"Schuldenschnitt" heißt jetzt "Anleihen mit unbegrenzter Laufzeit"

Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis versucht einen Umbenennungstrick

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Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis sagte der Financial Times während seines Londonbesuchs, er und seine Regierung würden nicht unbedingt auf einen zweiten Schuldenschnitt bestehen, den die SYRIZA-Partei im Wahlkampf versprochen hatte. Stattdessen könne man auch Staatsschulden in Anleihen mit unbegrenzter Laufzeit und in Anleihen, die an das Wirtschaftswachstum gekoppelt sind, umwandeln.

Dass "Anleihen mit unbegrenzter Laufzeit" nur ein anderer Name für einen faktischen Schuldenschnitt ist, das ist auch Varoufakis klar: Seiner Meinung nach kann man den Deutschen mit diesem Euphemismus einen Schuldenschnitt möglicherweise besser vermitteln. Möglicherweise liegt er da nicht ganz falsch: Immerhin verkauften deutsche Politiker ihren Wählern erfolgreich Kürzungen im Sozialbereich und eine Bürokratisierung des Bildungswesens, indem sie beides als "Reform" betitelten.

Auch in Verhandlungen zwischen Politikern verschiedener Parteien und Länder hat solch eine Umbenennungslösung eine lange Geschichte: Sie erlaubt es dem Unterlegenen, sein Gesicht nicht ganz zu verlieren und bei den eigenen Leuten faktische Niederlagen auf ganzer Linie als Kompromisse zu verkaufen. Ob das auch der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (mit dem sich Varoufakis am Donnerstag in Rom treffen will) so machen wird, steht noch nicht fest. Vielleicht hat der Grieche den Zweck seines Angebots dafür etwas zu offen erklärt und muss deshalb neue Begriffe finden, die den Sachverhalt etwas besser verschleiern. Schäuble könnte im Gegenzug fordern, dass die griechische Regierung eine Instanz akzeptiert, die nicht mehr den im Volk verhassten Namen "Troika" trägt, aber trotzdem kontrolliert.

Yanis Varoufakis. Foto: εγω. Lizenz: CC0 1.0.

Medienberichten nach will Varoufakis nicht alle 320 Milliarden Euro Schulden in (faktisch wertlose) Anleihen mit unbegrenzter Laufzeit umtauschen: Er denkt angeblich in erster Linie an solche Staatsschulden, die von der Europäischen Zentralbank (mit deren Chef Mario Draghi der SYRIZA-Politiker heute in Frankfurt spricht) oder von anderen staatlichen oder quasi-staatlichen Finanzakteuren gehalten werden. Banken und reiche Privatanleger würden in so einem Fall geschont. Beim ersten Schuldenschnitt vor drei Jahren wurden sie zwar theoretisch mit einbezogen - die meisten hatten aber während der Verhandlungen genug Zeit, ihre Papiere an solche Institutionen zu verkaufen, für die die Steuerzahler europäischer Ländern haften.

Ob das reicht, dass Privatanleger in Zukunft wieder griechische Staatsanleihen kaufen, wird die Zukunft zeigen. Immerhin gehen einige Beobachter davon aus, dass die strukturellen Probleme in dem südeuropäischen Land weiterhin vorhanden und so schwerwiegend sind, dass auch ein Schuldenschnitt nur eine Verschnaufpause verschafft.

Nachhaltig ändern könnte die SYRIZA-Regierung diese Situation dann, wenn sie von Unternehmen und reichen Privatleuten weitaus konsequenter Steuern erhebt und einzieht, als dies in der Vergangenheit geschah: Ob das ohne einen Wechsel des Koalitionspartners möglich ist, ist allerdings fraglich: Zu den reichsten Griechen zählen nämlich besonders Reeder, deren Einkommen weitgehend steuerfrei sind. Diese Reeder ließen sich ihre Steuerprivilegien nicht nur in Artikel 107 der griechischen Verfassung garantieren, sondern haben auch gute Beziehungen zur mitregierenden Partei der Unabhängigen Griechen (ANEL): Deren Chef Panagiotis Kammenos war 2007 stellvertretender griechischer Schifffahrtsminister.

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