Was gegen "Manspreading" und Grippewellen wirklich hilft

… und warum Busse und Bahnen keineswegs "alle Vorteile" von autonomen Autos bieten

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Am 28. Januar kritisierte der ehemalige Report-Mainz-Moderator Franz Alt die Ankündigung einer Teststrecke für Roboterfahrzeuge mit der Behauptung, Bahn und Bus würden "schon jetzt alle Vorteile des [...] autonom fahrenden Autos" bieten. Diese Vorstellung legt den Verdacht nahe, dass der 76-Jährige seit den 1980er Jahren nicht mehr wirklich oft mit öffentlichen Verkehrsmitteln gefahren ist. Und wenn, dann wahrscheinlich nicht zu Stoßzeiten.

Abgesehen davon, dass auf dem Land keine Bahnen und häufig nicht einmal Busse fahren und dass der öffentliche Nahverkehr in den letzten beiden Jahrzehnten Preissteigerungsraten weit jenseits der Inflationsrate verzeichnete, ärgern sich immer mehr Bürger über extreme Unpünktlichkeit, Gestank, lautes Telefonieren und Musikhören, Türen- und Gangblockaden, verwahloste Rotzlöffel, die Hosen fremder Leute als Fußabstreifer nutzen, und allgemein über ein Klima der Aggression und der Rücksichtslosigkeit.

In den USA haben sich Texte und Bilder zu einer besonderen Form dieser Rücksichtslosigkeit zu einem Social-Media-Phänomen entwickelt: Unter dem Stichwort Manspreading dokumentieren Fahrgäste Mitfahrer, die sich so breitbeinig hinsetzen, dass sie in überfüllten Zügen mehr als einen Sitzplatz einnehmen, während andere stehen müssen. In Städten wie New York, Seattle und Philadelphia fahren die Verkehrsbetriebe bereits Plakatkampagnen gegen diese und andere Unsitten.

Grafik: Metropolitan Transportation Authority (MTA)

Ob diese Kampagnen etwas bewirken werden, ist fraglich. Tatsächlich Abhilfe schaffen könnten dagegen Fahrzeuge, in denen man selbst entscheiden kann, wie man sich hinsetzt, ob gegessen, Kaffee getrunken oder geraucht wird, wie viel Gepäck man mitnimmt - und wer mitfahren darf und wer nicht. Dadurch lässt sich in einem autonomen Fahrzeug auch sehr viel besser arbeiten als in einem lauten und überfüllten Zug.

Darüber hinaus hätten Grippeviren deutlich weniger Ausbreitungsmöglichkeiten als im ÖPNV, weil der Beförderte nicht ständig angeniest oder angehustet wird und schmierige Stangen anfassen muss, um beim Brensen und Anfahren nicht umzufallen. Außerdem entfällt das gerade im Februar besonders unangenehme Warten an zugigen Haltestellen und Bahnsteigen. Man ist nicht von Fahrplänen abhängig und kann kommen und gehen, wann man will.

Man muss auch nicht zu einer Haltestelle laufen, sondern wird vom autonomen Fahrzeug vor der Haustür abgeholt. Im Vergleich zu einem Bus, der auf der Strecke immer wieder anhalten muss, ist man auch deutlich schneller am Ziel - und zwar ohne ein lästiges Umsteigen, das jedes Mal das Risiko birgt, wegen einer Verspätung den Anschluss zu verpassen. Das könnte dafür sorgen, dass die Wohnungsnot in Großstädten potenziell weniger wird und dass die Mieten nicht mehr so stark steigen, weil Dorfhäuser wieder eine echte Wohnalternative werden.

Der Telepolis-Leser Firedancer kam deshalb zum Ergebnis, dass die von Franz Alt beklagte "Freiheitsbegrenzung" durch autonome Fahrzeuge in Wirklichkeit neue Freiheiten schafft und dass der Verkehr auf unflexiblen Schienennetzen ein Relikt aus dem 19. Jahrhundert ist, dessen Verschwinden nicht durch Subventionen künstlich hinausgezögert, sondern begrüßt werden sollte.

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