Spanien und Portugal blicken gespannt nach Griechenland

Die Schwesterparteien von Syriza auf der Iberischen Halbinsel wollen auch ihr "Regime" beseitigen und in Spanien führt Podemos schon in der Wählergunst

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Keine Wahlen in Europa haben in den letzten Jahrzehnten in Spanien und Portugal so große Aufmerksamkeit auf sich gezogen, wie die am Sonntag in Griechenland. Sondersendungen und Liveberichterstattung auf fast allen Fernsehkanälen erweckten den Eindruck, als fänden die Wahlen im eigenen Land statt. Einzig die Tatsache, dass bei Liveschaltungen eine Übersetzung notwendig wurde, als der klare Wahlsieger Alexis Tsipras vor eine begeisterte Menge trat, machte deutlich, dass die Wahlen weit entfernt von der Iberischen Halbinsel stattfanden.

Die Aufmerksamkeit ist vor allem in Spanien der Tatsache geschuldet, dass es hier eine Schwesterpartei von Syriza gibt, die an die Macht strebt und nach immer neuen Umfragen längst die Wählergunst anführt. "Podemos" (Wir können es) heißt die Partei, die aus der Empörten-Bewegung hervorgegangen ist. Bei den Wahlen zum Europaparlament sorgte sie im vergangenen Mai schon für Überraschung und erhielt aus dem Stand 8%. Seither scheint der Aufstieg der Linkspartei unaufhaltsam, die in Umfragen schnell die sozialdemokratische PSOE hinter sich ließ. Und seit drei Monaten überflügelt sie auch die regierende konservative Volkspartei (PP).

Kürzlich bestätigte Metroscopia für die große Tageszeitung El País, dass Podemos mit 28,2% stärkste Kraft ist. Die PP, die mit absoluter Mehrheit regiert, käme nur noch auf knapp 20% und bliebe weit hinter dem Ergebnis ihrer griechischen Schwesterpartei Nea Dimokratia zurück. Ministerpräsident Mariano Rajoy war extra zur Wahlunterstützung von Antonis Samaras nach Athen gereist und sang eine Ode auf die massive Kürzungs- und Sparpolitik. Doch er hat den Verlierer unterstützt. Der Parteitag der PP am Wochenende war schon vor dem Wahlsieg von Podemos bestimmt, wenngleich die Konservativen sie nicht benennen und nur vor einem "gefährlichen Populismus" warnen.

Die PP-Chefin in Madrid Esperanza Aguirre forderte im Fernsehsender Antena 3 sogar praktisch eine Zensur der Partei. Sie warf dem Privatsender "Podemos-Propaganda" vor. "Ihr wollt, dass die Spanier Podemos wählen", sagte sie und forderte praktisch zur Zensur der Partei in den Medien auf vor. Im Regionalsender Telemadrid, der von der Regionalregierung der PP kontrolliert wird, taucht die Partei nach den Säuberungen praktisch nicht auf, mit denen der Regionalsender zum Sprachrohr der PP-Regierung verwandelt wurde.

Und es war der Podemos-Generalsekretär Pablo Iglesias, der mit dem Sieger Tsipras beim Abschluss des Syriza-Wahlkampfs auftrat (Alexis Tsipras: Einer gegen alle?). Medienwirksam verbrüderten sich beide auf der Bühne. Während sie sich umarmten, dröhnte aus den Lautsprechern die Nachricht an Bundeskanzlerin Angela Merkel. Leonard Cohen sang: "First we take Manhattan, then we take Berlin".

Siegessicher sprach Iglesias von einer demokratischen Revolution in Europa. Denn er will nicht nur in Spanien das "Regime" stürzen, sondern mit Tsipras und anderen Kräften auch die Austeritätspolitik in Europa beenden, die von der EU und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) den Ländern diktiert werde. Bisher hat sich jedenfalls seine Ankündigung aus Athen als richtig erwiesen: "Der Wind der demokratischen Veränderung weht für einen Wandel in Griechenland und einen Wandel in Europa." Und dieser Wind "heißt Syriza in Griechenland und Podemos in Spanien". Eine einfache Gleichsetzung mit Griechenland macht der 36-jährige Politikprofessor nicht, denn die soziale Lage in Griechenland sei noch deutlich dramatischer als in Spanien.

Etwas verstört ist man über diese Nähe bei der Vereinten Linken (IU), die ebenfalls den Sieg für sich zu reklamieren versucht. Der designierte neue Parteichef erklärte am Wahlabend aus Athen, dass man schon länger mit Syriza zusammenarbeite als die erst 2014 gegründete Podemos. Das stimmt zwar, aber nun ist klar, dass Tsipras auf Iglesias setzt, weil der breitere Bevölkerungsschichten anspricht als die kommunistisch dominierte IU. Alberto Garzón, der eine enge Zusammenarbeit mit Podemos anstrebt, machte Podemos Vorwürfe. Die müsse den "Leuten auf der Straße" erklären, "warum wir uns nicht zusammenschließen, wie es viele Leute fordern". Er versteht nicht, warum Podemos "auf ein Instrument verzichtet, das in Griechenland so gut funktioniert". Politik könne man aber nicht mit Eifersüchteleien oder mit einem Urheberrecht bestreiten, erklärte er angesichts der Tatsache, dass Syriza eng mit Podemos zusammenarbeitet.

Spanische Sozialdemokraten geraten ins Abseits

PP und PSOE pochen nun wieder verstärkt darauf, dass Spanien und Griechenland nicht vergleichbar seien. Bei den Sozialdemokraten herrscht regelrechte Panik angesichts des Abschneidens ihrer abgestürzten griechischen Schwesterpartei Pasok und der Tatsache, dass weder die PP noch Podemos in der PSOE einen ernstzunehmenden Gegner sieht. Die Europaparlamentarierin Iratxe García war offenbar eine der wenigen Sozialdemokraten, die überhaupt zum Syriza-Wahlsieg Stellung beziehen wollten. Sie strich angebliche Unterschiede heraus, denn ihre Partei habe längst eine Kurskorrektur eingeleitet. "Wir sind nicht die Pasok, denn wir in der PSOE haben unser Projekt und unser Team verändert und man kann uns mit keiner Austeritätspolitik identifizieren."

Doch wirklich abnehmen will der PSOE das niemand. So weist auch die Wirtschaftszeitung El Economista darauf hin, dass neben der PP auch die PSOE wie die Pasok in Korruptionsskandale verwickelt ist, ebenfalls gespalten ist und ihre Wähler verraten habe. Das stimmt, denn die PSOE-Regierung unter Ministerpräsident Zapatero-Regierung ging auf Austeritätskurs, erhöhte Steuern, strich Sozialleistungen und beseitigte mit einer Arbeitsmarktreform den Kündigungsschutz praktisch.

Und sogar in der Opposition verankerte sie mit der PP eine Schuldenbremse in der Verfassung, was den Empörten erst richtig Auftrieb gab (Schuldenbremse in Spanien sorgt für Empörung). Vor einem Jahr sicherte die Partei mit der PP sogar die Thronfolge der vom Diktator Franco restaurierten Monarchie ab. In beiden Fällen stimmte auch der neue Generalsekretär Sánchez zu. Er lehnte auch Forderungen der Basis nach einem Referendum darüber ab, ob Spanien wieder eine Republik sein soll. Nennt man es Kurskorrektur, nur weil Sánchez nun versucht, sich von dieser Politik verbal zu distanzieren, aber real nichts unternimmt?

Juntos Podemos erhält durch Syriza-Sieg Auftrieb

Ähnlich wie in Spanien versucht sich derzeit auch in Portugal eine Alternative nach Podemos-Vorbild vor den Parlamentswahlen im Herbst zu bilden. "Juntos Podemos" (Gemeinsam können wir es) heißt die neue Partei, die aber erst zum Jahreswechsel gegründet wurde. In ihr mischen Gründungsmütter der europäischen Empörten-Bewegung wie Paula Gil oder Joana Amaral federführend mit, die von den traditionellen Linksparteien enttäuscht sind.

Auch in Portugal gibt es eine gewisse Rivalität um ein Bündnis mit Syriza. Der Linksblock, dem Paula Gil einst angehörte, reklamiert den Wahlsieg ebenfalls für sich und war am Wahlsonntag deutlich sichtbar in Athen mit Fahnen vertreten. Syriza ist im Europaparlament mit dem Linksblock in der gleichen Fraktion, aber er musste bei Wahlen zuletzt sogar weitere Verluste hinnehmen und konnte, anders als die Kommunisten, nicht vom Unmut gegen die Politik der Regierung profitieren. Vermutlich wird Syriza nicht auf den Block als treibende Kraft zur Veränderung setzen.

Juntos Podemos bietet sich da an. Die sieht im Wahlsieg von Syriza eine Hoffnung auch für Portugal. Der Erfolg zeige, dass eine Alternative aufgezeigt und die Resignation durchbrochen werden könne, sagte die Parteisprecherin Manuela Magno. Lange hatten die Empörten in Portugal mit einer Parteigründung gehadert. Doch angesichts der Erfolge in Griechenland und in Spanien hatten sie sich auch in Portugal entschieden, die Mobilisierungsfähigkeit in eine reale Politik zu verwandeln, um die "Troika zum Teufel zu jagen", was die Bewegung auf der Straße seit Jahren fordert.

Die in Gründung befindliche Partei hofft angesichts des Syriza-Erfolgs auf starken Zulauf. Dazu kommt die Tatsache, dass die regierenden Konservativen und die Sozialisten auch in Portugal in etliche Schmiergeldskandale verwickelt sind. Und wegen Korruption sitzt seit November auch der letzte sozialistische Regierungschef Sócrates im Knast (Portugiesischer Ex-Regierungschef festgenommen).