Alexis Tsipras ist neuer und jüngster Premier Griechenlands

Alexis Tsipras wird Regierungschef. Bild: W. Aswetsopoulos

Samaras ist ein schlechter Verlierer

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In einer Eilaktion hat Alexis Tsipras noch in der Nacht zum Montag die Weichen für eine neue Regierung gestellt. Sofort nachdem der scheidende Parlamentspräsident Evangelos Meimarakis dem Staatspräsidenten Karolos Papoulias die offizielle Nachricht vom amtlichen Endergebnis der Stimmenauszählung für die Parteien bekannt gab, eilte Tsipras zum Präsidenten und ließ sich vereidigen. Die Amtsübernahme vom Vorgänger Antonis Samaras war allerdings alles andere als glatt.

Eine Amtsübergabe vom Bockigen zum jungen Wilden

Normalerweise geziemt es sich, dass der scheidende Premier protokollgemäß in seinem Amtssitz wartet und den übernehmenden Nachfolger freundlich begrüßt, ihn durch die Räume führt und sich mit einem Lächeln von seinem Leben mit der Macht verabschiedet. Selbstverständlich bedeutet dies weder, dass es dem Scheidenden leicht fällt zu gehen, noch dass all die bösen Worte des Wahlkampfs und der Zeit davor vergeben und vergessen sind. Das gilt auch in Griechenland, wo die Wortwahl der Politiker in den Rededuellen, verglichen mit dem in Deutschland üblichen Procedere, die Grenzen der Beleidigung regelmäßig überschreitet.

"Der Hohepriester der Korruption", war die Bezeichnung, die Kostas Karamanlis seinem Vorgänger Kostas Simitis bei jeder Gelegenheit entgegenschmetterte. Die beiden Politiker begrüßen sich auch heute noch höflich, obwohl sie niemals Freunde wurden.

Karamanlis selbst wurde von seinem Nachfolger Giorgos Papandreou (Leben im Irrenhaus) mehr als einmal durch den Kakao gezogen. Das Foto mit der freundlichen Amtsübergabe gab es trotzdem. Und obwohl Papandreou insbesondere im abgelaufenen Wahlkampf aber auch davor mehr als einmal betonte, dass er durch Intrigen gestürzt wurde, übergab er nett und freundlich an Loukas Papademos. Über den als Verwalter eingesetzten Interimspremier kam der Haustürschlüssel für den Amtssitz des Premiers dann im Juni 2012 an Antonis Samaras. Heute waren seine Tage im Amt gezählt.

Alexis Tsipras hatte noch vor der Verkündung des amtlichen Endergebnisses Koalitionsverhandlungen geführt. Noch in der Nacht nach der Wahl, knapp nach drei Uhr, sickerte durch, dass Tsipras mit Panos Kammenos von den Unabhängigen Griechen einig wurde. Der Linke kam mit der bürgerlichen rechten Partei überein, den Deal am Montagmorgen zu verkünden. Tatsächlich ließ Tsipras Kammenos den Vortritt. Die stärkste Partei gab damit der sechsten parlamentarischen Kraft die Gelegenheit, ins Rampenlicht zu rücken. "Griechenland hat ab sofort einen Premierminister", jubelte Kammenos und kurz nach Zehn morgens.

Gegen vier Uhr in der Nacht waren die letzten Journalisten von den Parteizentralen abgezogen. Zu dieser Zeit brannte in den Chefbüros noch Licht. Wann und ob Tsipras oder er Schlaf fanden, wurde nicht bekannt. Stattdessen stand nun ein Terminkalender. Um zwei Uhr wollte Tsipras den Erzbischof Athens besuchen, damit dieser sanft auf ein Novum vorbereitet werden konnte. Tsipras verweigerte den religiösen Eid. Er hatte seine Vereidigung bereits auf vier Uhr am Nachmittag terminiert.

Ergo zog die gesamte verfügbare Journalistenschar in Richtung Präsidentenpalast in die Herodes Atticus Straße. Das Athener Regierungsviertel verfügt über einige Standortvorteile. So liegt das Amtsgebäude des Premiers, das Megaron Maximos lediglich von einer kleinen Stichstrasse getrennt neben dem Präsidentenpalast.

Beim Vorbeieilen am Megaron Maximos konnten alle Journalisten sehen, dass die Eingangstür trotz des Winters sperrangelweit offen stand. Niemand maß diesem Umstand eine besondere Bedeutung zu, denn zunächst stand das Novum, die Vereidigung eines Premiers mit einer zivilen, nicht religiösen Eidformel, auf dem Programm. Gut gelaunt erschien Tsipras samt Gefolge. Alle Männer waren ohne Krawatten. Die eigentliche Vereidigung war schnell vorbei. Der Präsident, der seit 2004 im Amt ist und den sechsten Premier zu vereidigen hatte, setzte seine Unterschrift unter ein Dokument. Tsipras durfte gegenzeichnen und Griechenland hat seitdem den ersten gewählten, linken Premierminister.

Präsident Karolos Papoulias nach der Vereidigung. Bild: W. Aswestopoulos

Nicht einmal Seife in den Toiletten

Eigentlich sollte danach die Amtsübergabe mit Samaras erfolgen. So sieht es das politische Protokoll und die weltweit praktizierte Tradition vor. Beim Verlassen des Präsidentenpalastes sahen die Journalisten am Megaron Maximos noch einige wenige Mitarbeiter Samaras. "Es gibt keine Übergabe, es ist vorbei", erfuhren sie.

Was war geschehen? Samaras war nicht erschienen. Die alte Regierung hat der neuen einen komplett geleerten Amtssitz überlassen. Sämtliche Schreibtische sind leer. Festplatten wurden aus den Computern entfernt, Aktenbestände durch den Reißwolf gejagt. Noch in der vergangenen Woche musste Samaras neue Aktenvernichter einkaufen lassen, weil die alten ob des Dauerbetriebs ihren Dienst versagt hatten. "Es gab nicht einmal Seife in den Toiletten", klagte ein Mitarbeiter Tsipras.

Die Nea Dimokratia sah dies anders. Georgos Mouroutis, Samaras persönlicher Presseattaché, beschuldigte SYRIZA der Lüge. Das Gegendementi folgte aus dem Munde von Nikos Pappas, dem jugendlichen Strippenzieher und designierten Staatssekretär vonb Alexis Tsipras.

Kurzum, mitten in den Verhandlungen mit der Troika wurde dem neuen Premier nichts Informelles übergeben. Die Symbolik, die einer zivilisierten Amtsübergabe steckt, ist nicht mehr und nicht weniger als die Konstanz eines Staatswesens. Der schlechte Verlierer Antonis Samaras hätte dies mit keiner anderen Geste so deutlich machen können wie mit dieser Art der Übergabe. Die für die Wahlen als von Brüssel bezahlte Pressesprecherin der Partei eingeflogene Europaparlamentarierin Maria Spyraki konterte, dass Tsipras wegen der Verweigerung des kirchlichen Eids sein Recht zur Kritik an der Amtsübergabe verwirkt habe.

Samaras verlässt die Bühne. Bild: W. Aswestopoulos

Weitere Übergaben werden folgen

Eventuell werden die neuen Minister bereits am Dienstag vereidigt. Durch das Zusammenlegen von Ministerien möchte Tsipras sein Kabinett straffen und effektiver machen. Aber auch hier liegt Konfliktstoff, weil bei der Nea Dimokratia selbst amtierende Minister ihren Parlamentssitz verloren.

Infrastrukturminister Michalis Chrysochoidis von der PASOK hat es ebenso erwischt, wie zum Beispiel den ehemaligen Innenminister und Sprecher der Nea Dimokratia Giannis Michelakis. Katerina Papakostas fliegt als amtierende Staatsekretärin im Gesundheitsministerium aus dem Parlament. Innenminister Argyris Ntinopoulos von der Nea Dimokratia, der noch als Regierender Sonderrechte für Arbeitslose genießen wollte (Griechenland läutet eine neue Krise ein), kann sich nun ohne Scham und Lüge als erwerbslos bezeichnen. Aus der Kammer der Journalisten wurde er wegen seines Sozialschmarotzertums ausgeschlossen. Es gibt keine parlamentarischen Übergangsgelder, die Politiker fallen, wenn sie nicht aus reichen oder entsprechend vernetzten Familien stammen, mehr oder weniger ins Bodenlose.

Das sich am 5. Februar konstituierende Plenum wird das erste parlamentarische und demokratisch gewählte seit 1923 sein, das keinen Papandreou in seinen Reihen hat. Giorgos Papandreou, der frühere Premier, scheiterte mit seiner neuen Partei an der drei Prozent Hürde.