Erdbewohnen für Einsteiger

Forscher stellen eine Anleitung bereit, wie wir unseren Planeten sicher benutzen können, ohne ihn kaputtzumachen

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Zu jeder Mikrowelle gibt es ein Handbuch, das manchmal sogar davor warnt, die Katze darin zu trocknen. Pappbecher machen darauf aufmerksam, dass ihr Inhalt heiß sein könnte. Aber ausgerechnet für die Erde, auf die mangels geeigneter Flucht-Technik auch noch unsere Nachkommen angewiesen sind, war keine solche Betriebsanleitung im Lieferumfang.

Vor fünf Jahren hat ein internationales Forscherteam deshalb eine Art technisches Gutachten über die Erde verfertigt. Das "Planetary Boundaries"-Konzept funktioniert ähnlich wie die Betriebserlaubnis eines Fahrzeugs: Es spezifiziert, in welchen Grenzen wir unseren Planeten "betreiben" (sprich: bewirtschaften) können, sodass er nicht unbrauchbar wird. Nun braucht man für einen Planeten deutlich mehr Parameter als Zuladung, Höchstgeschwindigkeit und Treibstoffverbrauch. Und da die Erde nicht am Reißbrett entworfen und in einer Fabrik gebaut wurde, sind die exakten Werte der meisten Größen zunächst unbekannt.

Das System hat deshalb in den vergangenen Jahren eine gründliche Überarbeitung erfahren. Das Wissenschaftsmagazin Science berichtet von den neuen Ergebnissen. Statt wie in der ersten Version auf neun Indikatoren setzen die Wissenschaftler nun auf 24. Die eine Hälfte zählt dabei messbare menschliche Aktivität auf (etwa Wirtschaftswachstum, Bevölkerungszahl oder Auslands-Direktinvestitionen). Die andere beschreibt Veränderungen in den wichtigsten Zyklen der Erde wie den Kohlenstoff-Zyklus, den Stickstoff-Zyklus und die Biodiversität.

Die "Große Beschleunigung"

Die neue Aufteilung ermöglicht es, geschichtliche Veränderungen besser zu beurteilen. So wird deutlich, dass etwa 1950 ein Prozess einsetzte, den die Forscher die "Große Beschleunigung" nannten. Ab diesem Zeitpunkt sind die natürlichen und die menschlichen Faktoren nachweisbar direkt miteinander verknüpft - und zwar in einer Art und Weise, bei der der Mensch den Planeten an den Rand seiner Leistungsfähigkeit treibt.

Diesen Rand haben wir, und das ist die zweite wichtige Aussage, in einigen Aspekten längst überschritten. Die Bremsen der Erde laufen offenbar schon heiß, und der Ölstand liegt unter dem Minimum. Die Wissenschaftler haben sich dabei die Mühe gemacht, die Anforderungen und Veränderungen - wo möglich - auf regionale Ebene herunterzubrechen. Denn bei Faktoren wie Wasserverbrauch oder Kohlendioxid-Emission bringen einzelne Regionen nun einmal unterschiedliche Voraussetzungen mit.

Wo betreiben wir die Erde also am Rande ihrer Kraft? Westeuropa und zentrale Bereiche der USA stufen die Forscher zum Beispiel beim Stickstoff- und Phosphorzyklus als absolute Risikogebiete ein. Die Umnutzung von Landflächen geht in Südostasien und in Zentralafrika besonders riskant voran. Der Trinkwasserverbrauch ist rund um das Mittelmeer und in Zentralindien kritisch - wobei die Erde insgesamt hier noch Reserven hat. Ein Lichtblick ist die Ozonschicht, die klar im sicheren Bereich liegt. Doch auch beim Klimawandel stehen die Signale derzeit nur auf Gelb und noch nicht auf Rot.

Die Integrität der Biosphäre, gemessen an der Biodiversität, ist derzeit wohl das Haupt-Problem. Sie gehört mit dem Klimawandel zu den beiden Parametern, deren fortdauernde Überdehnung die Erde in einen neuen Zustand bringen kann - ein Prozess, den der Mensch besser vermeiden sollte.