Duma-Abgeordneter will deutsche Reparationen

Michail Degtjarjow geht von "mindestens drei bis vier Billionen Euro" aus

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Dem staatlichen russischen Nachrichtenportal Sputniknews zufolge will der LDPR-Abgeordnete Michail Degtjarjow eine Duma-Arbeitsgruppe ins Leben rufen, die die von der Wehrmacht, der SS und den europäischen Hilfstruppen Nazideutschlands auf dem Gebiet der damaligen Sowjetunion verursachten Schaden neu berechnen soll. Ziel solch einer Neuberechnung ist die Forderung von Reparationen.

Degtjarjow erwartet sich nach eigenen Angaben Forderungen von "mindestens drei bis vier Billionen Euro", auf die Russland und die Rechtsnachfolger anderer damals betroffener Sowjetrepubliken einen Anspruch hätten, weil Deutschland seiner Ansicht nach "faktisch keine Reparationen für die Zerstörungen und Gräueltaten während des Krieges an die Sowjetunion gezahlt" hat. Die nach dem Abkommen von Jalta demontierten Industrieanlagen und anderen Güter sind für ihn "Militärtrophäen, die den Kriegsschaden für die sowjetische Wirtschaft keineswegs wettmachen konnten". Auch den mit der DDR vereinbarte Ausschluss weiterer Reparationsleistungen sieht Degtjarjow nicht als Hindernis für Forderungen, weil es "mit der BRD und erst recht mit dem vereinigten Deutschland kein solches Abkommen" gab.

Beim Verteidigungsausschussvorsitzenden Wladimir Komojedow stieß Degtjarjow zumindest in der Frage der Neuberechnung auf Zustimmung: Der meinte dazu, man müsse in solch einer Berechnung nicht nur den Schaden aus den weit über 70.000 teilweise völlig zerstörten Ortschaften berücksichtigen, sondern auch schätzen, wie sich die sowjetische Wirtschaft ohne den damaligen Verlust von 26 Millionen Menschen entwickelt hätte. Aufgrund der seit 1945 vergangenen Zeit und der völkerrechtlichen Anforderungen hält Komojedow es allerdings für unwahrscheinlich, dass aus so einer Berechnung tatsächlich Reparationszahlungen resultieren. Wjatscheslaw Nikonow, der Vorsitzende des Erziehungsausschusses, stufte die Idee des Liberaldemokraten dagegen komplett als "Unsinn" ein.

Brennendes weißrussisches Dorf und deutsche Kavallerie am Dnepr (1941). Foto: Bundesarchiv, Bild 101I-137-1032-14A / Kessler, Rudolf / CC-BY-SA.

Wieder aktuell wurde die Frage von Reparationen Degtjarjow Worten nach, weil Deutschland "Russland weiterhin Schaden zufügt, indem Berlin illegitime EU-Sanktionen durchsetzt". Diese Sanktionen sind auch der Grund dafür, dass der kommunistische Duma-Abgeordneten Nikolai Iwanow Ende Januar einen Antrag einbrachte, der vorsieht, die deutsche Wiedervereinigung aufgrund völkerrechtlicher Mängel nachträglich als Annexion der DDR durch die BRD einzustufen. Einer dieser Mängel ist Iwanow zufolge, dass die deutsche Wiedervereinigung - anders als die Aufnahme der Krim in die Russische Föderation - ohne vorherige Volksabstimmung durchgeführt wurde.

Ein weiterer Grund, warum der Zweite Weltkrieg die Duma aktuell wieder interessiert, dürfte darin liegen, dass ukrainische und polnische Politiker in den letzten Wochen Äußerungen tätigten, die man in Russland als Versuche interpretiert, die Geschichte umzudeuten: So sprach beispielsweise der ukrainische Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk in einem Interview mit der ARD von einem "sowjetischen Einmarsch [oder "Anmarsch"] in die Ukraine und nach Deutschland" - und der polnische Außenminister Grzegorz Schetyna meinte, das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau sei 1945 von Ukrainern befreit worden. Tatsächlich wurde die "1. Ukrainische Front der Roten Armee", die das Lager befreite, aber nicht nach der Volkszugehörigkeit ihrer Soldaten, sondern nach ihrem Operationsgebiet benannt. Bis zum Oktober 1943 hieß sie deshalb Woronescher Front - nach einer Stadt in Zentralrussland.

Der russische Staatspräsident Wladimir Putin hatte daraufhin bei einem Treffen mit russischen Gouverneuren von "frechen Lügen, Fälschungen, Unterstellungen und Verdrehungen historischer Fakten" gesprochen, auf die man unter anderem mit Forschungsarbeiten antworten müsse.

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