Der Freistaat im Osten: Ein Hort des Christentums?

Ministerpräsident Stanislaw Tillich: "Der Islam gehört nicht zu Sachsen"

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Der Islam gehöre zu Deutschland, hat die Bundeskanzlerin und Bundesvorsitzende der CDU erklärt. In ihrer Partei ist das Murren über diese Äußerung stark verbreitet, jedoch überwiegend recht vorsichtig in der öffentlichen Verlautbarung. Nun aber hat der Ministerpräsident des Freistaates Sachsen (CDU-Bundespräsidiumsmitglied) klipp und klar gesagt, dass er mit Angela Merkel in Sachen Religionspolitik keineswegs übereinstimmt: "Der Islam gehört nicht zu Sachsen". Gegen Zuwanderung sei er nicht, "gerade der Osten" brauche diese. "Islamisierung" seines Landes jedoch ist für ihn ein Schreckensbild.

Ist Tillichs Bundesland ein Hort der Christlichkeit, den es zu erhalten gilt? Da kommt man ins Rätseln.

Der Freistaat Sachsen befindet sich religionsstatistisch mit 75 % der Bevölkerung in der ersten Rangklasse der, wie es früher etwas lax hieß, "Gottlosigkeit"; heute wird diese Kategorie "konfessionslos" genannt. Katholiken im Freistaat: 4 %, Protestanten: 21 %, Muslime: statistisch unter 0 %, Seltsamerweise wählen aber gerade die Freistaatsachsen gern die Christlich-demokratische Union. Irgendwie liegt ihnen diese Partei offenbar am Herzen; massenhafter Gottesdienstbesuch und das Wort zum Sonntag können nicht die Antriebe dafür sein.

Der hohe Anteil von Konfessionslosen und der niedrige von Christen ist kennzeichnend für alle neuen Bundesländer. Häufig wird ein "atheistischer Druck" der SED-Staatspartei in DDR-Zeiten dafür verantwortlich gemacht, und nach der Wiedervereinigung erhoffte vor allem die Evangelische Kirche eine "Christianisierung" unter den Ostdeutschen. Die historische Deutung war unhistorisch, die Erwartung unrealistisch. Konfessionslosigkeit hatte sich in sächsischen Landen längst vor der DDR ausgebreitet, schon in Zeiten des Wilhelminismus und dann der Weimarer Republik. Diese Entwicklung resultierte in erster Linie aus dem Niedergang des deutschen Protestantismus in seiner volkskirchlichen Ausformung. Und die Erwartung, nach dem Untergang der DDR setze nun eine "Bekehrungswelle" ein, erfüllte sich nicht.

Wieder zur Aktualität: Wie will Stanislaw Tillich nun seine religionspolitische Maxime umsetzen und Sachsen frei vom Islam halten? Es wird da ja nichts helfen, Schilder an den Grenzen des Freistaates aufzustellen: "Koranleser nicht erwünscht". Denkbar wäre, bei Einwanderungswilligen nach Konfessionszugehörigkeit zu sortieren. Bibelleser müssten dabei nicht bevorzugt werden, im Sinne freistaatlich-sächsischer Homogenität könnten Konfessionslose Vorrang genießen, vielleicht mit einem Test vorweg, ob sie dennoch zur Wahl der christlichen Partei neigen.