Polnische Armee will Freiwilligenverbände aufstellen

Angesichts des Ukraine-Konflikts können sich die ersten Interessenten melden, bis zu zehntausend Freiwillige sollen rekrutiert werden

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Nach Beginn des Ukraine-Konflikts und der Annektion der Krim ging in osteuropäischen und baltischen Ländern die Angst, möglicherweise selbst zum Opfer russischer Interventionen zu werden. Die Nato hat darauf reagiert oder die Gelegenheit genutzt, die Präsenz von Truppen dort zu verstärken und eine schnelle Eingreiftruppe als "Speerspitze" einzurichten. Polen und baltischen Länder üben und übten nicht nur Druck aus, die Sanktionen gegen Russland zu verschärfen, dort wird auch wie in den USA überlegt, Waffen in die Ukraine zu liefern.

Polen hatte einen weiteren Einfall, der wahrscheinlich auf die Geschichte der polnisch-russischen Konflikte zurückgeht. So hatte Polen im Polnisch-Sowjetischen Krieg (1919-1920), bei dem es u.a. auch um die Ukraine ging, die Westukraine war großteils von Polen mit der Hilfe von nationalistischen Ukrainern besetzt worden, eine Freiwilligenarmee (Armia Ochotnicza) aufgestellt, um gegen die Rote Armee zu kämpfen. Diese rückte, nachdem Polen Kiew eingenommen hatte, im Frühahr mit einer großen Offensive gegen die polnische Armee vor. Im Juli 1920 beschloss der Nationale Verteidigungsrat zur Unterstützung der polnischen Armee eine Freiwilligenarmee aufzustellen. Die Begeisterung scheint groß gewesen zu sein, mehr als 100.000 Polen meldeten sich, darunter auch Polen aus dem Ausland. Die Infantrie- und Kavallerieeinheiten der Freiwilligenarmee, die oft schlecht ausgerüstet waren, wurden verteilt auf die Verbände der regulären Armee. Polen konnte die zunächst erfolgreiche russische Offensive zurückschlagen. 1921 schlossen Polen und Sowjetrussland einen Friedensvertrag, der Polen einen erheblichen Gebietszuwachs bracht. Die Freiwilligenverbände wurden aufgelöst.

Im Mai 2014 beschloss die polnische Armee, die Reservistenverbände angesichts des Ukraine-Konflikts mit Freiwilligen zu verstärken. Bis zu 10.000 Freiwillige wollte man für Aufgaben in der Armee oder bei Sondereinheiten ausbilden, um sie zur Not einsetzen zu können. Die polnischen Streitkräfte bestehen aus 100.000 aktiven Soldaten und im Prinzip aus 20.000 Reservisten, die Reservistenverbände wurden 2010 eingeführt. Die Freiwilligen, die das Heer im Falle eines Konflikts verstärken sollen, werden in lokalen Einheiten für die 17 Provinzen organisiert. Die Posten bei den Reservisten sind bislang nur zur Hälfte besetzt, offenbar sollen die Freiwilligen den Mangel kompensieren. Sonderlich attraktiv ist es auch nicht, als Reservist in die Armee einzutreten. Die Ausbildung dauert vier Monate, dafür gibt es Uniformen, freie Unterkunft und Verpflegung, medizinische Betreuung und gerade einmal 30 Prozent des niedrigsten Solds eines regulären Soldaten. Pro Tag Ausbildung sind das für einfachen Soldaten 70 Zloty (17 Euro). Während der Ausbildung besteht Arbeitsplatzschutz.

Ab 1. März können sich nun Freiwillige bei den Streitkräften melden, erklärte Verteidigungsminister Tomas Simonyak. Wie die Zeitung Rzeczpospolita berichtet, sollen erst einmal 5.700 Polen im Rahmen der Mobilmachung rekrutiert werden, um eine militärische Ausbildung zu erhalten. Die Zahl soll erhöht werden, wenn sich mehr Freiwillige melden oder es einen größeren Bedarf gibt. Melden können sich alle erwachsenen Polen ab 18 Jahre, die keine Vorstrafe, einen Abschluss der Sekundarstufe 1 haben und für den Militärdienst fit sind. Es können sich Frauen und Männer bewerben.

Man hofft aber auch, mehr Reservisten zu finden. Letztes Jahr wurden 3.000 ausgebildet, dieses Jahr sollen es fast 8.000 werden. Die Schulung der ehemaligen Soldaten besteht vor allem darin, mit moderner Technik klar zu kommen. Weitere 15.000 sollen 2016 und 2017 rekrutiert werden, um ein Reservistenheer mit 38.000 Soldaten zu erreichen.