Griechenland verabschiedet die Troika

Jeroen Dijsselbloem und Yanis Varoufakis. Bild: W. Aswestopoulos

Die Regierung macht keinen Schritt zurück beim Ringen gegen das Spardiktat

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Die neue griechische Regierung hat bereits in der ersten Woche gezeigt, was sie vorhat. Es geht darum, das nach ihrer Sicht irrsinnige Spardiktat abzubrechen. Zumindest in den USA hat sie mit Präsident Barack Obama einen prominenten Fürsprecher gefunden. "Die Instabilität Griechenlands hat Auswirkungen auf die USA und die gesamte Welt", verkündete ein Sprecher des Weißen Hauses gegenüber dem griechischen Fernsehsender Mega TV.

Ritterschlag für den Extremisten?

Dass die USA gute Worte für eine linke Regierung finden, ist ungewöhnlich. Bemerkenswerter wird es, wenn man bedenkt, dass Tsipras offen mit den Castros auf Cuba sympathisiert und in Venezuela, dessen Regierung die USA ärgert, einen verbrüderten Staat sieht. Zudem flirtet Tsipras offen auch mit Russland als Partner.

Tatsächlich hatte Finanzminister Yanis Varoufakis in Washington angerufen, um dort um Vermittlungshilfe zu bitten. Tsipras und Varoufakis spielen im gegenseitigen Wechsel das Spiel "guter Cop, böser Cop" oder "Zuckerbrot und Peitsche". Verärgert Varoufakis Europa, dann sorgt Tsipras für versöhnlichere Töne. Bringt Tsipras mit Brandreden Sorgenfalten auf die Gesichter der Amerikaner, dann greift der perfekt Englisch sprechende Varoufakis zum Telefonhörer.

Varoufakis hatte kurz vor dem Anruf den Chef der Eurogruppe Jeroen Dijsselbloem zur Weißglut gebracht. Dijsselbloem hatte auf griechische Bitten nach einer Schuldenkonferenz sarkastisch reagiert. "Es gibt bereits eine Schuldenkonferenz, sie nennt sich Eurogruppe", meinte er mit einem kalten Lächeln. Das Lächeln gefror dem ansonsten gern locker und souverän auftretenden Dijsselbloem, als Varoufakis wenige Minuten später die Troika als faules und undemokratisches Konstrukt bezeichnete, mit dem Griechenland unter keinen Umständen weiter zusammenarbeiten würde. Nur mit Mühe seine Contenance bewahrend düste der Niederländer ab und vergaß fast den obligatorischen Handschlag.

Seit diesem denkwürdigen Moment ist das Thema Troika für Griechenland erledigt. Das europäische Ringen, die Griechen weiterhin zu deckeln, dürfte auch damit zusammenhängen, dass sich am Beispiel Griechenlands auch die übrigen Schuldenstaaten emanzipieren könnten. So sind in Frankreich bereits Magazine erschienen, in denen Griechenland auf dem Titelblatt der Dank ausgesprochen wird.

Für Alexis Tsipras gab es zudem königlichen Segen. Der 1974 entthronte griechische König Konstantin wohnt seit einigen Jahren in der Region Attika. Ganz unköniglich hat er sich ein kleines Anwesen am Strand gemietet. Bislang war der frühere Olympiasieger nicht als Freund der Linken bekannt. Allerdings schreibt er seine Absetzung den bislang regierenden Parteien PASOK und Nea Dimokratia zu. Von Angela Merkel verlangt er, sein Land als ebenbürtigen Partner zu behandeln und anzuerkennen, dass das griechische Volk unter der Krise arg gelitten habe.

Ex-König Konstantin. Bild: W. Aswestopoulos

Die europäischen Besucher, die nach Athen eilen, um die Griechen wieder auf den Sparkurs zu bringen, treffen wahrlich auf eine ungewöhnliche Front von Gegnern. Die Allianz des Ex-Königs zu Tsipras Truppe mag für Außenstehende erklären, wie der Linke sich mit dem nominellen Rechtspopulisten Panos Kammenos von den Unabhängigen Griechen auf eine Koalition einigen konnte. Das, was den meisten Griechen wieder ein Lächeln auf die Lippen gebracht hat, ist die Tatsache, dass die aktuelle Regierung in der ersten Woche ihres Wirkens Wahrheiten aussprach.

Legenden und Wahrheiten

Eventuell gehören einige der kolportierten Dialoge zwischen griechischen Regierungsvertretern und europäischen Besuchern ins Reich der Fabeln. Den Griechen jedenfalls scheint dies weitgehend egal zu sein. Sie erfreuen sich an der neuen Situation. So soll sich der Präsident des Europaparlaments Martin Schulz im Gespräch mit Alexis Tsipras erfreut über dessen Wirken gegen die Steuerhinterziehung gezeigt haben. Tsipras soll darauf geantwortet haben:

Sie wissen sicher, dass einer der grundlegenden Gründe für Einnahmeverluste an Steuern in der Bilanzführung großer deutscher Unternehmen zu suchen ist. Diese machen virtuelle Dreiecksgeschäfte innerhalb der EU, um damit Steuern zu sparen. Wir hoffen, dass Sie uns bei der Lösung dieses Problems zur Seite stehen. Zudem gibt es Fälle, in denen der Staat Griechenland um Milliarden Euro gebracht wurde, weil Firmen systematisch korrumpierten, wie auch die deutsche Rechtsprechung herausgefunden hat.

Martin Schulz und Alexis Tsipras. Bild: W. Aswestopoulos

Die Griechen registrieren solche Geschichten ebenso wie die Berichte über eher ernüchternde Reaktionen von Martin Schulz. In Umfragen sind mehr als die Hälfte der Griechen weitgehend mit ihrer neuen Regierung zufrieden, allerdings haben 78 Prozent Angst um die Wirtschaft.

Es fällt auf, dass aus dem Lager der vorhergehenden Koalition aus Nea Dimokratia und PASOK Spott und Häme kommt, wenn Politiker wie Martin Schulz Tsipras vor einem Dirty Exit aus dem Sparprogramm warnen. Wenn dann jedoch EU-Kommissionspräsident Jean Claude Juncker selbst die Troika zum Teufel schicken möchte, fühlen sich die jahrelang gedemütigten Hellenen ein wenig wie der Comicheld Asterix, der die Piraten beim Versenken ihres eigenen Bootes beobachtet.

"You just killed Troika", soll Dijsselbloem dem Griechen Varoufakis beim Weggehen zugeflüstert haben. "Wow, my honour", sei Varoufakis Antwort gewesen, erklärt die griechische Seite. Von Seiten der EU hieß es, dass Dijsselbloem, "you made a mistake" gesagt habe. Fakt ist, dass Varoufakis auch öffentlich darüber spricht, wie er das Spardiktat beenden möchte, wenn weder Brüssel noch Berlin ein Einsehen zeigen.