und meinungsbildender Elite zum Ausdruck" zu bringen. Näher eruiert wurden diese allerdings nicht. Die Konfrontation zwischen "Die da oben" und "Wir hier unten" könnte zwar klassenkämpferische Züge haben, bei den Unzufriedenen aus der Mittelschicht geht es aber offenbar nicht darum, Grundlegendes zu ändern, sondern nur das politische Personal mitsamt deren Mediensprechern auszutauschen.

Man will, wie man vielfach auch in Kommentaren auf den Foren der Medien lesen kann, Vertreter in Politik und Medien, die genau das sagen, was man selbst äußert. Und weil das "Programm" der Unzufriedenen im Kern auf der Ablehnung von Fremden, auf der Angst vor Überfremdung, beruht und nicht auf Forderungen nach anderen sozialpolitischen oder wirtschaftlichen Veränderungen, muss man den Politikwissenschaftlern zustimmen, wenn sie sagen, dass "diese Gegenüberstellung von "Die da oben" und "Wir hier unten" in Kombination mit fremdenfeindlichen Einstellungen traditionell zum rhetorischen Arsenal rechtspopulistischer Strömungen gerechnet" wird. Und das wiederum bedeutet, dass der Rechtspopulismus eben aus der nach rechts rückenden Mittelschicht oder Mitte kommt, die von den etablierten Parteien umworben wird. Hieran könnte sich offenbaren, warum nicht nur in Deutschland die etablierte Parteiendemokratie aus der Mitte heraus Risse bekommt. Zumindest unterscheidet das die unzufriedenen Pegida- und AfD-Anhänger von den Empörten in Spanien oder Portugal.