Päpstliche "Laudatio" auf Hitler

Die bischöflichen "Entwarnungen" bezüglich des Nationalsozialismus hatten sichtbare Folgen: Ein mit Hakenkreuzen geschmückter Hochaltar für einen römisch-katholischen Gottesdienst im Freien mit propagandistischem SA-Massenaufmarsch, 17. September 1933. Bildarchiv: Museum Eslohe, Sauerland

Der Anteil des Rechtskatholizismus am Scheitern der Weimarer Demokratie ist nicht gering. Ein Mammutwerk des Historikers Christoph Hübner sorgt für mehr Klarheit

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Beim Zusammenbruch des Kaiserreichs fürchteten die römisch-katholischen Oberhirten eine radikale Trennung von Kirche und Staat oder gar eine revolutionäre Kirchenverfolgung. Indessen gewährte die Weimarer Republik den Kirchen alsbald den privilegierten Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, sicherte den konfessionellen Religionsunterricht an Schulen und ermöglichte eine Freiheit der Kirche, wie sie zuvor in Deutschland nie bestanden hatte. Die römische Kirchenleitung hätte allen Grund gehabt, der Republik und insbesondere auch der katholischen Zentrumspartei (sowie der Sozialdemokratie) für all dies Dankbarkeit zu erweisen. Indessen konnte sie bezogen auf "Rechtsansprüche" den Hals nicht voll genug bekommen und schenkte zunehmend rechtskatholischen Republikfeinden ihr Gehör.

Am Ende waren ihr der Fetisch "Konkordats-Politik" und das aberwitzige Vorhaben einer kirchenfreundlichen Zähmung der Hitler-Bewegung wichtiger als das Wohl des Gemeinwesens und der politische Katholizismus in Deutschland, ohne dessen Mitarbeit ein Fortbestand der bedrohten Demokratie doch kaum denkbar erschien. Dem kirchenpolitischen Strategen Eugenio Pacelli (ab 1939: Pius XII.) war an moderner Demokratie allerdings auch noch gar nicht gelegen (Katholizismus und Freiheit).

Der rege Konkordatspolitiker Nuntius Eugenio Pacelli im August 1929 vor dem Preußischen Staatsministerium. Bild: Deutsches Bundesarchiv (102-08226). Lizenz: CC-BY-SA-3.0

Die klassischen Forschungskontroversen und Apologien zu diesem Komplex, gut zusammengefasst in Olaf Blaschkes Reclam-Band "Die Kirchen und der Nationalsozialismus" (2014), beziehen sich in erster Linie auf Ereignisfolgen des Jahres 1933. Einen anderen Zugang vermittelt Christoph Hübner in seiner unlängst veröffentlichten Dissertation "Die Rechtskatholiken, die Zentrumspartei und die katholische Kirche in Deutschland bis zum Reichskonkordat von 1933" (2014), die im Untertitel als "Beitrag zur Geschichte des Scheiterns der Weimarer Republik" ausgewiesen ist.

Indem Hübner den - keineswegs homogenen - Rechtskatholizismus auf fast 900 Seiten erstmals systematisch und für einen langen Zeitraum beleuchtet, kommen bis ins 19. Jahrhundert zurückreichende Ideologien, Argumentationsmuster, Akteure, Publikationsorgane, Netzwerke und Strategien zum Vorschein. In diesem größeren Zusammenhang können z.B. bislang unterbewertete Quellen neu interpretiert und Intentionen sichtbar gemacht werden. Das trägt auf mitunter verblüffende - oder erschreckende - Weise zur Entwirrung eines Knäuels aus vermeintlichen "Zufällen" bei.

Das teure Buch hat der Hersteller miserabel geleimt, was dem explosiven Inhalt wirklich nicht angemessen ist. Nur durch eine breitere Rezeption kann verhindert werden, dass sich die unselige Schule der apologetischen Kirchengeschichtsschreibung an den hier vorgelegten Forschungsergebnissen in üblicher Weise vorbeimogelt. Auch deshalb möchte ich in diesem Beitrag die wichtigsten Zusammenfassungen aus meinen persönlichen Lektürenotizen - nebst einigen Ergänzungen aus der Regionalforschung - vermitteln.

Rechtskatholische Republikfeindschaft und Hitlerbewegung

Zahllose Katholiken - darunter viele Zentrumsleute, aber auch eine Reihe von spät einsichtigen Rechtskatholiken - haben unter der NS-Herrschaft geblutet. In der Regel konnten sie auf einen Beistand ihrer schweigenden Bischöfe nicht zählen. Indessen lässt sich das schöne Bild, der Katholizismus habe mit dem Nationalsozialismus und dem Abgrund des 20. Jahrhunderts rein gar nichts zu tun, kaum aufrechterhalten.

Den Katholiken Albert Leo Schlageter (1894-1923) betrachtete man in der NS-Propaganda als den "ersten Soldaten des Dritten Reiches". Hitler (nie exkommuniziert), Goebbels, die Brüder Strasser und Himmler waren "katholisch". Zum Umfeld Hitlers gehörte 1923/24 u.a. ein papstkritisches "reformkatholisches Milieu" in München. Hübners Arbeit wirft die Frage auf, ob nicht Hitlers früher Rassenantisemitismus eigentlich als ein ursprünglich "katholisches Gewächs" betrachtet werden muss und die Nazis z.T. auch Erben der zentrumsfeindlichen rechtskatholischen Bewegung wurden. Es hetzten auch rechtskatholische Republik- und Erzbergerfeinde direkt ab 1919 gegen den Einfluss eines "uns wesensfremden und international gesinnten Gastvolkes".

Zum rechtskatholischen Spektrum gehörten sehr unterschiedliche Lager: die streng nach Rom hin orientierten "Integralen" (salopp: antimoderne Fundamentalisten), wirtschaftsfreundliche Nachfolger der "Nationalkatholiken" und "reformkatholische" Interkonfessionalisten (modern, weil sie sich u.a. dem nationalistisch-völkischen Zeitgeist öffneten). Während der Weimarer Republik gelang das Kunststück, diese z.T. geradezu gegensätzlichen Strömungen im Katholikenausschuss der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) zusammenzuführen. Hierbei spielte der rechtskatholische Adel - mit besten Verbindungen zum Organisationsgefüge der begüterten Landwirte und zu den republikfeindlichen Wehrverbänden - eine herausragende Rolle.

In Bayern beschritt der politische Katholizismus von Anfang an einen Sonderweg, der sich keineswegs nur im strikten Festhalten am Föderalismus erschöpfte. Anders als im reichsweiten Zentrum hatten "linke" bzw. demokratische Kräfte hier per se einen schlechteren Stand. Die Bayerische Volkspartei (BVP) betrachtete die Sozialdemokratie als ausgesprochenen Feind und verband sich ab 1920 eng mit den bayerischen Deutschnationalen, durchaus im Sinne eines monarchistischen Kirchenführers und Zentrumskritikers wie Michael von Faulhaber. Mit einer solchen politischen Konstellation konnte dann im Januar 1925 ein äußerst kirchenfreundliches Konkordat den bayerischen Landtag passieren. Nuntius Eugenio Pacelli zeigte sich überaus zufrieden. Ab Mitte der 1920er Jahre entwickelte er sich zu einem wohlwollenden Ansprechpartner für die deutschnationalen Katholiken.

Bei der Reichspräsidentenwahl 1925 half die katholische BVP mit beim Sieg des Protestanten und Kriegsverbrechers Paul von Hindenburg. Den Zentrumskatholiken Wilhelm Marx, der gemeinsamer Kandidat aller Demokraten war, betrachtete man in Bayern als Handlanger der gottlosen SPD.

Rechtskatholischer Schwerpunkt in Südwestfalen?

Ein weiteres Kerngebiet rechtskatholischer Aktivitäten lässt sich jetzt noch viel deutlicher anhand von Hübners Forschungen in Westfalen ausmachen, speziell in dem zum Bistum Paderborn gehörenden südlichen Westfalen (noch 1933 zum Großteil eine Zentrums-Hochburg sondergleichen). Aus dieser Region stammen z.B. der prominenteste katholische Deutschnationale und spätere NSDAP-Überläufer Ferdinand Freiherr von Lüninck (nebst Bruder und weiteren reaktionären Aktivisten des katholischen Adels: Stolberg & Co.), der schon 1907 als "Nationalkatholik" in Erscheinung getretene rechtskatholische Zentrumsdissident und Hitler-Kanzlermacher Franz von Papen (Werl) und auch der katholische Staatsunrechtler Carl Schmitt. (Die rechtskatholisch-nationalistische Vergiftung Paderborner Bistumstheologen wird einstweilen noch einfach übergangen, wie man im jüngst erschienenen Band 4 der Bistumsgeschichte erneut zur Kenntnis nehmen muss.)

Zu den bei Hübner aufgeführten Zeitungsorganen der Rechten zählt auch eine in Neheim erscheinende "Sauerländische Morgenpost". Aus Westfalen kommen außerdem rechtskatholische Kulturaktivisten wie der Münsterländer Karl Wagenfeld und die Sauerländerin Maria Kahle (Jungdeutscher Orden), beide später NSDAP-Mitglieder. Der Nazi-Priester Dr. Lorenz Pieper aus dem Hochsauerland gehörte schon 1923 als eingeschriebenes Parteimitglied zum Münchener Kreis um Adolf Hitler und hatte später in seinem Heimatbistum auch weitere braune Amtsbrüder zur Seite. Sein ebenfalls geistlicher Bruder August Pieper, dessen Nachlass-Manuskripte über "Nationalsozialismus und Kirche" noch immer nicht veröffentlicht sind, war führend im Mönchengladbacher "Volksverein" tätig.

Die zentrumsfeindliche katholische Rechte stößt zur Zeit der Weimarer Republik mit ihren Anliegen weithin auf Granit beim Breslauer Kardinal Adolf Bertram, der freilich nach 1933 eine äußerst beschämende Rolle einnehmen wird. Bertram bescheinigt z.B. den adeligen Monarchisten vor allem wirtschaftliche Interessen. Nicht gänzlich ohne Grund versprechen sich die Rechtskatholiken mehr Gehör beim Nuntius sowie an den Bischofssitzen Köln und Paderborn, wo übrigens jeweils geborene Sauerländer als Oberhirten residieren.

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