Zwangsabgabenfinanzierte Albtraumfabrik Degeto

Berthold Seliger über Ideologie und Ästhetik des Staatsfernsehens - Teil 2

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Das deutsche öffentlich-rechtliche Fernsehen ist im internationalen Vergleich extrem teuer und erreicht im Verhältnis zum monetären Aufwand verhältnismäßig wenige Zuschauer. Warum dürfen ARD und ZDF trotzdem von der Politik unbehelligt ihre üppigen Budgets verpulvern? Berthold Seliger vermutet dahinter in seinem Buch I Have A Stream eine politische Strategie: die Verdummung der Zuschauer und die "Verlindenstraßung der Politik."

Zu Teil 1

Herr Seliger, Ihren Ausführungen zufolge sorgt das öffentlich-rechtliche Fernsehen für eine massive Ideologisierung seiner Zuschauer. Wie spielt der in Ihrem Buch thematisierte Trend zur Privatisierung des Staatsfernsehens mittels Tochterfirmen in diesen Problemkomplex hinein?

Berthold Seliger: Das ist ein ganz wesentlicher Faktor. Man kann dies bei den Talkshows sehen, den wichtigen meinungsbildende Sendungen der öffentlich-rechtlichen Anstalten, die bis auf eine Ausnahme - die Sendung von Maybrit Illner - alle von privaten Fernsehfirmen produziert werden. Das bedeutet, dass für deren Inhalt und journalistische Darstellung nicht mehr das öffentlich-rechtliche Fernsehen zuständig ist, sondern es wird eine fertige Sendung von einer Privatfirma gekauft, die ein Herr Jauch oder ein Herr Plassberg oder eine Frau Maischberger besitzen oder mitbesitzen.

Der journalistische Inhalt wird von uns also per Zwangsabgabe bezahlt, entzieht sich aber jeglicher öffentlichen Kontrolle. Interessant ist übrigens, dass eine Sendeminute bei Frau Illner 1.940 Euro kostet, eine Sendeminute bei Herrn Jauch dagegen 4.705 Euro, also weit mehr als das Doppelte. Privatisierung ist eben meistens teurer, und die Zeche zahlen immer die Bürgerinnen und Bürger.

Bestechungsskandale "nicht zufällig"

Wie stellt sich die Situation bei Fernsehfilmen und -serien dar?

Berthold Seliger: Noch schlimmer: Es gibt circa 150 Tochterfirmen bei den Öffentlich-Rechtlichen, und eine der größten davon ist die Degeto, der größte TV-Geldkopf Deutschlands, eine Firma, die für über achtzig Prozent aller Fernseh- und Kinofilme verantwortlich ist, welche die ARD zeigt. Diese Firma ist eine GmbH, hat einen Etat von 400 Millionen Euro pro Jahr, entscheidet, welche Filme produziert werden, entzieht sich aber ebenfalls der öffentlichen Kontrolle komplett.

Man darf sich hier schon fragen, warum wir Kontrollbeiräte, Verwaltungsräte und Rundfunkgesetze haben, wenn sich diese Inhalte den Gesetzen systematisch entziehen. Das ist natürlich so ausgedacht worden und stellt eine gezielte Privatisierung öffentlicher Inhalte dar, damit über jene nicht mehr geredet werden kann und sie auch nicht mehr kontrolliert werden können. Nicht zufällig gibt es dann auch regelmäßig Bestechungs-Skandale.

"Haargenau die Topoi des Nazifilms"

Wie sehen denn die Inhalte dieser Filme aus?

Berthold Seliger: Die Degeto hat sich eine kitschig-kuschelige Fernsehwelt ausgedacht jenseits aller gesellschaftlichen Entwicklungen und jenseits aller Realität. Die Degeto-Filme folgen gerne etwa diesem Bauprinzip: Eine erfolgreiche Frau kommt aus der Großstadt wieder zurück in ihr Heimatdorf, wo sie eigentlich nur das ererbte Haus ihres Großvaters verkaufen möchte. Dann stellt sie fest, dass auf dem Land nicht nur die wahren Werte beheimatet sind, sondern auch noch die alte Jugendliebe in Gestalt des kernigen Nachbarburschens unwiderstehlich ist. Dann serviert sie ihren Berufskarrieristen aus der Großstadt ab, zieht aus der im Bauhausstil eingerichteten Wohnung aus und sitzt dann auf der Bank vor dem alten Bauernhaus, wo sie davon spricht, dass es eben nirgends so schön ist wie daheim.

Das sind natürlich haargenau die Topoi des Nazifilms: Die Großstadt ist gefährlich, denn dort sitzt das (jüdische) Kapital, und die Frau ist am besten zuhause vor dem Herd aufgehoben, weil sie in der Großstadt möglicherweise untergehen und verdorben werden könnte. Das ist die reaktionäre Ideologie des Heimatfilms, die in der Realität der Menschen überhaupt keine Rolle mehr spielt. Wir haben nun mal Landflucht, und auch konservative Frauen sind durchaus daran interessiert, Jobs zu haben und sich wirtschaftlich zu emanzipieren. Die USA haben mit Hollywood eine Traumfabrik, wir halten uns eine mit unseren Zwangsabgaben finanzierte Albtraumfabrik namens Degeto.

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