Ägypten: "Schulen mit bis zu 80 Prozent Analphabeten"

Die Nichtregierungsorganisation CARE warnt vor einem Desaster für die jüngere Generation

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Heute beginnt in der ägyptischen Touristenhochburg Sharm El-Sheikh eine regionale Konferenz der arabischen Staaten, die die Schulausbildung zum Thema hat, organisiert von der UNESCO. Die Behauptung, dass dieses Ereignis weder bei den Urlaubern noch in der Berichterstattung große Aufmerksamkeit gewinnen wird, ist nicht gewagt. Den Urlaubern geht es um Sicherheit und ähnlich wie viele Politiker im Westen und Osten sieht man im Präsidenten as-Sisi einen Garanten für stabile Verhältnisse und sieht dabei über vieles hinweg.

So wird besonders beim Anti-Terrorkampf, der Ägypten zur sicheren Insel im Nahen Osten machen soll, über einige harsch repressive Maßnahmen hinweggesehen. Etwa wenn nun auch die Bewegung 6. April mit der Anklage bedroht wird, dass sie als "terroristische Organisation" einzustufen ist.

Sie gehörte zu den treibenden Kräften des Aufbruchs 2011, der damals als "arabischer Frühling" bezeichnet wurde. In Videos, die damals weit verbreitet waren, wurden die Aktivisten als Beispiel einer gut ausgebildeten, aufgeklärten, säkular orientierten, politisch engagierten Jugend mit demokratischen Zielen oder Idealen herausgestellt. Vier Jahre später werden sie wie die Muslimbrüder als Staatsfeinde betrachtet und hinter Gitter gesetzt. Wie die ägyptische Führung mit Jugendlichen umgeht, ist eine der offenen Fragen, die zum Thema der oben angesprochenen Konferenz gehört.

Spätestens seit 2011 ist einer größeren Öffentlichkeit bekannt, dass Ägypten einen erstaunlichen Überhang an Jugend hat. Das ist noch immer der Fall. Manche Veröffentlichungen sprechen gar von 75 Prozent der über 80 Millionen Ägypter, die unter 25 Jahre alt sind. Aus anderen Quellen, wie zum Beispiel dem CIA-Factbook, werden bescheidenere Zahlen sichtbar: Hier beträgt der Anteil der Bis-25-Jährigen ungefähr 50 Prozent.

Die Bevölkerungspyramide bleibt aber in etwa gleich. Das andere, damit einhergehende Problem ist die hohe Jugendarbeitslosigkeit. Sie führt dazu, dass eine beachtliche Zahl von jungen Ägypter in das nicht gerade friedvolle Nachbarland Libyen auswandert, um dort ihr Auskommen zu finden.

Vor diesem Hintergrund gewinnen die Zahlen, die aus dem ägyptischen Schulwesen kommen, einige Relevanz. So hat die ägyptischen Filiale der Nichtregierungsorganisation CARE ermittelt, dass die Analphabetenrate "in manchen Schulen 80 Prozent erreicht". Laut einem Bericht des amerikanischen Magazins Foreign Policy, der sich weitgehend auf Angaben der CARE-Abteilungsleiterin für Schulausbildung, Amira Hussein, stützt, sind die Klassen übervoll, die Lehrer unterbezahlt und schlecht ausgebildet. Die Aufsicht sei derart schlecht, dass viele Kinder gar nicht zur Schule gingen.

Die Bemühungen, das Bildungssystem anzuschieben, zeigten bisher nur wenig Erfolge. Ägypten belegt seit Jahren einen der unteren Plätze im internationalen Vergleich der Schulleistungen; unter as-Sisi, der eine Verbesserung in Aussicht gestellt habe, seien bisher nur leichte Veränderungen zum Besseren zu verzeichnen. Als Grund wird unter anderem angegeben, dass der Wechsel der politischen Führung jedesmal zu neuen Lehrplänen und Schulbüchern geführt habe. Auch zeichne sich die Bürokratie nicht gerade durch einen großen Enthusiasmus für eine Veränderung des Bildungssystems aus.

Schon jetzt liege die Jugendarbeitslosigkeit bei 30 Prozent, heißt es in dem FP-Bericht, weitere 30 Prozent seien unterbeschäftigt. Angesichts des Zustandes des ägytischen Schulsystems warnt die CARE-Vertreterin vor dem Eintreffen einer Welle von unausgebildeten Jugendlichen auf dem ohnehin schwierigen Arbeitsmarkt. Hier würde eine Generation vor unseren Augen zerstört und niemand würde dies sehen wollen, so Amira Hussein. Für die Hoteliers mag des Heer der Schlechtausgebildeten für die Niedriglohnarbeiten willkommen sein und viele Touristen reizen die Billigangebote der ägyptischen Sterne-Hotels, aber, was die Sicherheit anbelangt, sind solche Erwägungen kurzsichtig.