Klarer Fall von Selbstmord?

Staatsanwalt Alberto Nisman klagte die argentinische Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner wegen Verdachts auf Vertuschung an - nun wurde er mit einem Kopfschuss tot aufgefunden

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1994 fand ein Terroranschlag auf das jüdische Gemeindehaus Amia in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aures statt, bei dem 85 Menschen ums Leben kamen. Staatsanwalt Alberto Nisman untersuchte diesen Terroranschlag. Im Laufe dieser Untersuchung wuchs in ihm der Verdacht, dass der iranische Geheimdienst hinter dem Anschlag steckt.

2007 ließ er deshalb den ehemaligen iranischen Kulturattaché Mohsen Rabbani, den ehemaligen dritten Botschaftssekretär Ahmad Reza Asghari, den ehemaligen iranischen Geheimdienstminister Ali Fallahian, den ehemaligen iranischen Präsidentschaftskandidaten Mohsen Rezaee, den späteren Pasdaran-Obekommandanten Ahmad Vahidi und den Hisbollah-Mitgründer Imad Mughniyah auf die rote Interpol-Warnliste setzen. Später verdächtigte er auch den ehemaligen iranischen Präsidenten Ali Akbar Rafsandschani, den ehemaligen iranischen Außenminister Ali Akbar Welajati, den ehemaligen iranischen Ex-Verteidigungsminister Ahmad Wahidi und den Ex-Botschafter Hadi Soleimanpour, in den Anschlag verwickelt zu sein.

Die argentinische Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner wollte die Vorwürfe gegen diese Personen nicht vor Gericht, sondern von einer "Wahrheitskommission" klären lassen, in der nicht nur Argentinier, sondern auch Vertreter des Iran sitzen sollten. Nisman sprach sich entschieden gegen solch eine Kommission aus und verdächtigte die Präsidentin und deren jüdischen Außenminister Hector Timerman, die beiden wollten damit nicht den Terroranschlag aufklären und die Schuldigen finden, sondern lediglich die Beziehungen zum Iran verbessern, um argentinisches Getreide gegen iranisches Öl zu tauschen. Als die Staatsführung diese Vorwürfe als "lächerlich" abtat, klagte Nisman am 14. Januar 2015 Cristina Fernández de Kirchner wegen Vertuschung an.

Fünf Tage später - und einen Tag, bevor der Staatsanwalt die Anklage der Präsidentin in einer nicht öffentlichen Parlamentssitzung begründen wollte - wurde Nisman tot im Badezimmer seiner Wohnung in Puerto Madero aufgefunden. Die Autopsie ergab, dass er durch einen Kopfschuss mit einer Kaliber-.22-Pistole ums Leben kam, die zusammen mit einer Patronenhülse neben seiner Leiche gefunden wurde.

Sicherheitsstaatsekretär Sergio Berni meinte dazu, die Umstände deuteten auf einen Selbstmord hin und es gebe keine Anzeichen für eine Fremdeinwirkung. Die zuständige Staatsanwältin Viviana Fein musste auf Rückfragen hin allerdings einräumen, es sei möglich, dass Nisman dazu gezwungen worden sei, sich den Kopfschuss selbst zuzufügen.

Davon geht die deutschstämmige Parlamentsabgeordnete Cornelia Schmidt-Liermann aus, die Nisman persönlich gut kannte. Sie sagte der Presse, Nisman sei am Sonntag trotz Drohungen und Druck von der argentinischen Regierung zuversichtlich und keinesfalls depressiv gewesen. Auch zahlreiche Demonstranten, die (in Anlehnung an die Charlie-Hebdo-Solidaritätsbekundungen) mit "Yo soy Nisman"-Schildern durch die Straßen liefen, äußerten Skepsis an der Selbstmordthese und forderten Aufklärung.

Cristina Fernández de Kirchner. Foto: presidencia.gov.ar / Víctor Bugge. Lizenz: CC BY-SA 2.0

Cristina Fernández de Kirchner gab sich nach Nismans Tod "bestürzt" und sprach von "Fragen", die der Vorfall aufwerfe. Nach eigenen Angaben hat sie den argentinischen Geheimdienst deshalb beauftragt, Informationen herauszugeben, die der Staatsanwalt kurz vor seinem Tod beantragte.

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