Tall Abyad oder Dscharabulus?

Faktische Herrscher in Syrien und im Irak. Karte: Haghal Jagul. Lizenz: CC0 1.0. Mauve: Irakische Zentralregierung. Grau: Islamischer Staat (IS). Apricot: Syrische Regierung. Gelbgrün: Syrische Kurden. Braungrün: Irakische Kurden. Hellgrün: Diverse syrische Rebellen.

Die Kurden aus Kobanê wollen sich einen Korridor erobern

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Im Januar eroberten die kurdische YPG-Milizen mit Luftunterstützung einer von den USA angeführten Allianz gegen den Islamischen Staat (IS) die nordsyrische Stadt Kobanê zurück - die jetzt jedoch weitgehend zerstört ist. Dass Kobanê im letzten Jahr fast vom IS erobert worden wäre, lag unter anderem daran, dass die drei syrischen Kurdenkantone Efrîn, Kobanê und Cizîrê voneinander getrennt sind:

Zwischen Kobanê und dem westlichen Kurdenkanton Efrîn (Afrin) liegt nämlich ein knapp 200 Kilometer langer Gebietsabschnitt mit der Stadt Dscharabulus, der mit Ausnahme der letzten zehn Kilometer vom Kalifat kontrolliert wird. Und zwischen Kobanê und dem an das nordirakische Kurdengebiet grenzenden Kanton Cizîrê (Qamischli) befindet sich ein ähnlich langer Abschnitt, den der IS vollständig beherrscht. Die wichtigste Stadt in diesem Gebiet ist das gut 60 Kilometer östlich von Kobanê gelegene Tall Abyad, das auf Kurdisch Girê Sipî heißt. Vor der Eroberung durch den IS zählte die gegenüber dem türkischen Akçakale gelegene Ortschaft über 15.000 Einwohner - nach der Vertreibung oder Ermordung der Christen und vieler Kurden sind es deutlich weniger.

So sah die armenische Heilig-Kreuz-Kirche in Tall Abyad 2009 aus. Foto: Kevorkmail at en.wikipedia. Lizenz: CC BY-SA 3.0.

Der im britischen Coventry ansässigen "Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte" zufolge haben die syrischen Kurdenmilizen vor, die Stadt zu erobern und ziehen deshalb Truppen zusammen. Für die YPG wäre eine Einnahme von Tall Abyad sinnvoll, weil sie durch einen Landkorridor nach Cizîrê das Problem lösen könnten, dass die Türkei in der Vergangenheit Lieferungen über ihr Territorium unterband. Andererseits sollte man bei Informationen über angebliche militärische Pläne immer das berücksichtigen, was Petyr Baelish in der vierten Staffel von Game of Thrones zu Sansa Stark sagt: Dass man es niemandem offenbaren darf, wenn man ein Ziel erreichen will.

Deshalb kann es ausgesprochen sinnvoll sein, den Gegner durch Falschmeldungen über die wahren eigenen Pläne zu täuschen. Im Zweiten Weltkrieg gelang das den Alliierten mit der Operation Fortitude, die Hitler glauben ließ, dass die amerikanischen Truppen nicht in der Normandie, sondern im Pas-de-Calais landen würden.

Ein anderes mögliches Ziel der YPG-Einheiten wäre die westlich von Kobanê gelegene Grenzstadt Dscharabulus, die vom IS im Juli 2014 mit öffentlichen Kreuzigungen von Kurden "gesäubert" wurde. Eine Eroberung von Tall Abyad hätte gegenüber einer Einnahme von Dscharabulus allerdings zwei wichtige Vorzüge: Da der IS den Gebietsabschnitt nach Cizîrê vollständig kontrolliert, müssten sich die Kurden zur Kontrolle einer Verbindung mit dem nächsten Kanton nicht mit anderen dschihadistischen Gruppen auseinandersetzen, die das Gebiet um Afrin kontrollieren.

Darüber hinaus ist Efrîn im Norden und Westen von der Türkei und im Süden und Osten von Dschihadisten eingeschlossen, während sich in Cizîrê eine Landverbindung zum irakischen Kurdengebiet ergibt, in dem (inklusive der Flüchtlinge) neun Millionen Menschen leben und das durch reiche Ölförderstätten und gute außenpolitische Beziehungen wirtschaftlich und militärisch relativ stark ist.

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