"Zunehmende Domestizierung des Mannes"

Das Amtsgericht Düsseldorf hat entschieden, dass Mietern das Urinieren im Stehen nicht grundsätzlich verboten ist

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Am 20. Januar entschied das Amtsgericht Düsseldorf unter dem Aktenzeichen 42 C 10583/14, dass Mieter im Stehen pinkeln dürfen, wenn sie der Vermieter nicht vorher auf eine besondere Empfindlichkeit des Bodens aufmerksam gemacht hat. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Vor Gericht gekommen war die Frage, weil der Vermieter einer Mischimmobilie mit Wohn- und Gewerbeflächen nach dem Auszug seiner Mieter die Kaution in Höhe von 3.032,10 € einbehalten hatte, worauf hin ihn die Mieter auf Auszahlung dieser Summe verklagten

Mit 1935,90 Euro der mit Abstand größte Posten in der Liste der Einbehaltungsgründe des Vermieters war der Austausch von Marmorfußböden im Bad und im Gäste-WC der Immobilie. Diesen Austausch hatte er vornehmen lassen, weil die Böden in der Nähe der Toilette ihren Glanz eingebüßt hatten, der sich auch durch noch so intensives Putzen nicht mehr herstellen ließ.

Mieter aufgepasst: Auch in dieses Waschbecken aus Carrara-Marmor sollte man besser nicht urinieren. Foto: Reiner Flassig. Lizenz: Public Domain

Das Gericht kam jedoch zur Auffassung, dass der Vermieter hier keinen aus § 280 Absatz 1 BGB resultierenden Anspruch auf Erstattung der Kosten hat, weil die Mieter die Abstumpfung des Marmors zwar verursacht, aber dabei nicht schuldhaft gehandelt haben. Ein vom Vermieter selbst benannten Fachzeugen zufolge war der Schaden nämlich nicht im auf dem gesamten Boden, sondern nur im Bereich der Toiletten aufgetreten.

Daraus folgerte der Amtsrichter, "dass die Abstumpfung des Marmorbodens nicht durch die Verwendung eines ungeeigneten Reinigungsmittels, sondern durch herumspritzenden Urin entstanden ist". Die Sätze, die dann folgen, werden wahrscheinlich nicht nur in der juristischen Literatur Zitatskarriere machen:

Es bedarf [….] keiner näheren Erörterung, ob in der heutigen Zeit das Urinieren im Stehen als solches eine vertragsgemäße Nutzung der Mietsache darstellt. Selbst wenn man dies zugunsten der Beklagten verneinen würde, würde es jedenfalls an einem Verschulden der Kläger fehlen. Trotz der in diesem Zusammenhang zunehmenden Domestizierung des Mannes ist das Urinieren im Stehen durchaus noch weit verbreitet. Jemand, der diesen früher herrschenden Brauch noch ausübt, muss zwar regelmäßig mit bisweilen erheblichen Auseinandersetzungen mit - insbesondere weiblichen - Mitbewohnern, nicht aber mit einer Verätzung des […] Marmorbodens rechnen.

Deshalb, so das Gericht, hätte der Vermieter die Mieter auf die "besondere Empfindlichkeit" des Fußbodens hinweisen müssen.

Mit der Frage, warum der Brauch des Pinkelns im Stehen sich weiterhin hält, obwohl sich die meisten Männern schon lange nicht mehr in Wald und Flur erleichtern, wo der Urin nicht weiter negativ auffällt (und wo man ihn nicht wegputzen muss), beschäftigte sich das Gericht nicht. Auch in der kulturwissenschaftlichen Literatur finden sich dazu bislang keine wirklich überzeugenden Erklärungsansätze, die über die Analogie, dass der Mann damit - wie ein Hund - unbewusst sein Revier markiert, hinausgehen.

In einer anderen Frage potenziell geruchsbelästigenden Verhaltens in Wohnungen entschied der Bundesgerichtshof (BGH) diesen Monat, dass Mieter auch auf ihrem Balkon nicht so viele Zigaretten rauchen können wie sie wollen, sondern den Bewohnern der darüberliegenden Wohnungen rauchfreie Pausen lassen müssen, in denen diese die Fenster aufmachen und ihre eigenen Wohnungen lüften können (Az. V ZR 110/14). Hier hatte ein Ehepaar geklagt, weil sich die unter ihnen eingezogenen Kettenraucher nicht auf einen außergerichtlichen Kompromiss einlassen wollten.

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