Der äußerste rechte Pegida-Rand

Gerade lokale und regionale Ableger des islamfeindlichen Netzwerkes ziehen Neonazis und Rechtspopulisten an oder werden durch sie dominiert. Logisch geht es dabei nicht immer zu

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Traue nie einer Umfrage, wenn sich zwei Drittel des Zielpublikums verweigern. Am Mittwoch präsentierte die TU Dresden das Ergebnis einer Studie über die Teilnehmer der "Pegida"-Aktionen in der Stadt an der Elbe. Demnach gehören die "Pegida"-Gänger eher zum Mittelstand und weniger zum rechten Rand oder gar dem Prekariat desselben (Der typische PEGIDA-Demonstrant gehört der Mittelschicht an). Abgesehen davon, dass auch die Menschen der frühen NSDAP - entgegen des Begriffs "Arbeiterpartei" - und jene des italienischen Faschismus mehrheitlich dem damaligen Mittelstand angehörten, stehen verschiedene lokale und regionale Ableger der "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" (Pegida) dem extrem rechten Rand näher, gehören selbst dazu oder scheinen diesen magisch anzuziehen.

Beispiel München

In der bayerischen Landeshauptstadt gehört der Autor des rechtsradikalen, fremden- und islamfeindlichen Hetzblogs "Politically Incorrect" (PI-News), Michael Stürzenberger, zum Umfeld der "Bagida"-Organisatoren ("Bayern gegen die…). Die Führungsfigur der Partei "Die Freiheit" (DF) und einer der Köpfe der islamfeindlichen Szene Deutschlands fungierte schon als Redner bei dem Aufmarsch der "Hooligans gegen Salafisten" (HoGeSa) in Hannover (Kein "Köln 2.0" für die "Hooligans gegen Salafisten"). In München gingen am Montag 1.000 bis 1.500 Menschen unter dem "Bagida"-Label auf die Straße, unter ihnen auch eine Gruppe von Neonazis und darunter wiederum André E., einer der Angeklagten im NSU-Prozess.

E. soll auf seinem Oberkörper die Losung "Die Jew die" - "Stirb, Jude, stirb" - tätowiert haben. In der Gruppe von Neonazis sollen auch die Rechtsterroristen Karl-Heinz Statzberger und Thomas S. an der "Bagida"-Demonstration teilgenommen haben. Letztgenannte haben 2003, zusammen mit Martin Wiese, einen Anschlag auf die Grundsteinlegung des Jüdischen Zentrums und der Synagoge in München geplant.

Stürzenberger, dessen Partei DF und PI-News gehören üblicherweise zu jenen rechtspopulistischen bis rechtsradikalen und islamfeindlichen Kreisen, die wiederholt betonen, dass sie Israel und den Juden gegenüber solidarisch eingestellt seien. Stürzenberger sagte der SZ, er habe am Montagabend "keinen einzigen mir bekannten Rechtsradikalen gesehen". Wenn Nazis dabei gewesen seien, "dann finde ich das nicht gut. Aber man kann niemandem verbieten mitzugehen und auch nur schwer checken, wer alles mitläuft". Sicherheitskreise schätzten, 150 bis 300 Neonazis seien am Montag in München dabei gewesen.

Beispiel Nordrhein-Westfalen

Nach wochenlanger Zusammenarbeit spaltete sich der landesweite "Pegida"-Ableger in zwei Flügel. Nachdem sich "Pegida" von einem der beiden distanziert hat (Machtkampf um Pegida hat begonnen), will der auch rechtsaußen stehende und als regionaler Arm legitimierte Flügel kommende Woche in Duisburg aufmarschieren. Sorgen bereitet derweil der andere Flügel. Dieser will als "Kögida" wöchentlich nun Mittwochs in Köln aufmarschieren, in dieser Woche dabei massiv unterstützt durch Neonazis und HoGeSa-Vertreter vom äußerst rechten Rand. Der durch die vom Verfassungsschutz beobachtete Splitterpartei "Pro NRW" stark unterstütze Flügel will zudem jeden Montag in Düsseldorf aufmarschieren.

Schon als diese "Dügida"-Organisatoren am 12. Januar in Düsseldorf vorstellig wurden, stellten die "Ruhrbarone" fest, es habe "ein Naziaufmarsch" stattgefunden. Neben teils führenden Vertretern von "Pro NRW" und Menschen aus der "PI-News"-Gefolgschaft waren ebenso Vertreter der HoGeSa, Neonazis der Miniaturpartei "Die Rechte" (DR) sowie NPD-Vertreter anwesend. Neben dem Fronttransparent liefen zeitweise führende NPD-Vertreter vom Niederrhein her, das Fronttransparent selbst trugen unter anderem Neonazis aus dem Düsseldorfer Umland mit. Neonazis aus dem DR-Umfeld erledigten nebenbei auch "Anti-Antifa"-Arbeit. Offenbar störte es keinen, dass auf dem Fronttransparent mittels Aufdruck neben der IS-Flagge und dem Antifa-Symbol auch ein Hakenkreuz im Mülleimer landet.

Während "Pro NRW" sich üblicherweise solidarisch zu Israel und den Juden positioniert und Neonazis respektive Teile der NPD als "NS-Narrensaum" tituliert, sagte "Dügida"- und "Kögida"-Initiatorin Melanie Dittmer - sie ist Beisitzerin im Vorstand von "Pro NRW" - unlängst, es sei "unerheblich, ob es den Holocaust gegeben hat". Vertreter der neonazistischen Partei "Die Rechte" (DR) nahmen Mitte des Jahres indes an den radikal-islamistischen und offen antisemitischen Pro-Palästina-Demonstrationen im Ruhrgebiet teil. Ebenso am vergangenen Montag in Düsseldorf vor Ort war der "Pro NRW"-Vize und Vorstandskollege von Dittmer, Dominik Roeseler aus Mönchengladbach. Roeseler glänzte in der Vergangenheit wiederholt mit einem T-Shirt mit dem Aufdruck: "Die Nazis waren Sozialisten!" Eben jene Klientel hatte Wochen zuvor noch gemeinsam mit den Vertretern des anderen Flügels "Pegida"-Aktionen in Düsseldorf und Bonn abgehalten - trotz aller sonstigen politischen Widersprüche.

Beispiel Mecklenburg-Vorpommern

Anmelder des "Mvgida"-Aufmarsches am Montag am Schweriner Schloss war laut Antifa ein Vertreter der rechtsextremen Szene, Neonazis und NPD dominierten das Geschehen. In der Landeshauptstadt marschierte der Chef der NPD-Landtagsfraktion, Udo Pastörs, mit. "Der Pegida-Ableger in Schwerin mit etwa 350 Teilnehmern ähnelte Nazi-Aufmärschen, 'Szene-Größen' wie der Hamburger Rechtsextremist und NPD-Landeschef Thomas Wulff nahmen ebenfalls teil", stellte der NDR fest.

Hatte "Pegida" in Dresden und anderen Städten nach dem Terror in Frankreich zur Solidarität mit dem Magazin "Charlie Hebdo" aufgerufen, so stellte Thomas Wulff auf seinem Facebook-Account: "Ich bin doch nicht Charlie." Und ergänzte demnach: "In Frankreich wurden Typen getötet, die mit schnoddrig-anarchischer Respektlosigkeit, Oberflächlichkeit und ehrlosen Provokationen eine Haltung gegenüber allem und jedem an den Tag legten, die nur einer krankhaften abgehobenen Journaillensekte eigen ist." Auch der Leipziger Ableger "Legida" soll deutlich weiter rechts stehen, als das Dresdener Mutterschiff. Zum Aufmarsch am Montag berichtete die taz: "Kerzen, die um die hier verlegten Stolpersteine zum Gedenken an die Nazi-Verbrechen aufgestellt waren, wurden an diesem Montag prompt von den Verteidigern deutscher Restkultur ausgetreten."

Über den "Saargida"-Aufmarsch berichtete der Pfälzische Merkur, dass Beobachter rund "die Hälfte der Teilnehmer" der rechtsextremen Szene zuordneten. NPD-Landeschef Peter Marx habe ein Holzkreuz gehalten, auf dessen Querbalken das Wort "Charlie" stand. NPD-Anwalt Peter Richter, der die NPD bei dem laufenden Verbotsverfahren vertritt, sei vor Ort gewesen. Ebenso NPD-Mann und Hooligan Sascha Wagner, der schon im Herbst 2014 in Völklingen die rechtsextrem geprägte Kundgebung des HoGeSa-Ablegers "Saarländer gegen Salafisten" (SaGeSa) mit organisiert hatte.

In Berlin beteiligte sich am vergangenen Montag auch Sebastian Schmidtke, der Berliner Landeschef der NPD, an den "Bärgida"-Protesten. Eine Woche zuvor schon hatten sich zahlreiche Vertreter aus der rechten Szene unter die "Bärgida"-Teilnehmern gemischt. In Hannover seien am Montag teilnehmende Neonazis überwiegend aus dem Umfeld der verbotenen Kameradschaft "Besseres Hannover", verschiedener Neonazi-Gruppen aus dem Umland und der rechtsextremen Fußball-Fanszene von Hannover 96 erschienen. Rechte und gewaltbereite Hooligans, teils als Ordner eingebunden, würden selbst in Dresden vor Ort sein, berichtete der Christoph Ruf, dessen Kollege Olaf Sundermeyer bei jener Klientel nur noch von der "Pegida-Miliz" spricht.

Wohl auch deswegen wächst in Dresden die Sorge um eine Eskalation bei den "Pegida"-Aufzügen. "Dresdens Polizeipräsident Dieter Kroll sieht ein hohes Gewaltpotenzial von 500 bis 700 Leuten bei den Pegida-Demonstrationen in Dresden, das nur noch schwer durch die Polizei unter Kontrolle zu bringen ist. Er sieht die Situation kurz vor dem polizeilichen Notstand", erklärte der Grünen-Abgeordnete Valentin Lippmann am Donnerstag nach einer Sitzung des Innenausschusses im Landtag. Und während "Pegida"-Mitgründer Lutz Bachmann derweil ein neuer Prozess droht, weil er im Verdacht steht, Unterhaltszahlungen für seinen Sohn nicht gezahlt zu haben, kommentiert "Pegida" selbst die eingangs erwähnte Studie der TU-Dresden. Nun sei also klar, es seien "keine Nazis, die da auf die Straße gehen…" Vielleicht redet jener Teil der "Pegidaisten" aber auch einfach nur nicht mit Wissenschaftlern.