TTIP soll Parlamenten Finanzmarktregulierung entziehen

Die EU-Kommission plant, dass alle neuen Gesetze des Bundes und der Länder zukünftig vorab einer "zentralen Anlaufstelle" der USA vorgelegt werden müssen

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Österreich scheint derzeit das führende europäische Land zu sein, wenn es darum geht, problematische Stellen in den geplanten Freihandelsverträgen TTIP und CETA zu finden:

Letzte Woche präsentierte der Vorsitzende der Greenpeace-Zweigstelle in der Alpenrepublik eine auf den Seiten 489 und 490 gefundene (und angeblich auch in TTIP geplante) Passage aus dem CETA-Vertrag, der zufolge Bestandteile wie die privaten Schiedsgerichte an den nationalen Parlamenten vorbei völkerrechtliche Gültigkeit erlangen sollen. Von der EU-Kommission will die NGO erfahren haben, dass sie dem EU-Rat empfehlen wird, diese Umgehung durch einen Rückgriff auf Artikel 218 Absatz 5 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zu erlauben.

Michel Reimon. Foto: Library Mistress. Lizenz: CC BY-SA 2.0

Gestern wartete der österreichische Europaabgeordnete Michel Reimon dann mit einer Entdeckung auf, die er in vertraulichen Verhandlungsunterlagen zu TTIP machte. Diese Verhandlungsunterlagen dürfen auch von EU-Parlamentariern nur in einem speziellen Lesesaal eingesehen und nicht kopiert werden. Deshalb hat er das Dokument mit der Hand abgeschrieben.

Reimon zufolge hat die EU-Kommission vorgeschlagen, nicht nur die "Harmonisierung der Finanzmarktregeln", sondern auch "auch alle zukünftigen Regulierungen", der Kontrolle durch die Parlamente der USA und der EU-Mitgliedsländer zu entziehen und sie in die Hände eines regelmäßig tagenden "gemeinsamen Forums" zu legen.

Wie sich das Forum konkret zusammensetzt soll erst ein Jahr nach dem TTIP-Abschluss entschieden werden. Beaufsichtig werden soll es aber lediglich durch ein jährlich stattfindendes Treffen von Regierungsvertretern. "Wir Abgeordnete", so der Grünen-Politiker, "dürften dann Gesetze nur noch so erlassen, dass sie mit den Beschlüssen dieses Forums übereinstimmen." Auch öffentliche Konsultationen sind nicht vorgesehen.

Hinter dem Vorschlag stecken Reimons Ansicht nach vor allem europäische Finanzdienstleister und Versicherungen, denen die teilweise strengeren Regeln in den USA ein Dorn im Auge sind. Diese in den Jahren nach 2008 beschlossenen Regeln haben zur Folge, dass bestimmte Finanzprodukte nur in Europa, aber nicht in den USA angeboten werden dürfen.

Außerhalb des Bereichs Finanzmarktregulierung sollen Informationen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) nach neue Gesetze, Verbraucherschutzregeln und Umweltstandards der EU, des Bundes und der Länder zukünftig vorab einer "zentralen Anlaufstelle" der USA vorgelegt werden müssen.

Die USA sollen dann Informationen anfordern sowie Belege und Daten prüfen dürfen. Sehen sie ihre Interessen verletzt, dann werden die Vorhaben einem "Gremium zur regulatorischen Zusammenarbeit" vorgelegt. Damit will man angeblich verhindern, "dass überhaupt Regeln und Standards entstehen, die den Handel behindern". Ein vollständiges Vetorecht sollen die USA der EU-Kommission zufolge zwar nicht bekommen - aber man räumt ein, dass ihre Vertreter noch mehr "Spielraum für Unternehmen" fordern.

Der Spielraum, den Konzerne durch die in TTIP geplanten privaten Schiedsgerichte gewinnen, wird nach Ansicht des kanadischen Juristen Gus van Harten und anderer Freihandelsrechtsexperten dazu führen, dass sich die Schadensersatzklagen gegen die Bundesrepublik Deutschland vervielfachen. Der SPD-Politiker Bernd Lange, der dem Handelsausschusses im EU-Parlament vorsitzt, fordert deshalb im Spiegel, dass die EU-Kommission den Investorenschutz aus TTIP herausnimmt.

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