Facebook-Foto als Steilvorlage für Ermittlungen der Staatsanwaltschaft

Aufgrund eines Fotos wird gegen 10 Bundestags- und eine Bürgerschaftsabgeordnete der Linkspartei wegen des Vorwurfs der Unterstützung der PKK ermittelt

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Im Zuge der Diskussion um Waffenlieferungen an die gegen den IS-Terror kämpfenden kurdischen Einheiten, auch der PKK bzw. des syrischen Ablegers YPG/YPJ (kurdische Volksverteidigungseinheiten/kurdische Frauenverteidigungseinheiten), wurde die Forderung nach Aufhebung des PKK-Verbots laut. 10 Mitglieder der Bundestagsfraktion der Linkspartei ließen sich in diesem Zusammenhang Mitte November mit einer kurdischen Fahne mit verbotenem PKK-Symbol ablichten. Fünf von ihnen hielten selbige, die anderen standen dahinter.

Dieses Foto wurde auf Facebook gepostet und fleißig geteilt. Gut einen Monat später bekamen alle beteiligten Abgeordneten Post von der Staatsanwaltschaft Berlin, in dem ihnen mitgeteilt wurde, dass gegen sie wegen Unterstützung der PKK ermittelt werde. Dieser Tage erhielt die kurdische Bürgerschaftsabgeordnete Cansu Özdemir der Linkspartei ein ähnliches Schreiben von der Hamburger Staatsanwaltschaft. Özdemir hatte ein solches Foto bei Facebook geteilt.

Am 26. November 1993 wurde vom damaligen Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) das PKK-Verbot erlassen. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 wurde die PKK auf die EU-Terrorliste aufgenommen. Im Zusammenhang mit der Diskussion um Waffenlieferungen der NATO-Staaten an die kurdischen Kampfeinheiten, auch die der PKK nahen YPG/YPJ, forderten kurdische Organisationen in der BRD, wie z.B. Azadi (Freiheit) - Rechtshilfefond für Kurdinnen und Kurden in Deutschland e.V., neben humanitärer Hilfe, umgehend das PKK-Verbot aufzuheben, die PKK von der Terrorliste zu streichen und einen sofortigen Abschiebestopp in die betreffenden Gebiete zu erlassen.

Wie Monika Morres von Azadi im Telepolis-Gespräch erläuterte, ist es "unmöglich, eine verlässliche Hausnummer betreffs der Folgen des PKK-Verbots zu nennen. Seit dem Verbot kurdischer Organisationen und Vereine im November 1993 wurden und werden tausende Menschen kurdischer Herkunft kriminalisiert. Razzien, Vereinsverbote- und durchsuchungen, Verhaftungen und polizeiliche Aufforderungen zur Denunziation gehören zum Alltag."

Azadi betreut 125 Gefangene, die aufgrund des PKK-Verbots nach §129 a oder b, Bildung einer terroristischen Vereinigung oder Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland, verurteilt wurden. Plus 21 Fälle, in denen die Türkei einen Auslieferungsantrag gestellt hat. Manchmal reicht es, einen Grillwagen von A nach B bewegt zu haben, um ins Visier der Staatsanwaltschaft zu gelangen. Weitere "Vergehen" sind: Parolen rufen, Fahnen schwenken, Zeitungen verkaufen oder Spenden sammeln.

Oder eben, wie im Falle der linken Bundestags- bzw. Bürgerschaftsabgeordneten, sich für ein Verbot stark zu machen. Neben Cansu Özdemir sind die Bundestagsabgeordneten Karin Binder, Ulla Jelpke, Sabine Leidig, Katrin Vogler, Pia Zimmermann , Dieter Dehm, Wolfgang Gehrcke, Andrej Hunko, Alexander Ulrich sowie Hubertus Zedel betroffen. Jelpke veröffentlichte zudem eine Pressemitteilung, in der sie die Aufhebung des PKK-Verbots forderte.

"In einer Zeit, in der die Menschen in Kobanê auch mit Unterstützung der PKK um ihr Überleben kämpfen, wo selbst CDU-Politiker darüber nachdenken, die PKK im Kampf gegen den Islamischen Staat zu unterstützen und die türkische Regierung mit Abdullah Öcalan und der PKK Gespräche führt, ist die politische Absurdität des PKK-Verbots offensichtlich und die Aufhebung des Verbots mehr als überfällig", erläuterte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende und innenpolitische Sprecherin der Fraktion der Linkspartei in der Hamburgischen Bürgerschaft, Christiane Schneider in einer Pressemitteilung.

Laut der Fraktionsvorsitzenden Dora Heyenn stellt sich die Frage, ob das angekündigte Ermittlungsverfahren dazu dienen solle, den Bürgerschaftswahlkampf der Linken zu behindern. Doch dieser Schuss könnte nach hinten losgehen. Denn eine Vielzahl von Migranten-Verbänden stellte sich spontan hinter Özdemir: "13 Vereine, darunter ezidische, alevitische, kurdische und türkische Vereine sowie ein Moscheeverein in Hamburg, sprachen heute aufgrund des Ermittlungsverfahrens ihre Solidarität aus. Der Dachverband der kurdischen Vereine in Deutschland NAVDEM und die oben genannten Vereine unterstützen meine Kandidatur für die Bürgerschaftswahl", teilte diese auf ihrer Facebook-Seite mit. Demzufolge wäre die eventuell beabsichtigte Wahlkampfbehinderung wohl eher eine ungewollte Unterstützung.

Die eigentlich spannende Frage ist allerdings, wieso ein auf Facebook veröffentlichtes Foto die Vorlage für ein Ermittlungsverfahren der Hamburger Staatsanwaltschaft führt. Das kann ja nur bedeuten, dass hinter der Staatsanwaltschaft Organe des Staatsschutzes stehen, die ein Auge auf die Aktivitäten der Abgeordneten in sozialen Netzwerken haben. "Mich entsetzt, dass offensichtlich in dem Facebook-Account unserer Abgeordneten oder bei anderen Menschen rumgeschnüffelt wurde", betonte Heyenn gegenüber Telepolis. Heyenn und Schneider fordern stellvertretend für die Fraktion die sofortige Einstellung der Ermittlungen gegen Özdemir.