Deutsch-französische Krisendiplomatie

Angeblich waren die Gespräche mit Poroschenko und Putin "konstruktiv", der Erfolg sei aber, so Merkel, "ungewiss"

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Die Fahrt von Bundeskanzlerin Merkel und dem französischen Präsidenten Holland nach Kiew und Moskau, um noch einmal zu versuchen, auf diplomatischen Weg weiteres Blutvergießen und das direkte Mitmischen von Nato-Ländern durch Lieferung von letalen Waffen zu verhindern, war ohne Zweifel mutig. Die Chancen standen schlecht, zu sehr sind Kiew und Moskau in ihrer Position mittlerweile eingegraben und stehen unter Druck der jeweiligen Falken. Vor allem die Weigerung der Separatisten und der ukrainischen Regierung, direkt Gespräche zu führen, lässt eine wirkliche Konfliktlösung kaum zu.

Merkel, Putin und Hollande sprechen über ein neues Abkommen zur friedlichen Lösung des Ukraine-Konflikts. Bild: Lreml

Kiew scheut davor zurück, die Separatisten durch direkte Gespräche politisch anzuerkennen, weil damit erst einmal auch die Autonomie der "Volksrepubliken" bestätigt würde. Russland macht dies zur Bedingung, unterstützt gleichzeitig die Separatisten und ist nicht willens, die Grenze zu schließen. Während Kiew von den USA und einigen osteuropäischen Staaten mehr oder weniger rückhaltlos gestützt wird, haben es Mittler schwer. Deutschland und Frankreich, die nicht an einer Eskalation interessiert sind und schon 2008 die von den USA favorisierte Mitgliedschaft der Ukraine und Georgien verhindert haben, sind gebrannte Kinder.

Die beiden Länder hatten zusammen mit Polen, den damaligen ukrainischen Oppositionsparteien und der Janukowitsch-Regierung in Anwesenheit eines russischen Gesandten ein Abkommen ausgehandelt, das einen friedlichen Übergang zu einer neu gewählten Regierung ermöglicht hätte. Radikale Maidan-Kräfte hatten gegen den Kompromiss revoltiert und den Sturz der Janukowitsch-Regierung unter dem Bruch des Abkommens durchgesetzt. Deutschland und Frankreich hatten wohl auch unter Druck der USA mitgespielt, die ihren Kandidaten Jazenjuk durchsetzen konnten, obgleich die Folge die Krim-Annexion und der Bürgerkrieg in der Ostukraine war, da die Übergangsregierung angesichts von Protesten a la Maidan im Osten gleich eine militärische "Antiterroroperation" in Gang setzte.

Angesichts des permanenten Drucks aus den USA und den osteuropäischen Ländern, die Sanktionen gegen Russland zu verschärfen und der Ukraine auch Waffen zu liefern, fuhren Merkel und Hollande offenbar lieber ohne amerikanische und polnische Begleitung, wohl wissend, dass sich der ukrainische Präsident wie auch die ukrainische Regierung stärker auf die USA stützen. Die Aufrechterhaltung der "russischen Aggression" erzwingt auch die Unterstützung des Pleitelandes durch den Westen, die Ukraine stellt sich auch als Bollwerk dar, das den gesamten Westen schützt.

Aus den Gesprächen mit Poroschenko und Putin wurde nicht viel bekannt. Offenbar will Poroschenko auch territorial nicht hinter dem Stand des Minsker Abkommens vom September zurück, obgleich die Separatisten große territoriale Zugewinne seitdem erzielen konnten. Beiden Seiten geht es um eine Frontlinie in ihren Interessen, d.h. Kiew will etwa die Tasche bei Donezk halten, die von den Separatisten mehr und mehr eingenommen wird, zudem will man offenbar die Möglichkeit erhalten, Donezk und Lugansk unter Raketenbeschuss zu nehmen. Das Interesse der Separatisten ist natürlich umgekehrt, die Frontlinie zu begradigen und hinauszuschieben, um bei einem eventuellen Waffenstillstand den Beschuss der großen Städte zu verhindern. Dazu kommt, dass ohne eine wie auch immer garantierte Autonomie der "Volksrepubliken" und eine Amnestie für deren Führung keine Einigung erzielt werden kann. Aus Kiew hört man nach den Wahlen, die die "Volksrepubliken" gegen das Minsker Abkommen zur Legitimierung der eigenen Führung durchgeführt haben, wenig darüber, wie eine Dezentralisierung aussehen könnte. Betont wird hingegen der Zentralstaat.

Das fünfstündige, also schwierige Treffen von Merkel und Hollande mit Putin soll konstruktiv gewesen sein. An einem Text, in den die Vorschläge von Poroschenko und Putin eingehen sollen, werde gearbeitet, weitere Gespräche über das Abkommen sind in Aussicht gestellt, am Sonntag soll eine erste Version veröffentlicht werden. Irritationen gab es auch deswegen, weil Merkel und Hollande angeblich ihren Vorstoß auf einen Vorschlag von Putin gestützt hätten. Das kam in Kiew schlecht an und wäre dort auch nicht verkäuflich. Währenddessen verrecken Kämpfer auf beiden Seiten und Zivilisten in einem geopolitischen Stellvertreterkonflikt.

Nachtrag: Auf der Sicherheitskonferenz äußerte sich Bundeskanzlerin Merkel eher skeptisch über die Friedensmission. Militärisch sei die Krise nicht zu lösen, der Erfolg der Verhandlungen mit Putin und Poroschenko sei ungewiss, man sei es aber den Menschen in der Ukraine schuldig, eine Lösung zu finden. Sie kritisierte Russland, die Grenzen müssten unverrückbar sein, machte aber auch deutlich, dass nur mit Russland Sicher in Europa möglich sei. Den osteuropäischen Staaten sicherte sie die Solidarität der Nato zu.