Jemen: Schiiten setzen Machtergreifung fort

"Sicherheitskommission" übernimmt Staatsgeschäfte

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Im Jemen haben die schiitischen Huthi-Rebellen, die im September die Hauptstadt einnahmen, ihre Machtergreifung fortgesetzt: Am Freitag erklärten sie in einer im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ausgestrahlten Ansprache vor Stammesführern, Offizieren und anderen einflussreichen Persönlichkeiten den Präsidenten und die Regierung für abgesetzt, das Parlament für aufgelöst und die Verfassung für ungültig.

Die Staatsgeschäfte erledigt jetzt eine "Sicherheitskommission ", der Mohammed Ali al-Huthi vorsteht - ein Vetter des Rebellenführers Abdul Malek al-Huthi. Mohammed Ali al-Huthi regiert mit einer ebenfalls am Freitag verkündeten Übergangsverfassung, die vorsieht, dass er die Macht an einen noch zu bildenden fünfköpfigen Präsidialrat abgibt, der anschließend zwei Jahre lang regieren soll. Das Parlament soll durch eine 551-köpfige Nationalversammlung ersetzt werden.

Schiiten und Sunniten im Jemen. Karte: Telepolis.

Sunniten, die 58 Prozent der Bevölkerung des Jemen stellen, reagierten auf die Fortsetzung der schiitischen Machtergreifung mit Demonstrationen in Sanaa, Aden, Hodeida, Taiz, Dhamar, Ibb und al-Bayda - und mit einem Sprengstoffanschlag vor dem Palast eines Huthi-Funktionärs, bei dem drei Wachleute verletzt wurden. Diese Demonstrationen und Anschläge deuten darauf hin, dass es für die Huthis schwierig werden dürfte, auf Dauer den ganzen Jemen zu regieren: Im Süden des Landes leben nämlich praktisch ausschließlich Sunniten. Das dürfte der Grund dafür sein, dass Abdel Malik al-Huthi öffentlich verlautbarte, der Jemen solle zukünftig "partnerschaftlich" und "kooperativ" regiert werden - und er reiche "jeder politischen Kraft […] die Hand", die sich daran beteiligen wolle.

Aus dem überkonfessionellen "Allgemeinen Volkskongress", der Partei des 2013 gestürzten Präsidenten Ali Abdullah Saleh, hieß es nach dem Angebot, man wolle vor einer eventuellen Mitarbeit abwarten und die Entwicklung beobachten. Politiker, Beamte und Militärs aus den Südprovinzen Aden, Abyan, Lahidsch, Hadramaut, Schabwa und ad-Dali' verlautbarten dagegen nach einem Treffen in der alten Hauptstadt des von 1967 bis 1990 unabhängigen Südjemen, sie sähen die unilaterale Verfassungsänderungserklärung aus der Hauptstadt nicht als gültig an. Gerüchten zufolge haben die Huthis deshalb Ali Nasir Muhammad, der von 1980 bis 1986 Präsident des Südjemen war und heute in Damaskus lebt, einen Platz im Präsidialrat angeboten.

Auf noch stärkere Ablehnung als im Südjemen stieß der Staatsumbau beim Golf-Kooperationsrat (GCC), dem die sunnitischen Ölmonarchien Saudi-Arabien, Katar, Kuwait, Bahrain, Oman und die Vereinigten Arabischen Emirate angehören. Er forderte den UN-Sicherheitsrat dazu auf, dem "Putsch" mit Waffengewalt ein Ende zu machen, um den Jemen vor "Chaos" zu bewahren. Andernfalls werde man, die "notwendigen Maßnahmen" treffen, um die eigene Sicherheit nicht zu gefährden. Die Staaten werfen dem schiitischen Iran vor, die Huthis militärisch und finanziell zu unterstützen, was sowohl Teheran als auch die jemenitischen Schiiten bestreiten.

Weil die Huthis immer wieder ihre Feindschaft zu den USA und Israel betonen, zeigen sich auch Washington von den Entwicklungen in Sanaa beunruhigt. Die gemeinsame Bekämpfung der im Süden des Jemen aktiven sunnitischen al-Qaida-Gruppen will man aber vorerst fortsetzen. Außerdem soll Sondervermittler Dschamal Benomar im Auftrag der UN vor Ort mit den neuen Machthabern verhandeln.

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