Minsk 2: Friedensfahrplan mit vielen Stolpersteinen...

...und bekannten Zielen: Wahlen im Osten des Landes, ein Gesetz zum speziellen Status der selbstverwalteten Gebiete in Donezk und Lugansk und die Ausarbeitung einer neuen Verfassung

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Die EU will erstmal nicht über weitere Sanktionen gegen Russland diskutieren, gab die Außenbeauftragte Federica Mogherini bekannt. IMF-Chefin Christine Lagarde kündigte ein Hilfsprogramm für die Ukraine an: 15,5 Milliarden sollen bald bereitgestellt werden, in den nächsten vier Jahren soll das Volumen des Hilfspakets bis auf 40 Milliarden ausgedehnt werden. Es sei ein "hartes Programm", so Lagarde, damit dürften nicht zuletzt die Bedingungen gemeint sein, die im Rahmen der Reformpolitik als Sparmaßnahmen an die Ukrainer weitergegeben werden.

Beide Mitteilungen stehen natürlich in Verbindung mit den Abmachungen von "Minsk 2". Beides wird als Signal verstanden, beide Ankündigungen haben etwas Vorläufiges. Der IWF-Kredit (siehe Erneut fließen 40 Milliarden in die Ukraine) ist noch nicht bewilligt und Mogherini meinte, dass die Minsker Vereinbarungen, die heute Morgen unterzeichnet wurden, "wichtig" seien, aber "nicht definitiv".

Dreizehn Punkte umfasst das Maßnahmenpaket zur Umsetzung der Minsker Vereinbarungen, das der Kreml im Wortlaut veröffentlicht und die ukrainische Nachrichtenagentur ins Englische übersetzt hat. Unterzeichnet wurde es von der trilateralen Kontaktgruppe, namentlich von Tagliavini von der OSZE, vom ehemaligen ukrainischen Präsidenten Kuchma, vom Botschafter der russischen Föderation in der Ukraine, Zurabov, und von den Vertretern der "Volksrepubliken" Donezk und Lugansk, Sachartschenko und Plotnizki.

In dem Fahrplan-Papier, dem die Regelungen zur Waffenruhe und dem Abzug von schwerem Kriegsgerät voranstehen, finden sich einige weitere Punkte, die sich schnell als unüberwindliche Hindernisse oder Stolpersteine erweisen könnten, wenn der politische Wille zur Zusammenarbeit zwischen Kiewer Politikern und den Vertretern der Selbstverwaltung im Osten des Landes nicht aufgebracht wird. Ermunternde Signale für eine Zusammenarbeit hat es in letzter Zeit nicht gegeben.

Ob der "Aufsichtsmechanismus im Normandie-Format" , der nun geschaffen wird, wie es in der offiziellen Erklärung der vier Minsker Verhandlungspartner heißt, bei der Kooperation zwischen Kiew und den Separatisten im Osten viel bewirken kann?

Es tauchen, einmal abseits der Befolgung der Regeln zur Waffenruhe und des Abzugs schwerer Waffen, altbekannte und eigentlich ungelöste Streitthemen auf. So zum Beispiel Wahlen in den Gebieten im Osten, Punkt 4 und 12. Mit dem ersten Tag nach Abzug der schweren Waffen, soll ein Dialog begonnen werden über die Vorgehensweise zum Abhalten von lokalen Wahlen "gemäß des ukrainischen Gesetzes und des Gesetzes der Ukraine 'über eine zeitweilige Ordnung der lokalen Regierung in bestimmten Gebieten der Regionen Donezk und Lugansk'".

Innerhalb der nächsten 30 Tage soll die Rada in Kiew eine Resolution verabschieden, die Fragen zum selbstverwalteten Gebiet in den Regionen Donezk und Lugansk, deren speziellen Status und deren Regierung klärt. Auch sollen Restriktionen in den Regionen aufgehoben werden. Im Addendum zum Dokument wird auf ein Recht zur Selbstbestimmung bei der Wahl der Amtssprache hingewiesen und auf das Recht der städtischen Behörden eigene Vereinbarungen mit der Zentralregierung über die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung in Donezk und Lugansk zu treffen.

Bislang hatte sich Kiew geweigert, überhaupt nur mit Vertretern der Volksrepubliken zu sprechen.... Da wäre also, um eine einvernehmliche Lösung zu finden, die den Konflikt nicht weiter anheizt, innerhalb einer kurzen Frist eine große Kluft zu überwinden. Dazu kommen die unterschiedlichen Lager in Kiew.

Schwer vorstellbar ist angesichts des aufgeheizten Konflikts wie ein tragfähiger Kompromiss gefunden werden soll, der eine Verfassungsreform bis Ende 2015 ermöglicht, in welcher der Status der selbstverwalteten Gebiete verbindlich geregelt werden soll. Dazu soll ein Gesetz über den Sonderstatus ausgearbeitet werden. Die Rede ist bei Punkt 11 des Maßnahmenkatalogs von "Dezentralisierung" als Schlüsselelement der neuen Verfassung, worin ein "spezieller Status bestimmter Gebiete in der Region Donezk und Lugansk" verankert wird.

Dass sich Poroschenko beeilte, hier deutlich zu machen, dass in Minsk nicht der Weg zu einer Föderation beschritten wurde und von Autonomie nicht die Rede ist, zeigt an, wie schwierig das Gelände ist. Von der Fraktion um Ministerpräsident Jazenjuk sind keine Brückenbauaktivitäten Richtung Separatisten zu erwarten. Die Meldungen, die heute vonseiten des ATO-Spezialisten und Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats der Ukraine, Lysenko, zu angeblich neuen russischen Waffenlieferungen kommen, deuten daraufhin, dass sich der Kiewer Geist, der Separatisten nur als Terroristen versteht, hartnäckig halten wird.

Für Streit darüber, wer von wem heimlich unterstützt wird, Waffen bekommt, Soldaten und Geld, wird weiter gesorgt. Punkt 10 des Maßnahmenkatalogs sieht den Abzug ausländischer Soldaten, von Söldnern und ausländischem militärischen Geräts vor sowie die Entwaffnung aller illegaler Gruppen. Das ist gut gemeint, aber wie wird das durchzusetzen sein und wer hat die Deutungshoheit? Moskau deutet auf kroatische Söldner, die das rechtsextreme Regiment Asow auffüllen, die Kiewer Regierung wirft bekanntlich den Separatisten vor, dass sie von russischen Soldaten unterstützt werden.

Mit dem ersten Tag nach den Wahlen, so Punkt neun des Fahrplans, soll mit der Wiederherstellung der vollen Kontrolle der Regierung in Kiew über die ukrainischen Staatsgrenzen begonnen werden. Bis Ende dieses Jahres soll dies erreicht sein, sieht der Plan vor - auf dem Papier.