Obamas Sicherheitsstrategie: USA müssen Supermacht bleiben

Auffallend ist, dass die Vereinten Nationen nicht einmal erwähnt werden, die USA verstehen sich als Führungsmacht mit wechselnden Koalitionen der Willigen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Eigentlich wäre das Weiße Haus verpflichtet, jährliche seine Sicherheitsstrategie dem Kongress vorzustellen. Das hat weder Obama noch sein Vorgänger Bush gemacht, obgleich sie beide Kriege geführt haben. Bush hatte 2002 (Amerikanischer Internationalismus) und 2006 (Die größte Bedrohung geht vom Iran aus) eine Sicherheitsstrategie vorgelegt, Obama erst 2010. Gestern stellte seine Sicherheitsberaterin Susan Rice nicht im Weißen Haus, sondern im Thinktank Brookings Institution die neuen Leitlinien vor.

US-Präsident Obama mit Sicherheitsberaterin Rice. Bild: Weißes Haus

Viel habe sich seit dem letzten Mal geändert, sagte Rice, und hob vor allem das neue Selbstbewusstsein heraus, das man im Weißen Haus zumindest gerne demonstrieren will: "Als Nation sind wir heute stärker, als wir das lange Zeit waren." Man habe die Krise überwunden, die Wirtschaft wachse, das Defizit werde kleiner, die Energiesicherheit sei mit Fracking hoch - "mit Schockeffekten für die globalen Ölmärkte und die Geopolitik". Man sei daher besser für die Krisen gewappnet.

Rice betont die Führerschaft der USA, die "entscheidend" sei und so bleiben soll. Die USA sei es schließlich gewesen, die die Welt gegen Ebola mobilisiert habe. Ohne die USA gebe es keine militärische Offensive gegen den "Islamischen Staat", keinen Druck auf den Iran und keine Aussicht auf ein weltweites Klimaabkommen. Und natürlich würde es auch in der Ukraine anders ohne die Hilfe der USA aussehen: "Ohne uns würde Russland keine Kosten wegen seiner Aktionen in der Ukraine zahlen müssen."

Man muss also weiter führend sein, weil sonst die Welt irgendwie ins Schlechte abgleitet. Man will aber keine Tausenden von Soldaten mehr in feindliche Länder zum Kämpfen schicken (obgleich schon wieder 4000 US-Soldaten im Irak sind), man habe die wichtigen Allianzen erneuert und Partnerschaften mit vernachlässigten Regionen und aufstrebenden Mächten gebildet. Das "erste Element" der Sicherheitsstrategie ist wahrlich kein neues, die USA sollen weiterhin die stärksten und am besten ausgerüsteten Streitkräfte haben, wofür auch Investitionen ohne Sparbremse (sequestration) notwendig seien. Man will also weiterhin Supermacht bleiben.

Any successful strategy to ensure the safety of the American people and advance our national security interests must begin with an undeniable truth — America must lead. But, this does not mean we can or should attempt to dictate the trajectory of all unfolding events around the world.

US-Präsident Barack Obama

Nun ist zwar klar, dass die Ausbreitung des "Islamischen Staats" auf einem großen Gebiet in Syrien und im Irak auch eine Folge der amerikanischen Interventionspolitik in einem Staat war, den man zunächst gegen den Iran hochgerüstet hatte, aber Rice erzählt lieber von den angeblichen Erfolgen, al-Qaida "dezimiert" zu haben, wodurch die Drohung sich dezentralisiert habe. Das täuscht darüber hinweg, dass es mehr gescheiterte Staaten gibt und islamistische Extremisten größere Gebiete kontrollieren als vor 2001. Mit der Antiterrorismusstrategie Obamas unterstütze man schwache Staaten, kämpfe gegen die "Ideologie des gewalttätigen Extremismus" und habe eine "breite Koalition" gebildet und bereits den IS zurückgedrängt, beispielsweise aus Kobane oder vom Mosul-Staudamm. Auch Afghanistan sei ein Erfolg.

Ansonsten muss die US-Führerschaft gewahrt werden, man hat den Anspruch zu führen, nicht zu kooperieren. Und auffällig ist auch, dass die Vereinten Nationen nicht erwähnt werden, Obama setzt offenbar ganz auf jeweils wechselnde Koalitionen der Willigen, geführt von der Supermacht, die für Cybersicherheit, Klimaschutz, Epidemienbekämpfung etc. sorgt.

Das zweite Element ist die Wirtschafts- und neue Energiemacht, die für Wohlstand sorgen sollen. Dafür seien offene Märkte und Abkommen wie TTIP wichtig. Wissenschaftlich und technisch soll nicht nur das Militär, sondern auch die Wirtschaft innovativ und führend bleiben. Konzentrieren will man sich auf Afrika.

Drittens werde man weltweit für Demokratie und Menschenrechte eintreten. Rice spricht natürlich nicht die ungesühnte Folterpraxis der USA an, auch nicht die Willkürjustiz der "gezielten Tötung" mit Drohnen oder das weltweite Belauschen von Menschen und Regierungen. Aber man macht sich stark für den "grundlegenden amerikanischen Wert der Gleichheit". Und weil man mit Beispielen vorangehen will, wolle man Inklusion in den eigenen Gesetzen stärken, "unsere Verbote gegen Folter stärken, Bürgerrechte und Privatsphäre schützen und Transparenz bei Themen wie der elektronischen Überwachung verbessern". Genauer wird Rice nicht.

Und schließlich will das Weiße Haus mit der amerikanischen Dominanz die "liberale internationale Ordnung" aufrechterhalten, die angeblich der Welt in den letzten 70 Jahren gut getan habe. Hier geht es dann gleich gegen Russland, wobei es klar wird, dass die "russische Aggression gegen die Ukraine" auch dazu dient, die Allianz mit Europa, vor allem mit dem USA-freundlicheren Osteuropa, zu stärken, und die Nato aufzurüsten: "We are strengthening our enduring alliance with Europe—by reassuring our allies in Eastern Europe and investing in modernizing NATO to meet emerging threats." Versprochen wird, die politischen und wirtschaftlichen Kosten für Russland weiter zu erhöhen, "bis Russland entschieden den Kurs ändert" und den USA als Supermacht beigibt.

Überhaupt sei man dabei, das internationale System zu modernisieren und sich dabei auf den asiatisch-pazifischen Raum zu konzentrieren. Auch deswegen ist eine stärkere Nato, deren Mitgliedsländer mehr Geld in Rüstung investieren und bereits für Auslandseinsätze sind, zur Entlastung notwendig. Mit China wolle man eine "konstruktive Beziehung" aufbauen, auch wenn man bei Menschenrechten, Cyberspionage und dem Einsatz von Zwang zur Durchsetzung von territorialen Ansprüchen Differenzen habe. Das dürfte andersherum auch der Fall sein, da die USA China ebenso wie jetzt Russland einzudämmen sucht und dabei auf Indien, Japan, Südkorea, Indonesien und die Philippinen setzt.

Die Partnerschaft mit Israel soll trotz einiger Spannung weiter unverbrüchlich bleiben. Mit den autoritären Regimen in Saudi-Arabien oder den Vereinten Arabischen Emiraten wolle man die Kooperation sogar vertiefen. Die Öffnung der Beziehungen zu Kuba sollen die Beziehungen zu den anderen lateinamerikanischen Staaten verbessern, da sind aber auch schon China und Russland tätig und ist das Misstrauen gegen die USA weiter hoch.

Im Ganzen ist die Sicherheitsstrategie eine Märchenstunde, die nur deutlich macht, dass Obama weniger auf militärische Interventionen im großen Stil wie sein Vorgänger setzt, und dass zur Sicherheitsstrategie auch Themen wie Gesundheit (Epidemien), Armutsbekämpfung, Cyberbedrohungen oder Klimaerwärmung gehören. Aber natürlich stehen im Vordergrund der Kampf gegen den IS und die "russische Aggression"