Der größte Apfel der Welt

Apple Zentrale, Infinite Loop in Cupertino, Kalifornien. Bild: Joe Ravi/CC-BY-SA 3.0

Wann wird Apple zu groß für die Politik?

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Während alles in Anbetung vor den letzten Geschäftszahlen von Apple niedersinkt, müsste doch eigentlich laut und deutlich die Frage gestellt werden, wie lange sich die politische Sphäre die Existenz einer Firma wie Apple noch leisten kann.

Ich weiß, es wird nichts nützen, aber auf den Versuch will ich trotzdem nicht verzichten: Was Sie im folgenden lesen werden, liebe Leserin, lieber Leser, hat nichts mit der Frage zu tun, ob ich "für" oder "gegen" Apple bin. Full disclosure: Ich besitze mehrere Apple-Produkte und benutze sie täglich, mit einem hohen Grad an Zufriedenheit.

Aber mein Artikel nimmt seinen Ausgang an einem Erstaunen: Wie kann es sein, dass die letzten Geschäftszahlen, die die Firma veröffentlicht hat, keine politische Debatte auslösen? Stellen wir uns einmal vor, wir lebten nicht in der Welt, in der wir leben, sondern in einer besseren. Zum Beispiel in einer, in der man mit Bertolt Brecht das unter dem Namen Apple konzentrierte Kapital fragen könnte: "Eigentum, woher kommst du?"

Das mag für viele absurd klingen, nicht nur deswegen, weil sie - fälschlicherweise - annehmen, die Antwort schon zu kennen. Sondern eher, weil man "so etwas" nicht fragt. "So etwas" fragt man die christlichen Kirchen nicht, den Handwerksbetrieb um die Ecke nicht und eben auch keinen transnationalen Konzern. Es ist, als sei das Eigentum all dieser Leute auf den Bäumen gewachsen und ihnen einfach so, man weiß nicht genau wie, in die Hände gefallen. Ein Naturzustand, anscheinend.

Apple Zentrale, Infinite Loop in Cupertino, Kalifornien. Bild: Joe Ravi/CC-BY-SA 3.0

Wobei im Falle von Apple gleichzeitig die Presse voll ist von den Kämpfen um Patente, Marktanteile, Arbeitsbedingungen, also von den Begleitumständen, die die Herstellung und den Verkauf der Apple-Produkte mitbestimmen. Trotzdem scheint die Aura der Naturwüchsigkeit von der die gewaltigen Barreserven der Firma (derz. ca. 180 Milliarden Dollar) umgeben sind, keinen Schaden zu nehmen. Merkwürdig.

Kartellverfahren?

Merkwürdig auch deswegen, weil es noch vor gar nicht allzu langer Zeit möglich war, einen Technologie-Großkonzern wenn schon nicht nach dem Ursprung seines Kapitals, so doch immerhin nach den politischen Konsequenzen seiner Größe zu fragen. Die Gestalt, die diese Frage in unserer Gesellschaft meistens annimmt, ist die von Kartellverfahren. Es muss schon einiges geschehen, dass dem traditionell schwachen Kartellrecht Zähne wachsen, aber am 8. Januar 1982 war für AT&T Schluss.

Nachdem das gewaltige US-Telefonmonopol seine Entmachtung durch ein Kartellrechtsverfahren des US-Justizministerums seit 1974 bekämpft hatte, musste es schließlich einem Kompromiss zustimmen, der seine regionale Zerschlagung bedeutete.

Bemerkenswerterweise war zu dieser Zeit Ronald Reagan Präsident, dem man kaum nachsagen kann, sich je stark für die Entflechtung von Monopolen eingesetzt zu haben. Mit Barack Obama im Weißen Haus ist es hingegen nicht möglich, eine sinnvolle Diskussion über die Macht des heute bedeutendsten Technologiekonzerns der USA (und der Welt) zu führen. Merkwürdig.

Aber, könnte man fragen, sind die beiden Fälle überhaupt vergleichbar? War AT&T nicht ein handfestes Monopol, im Gegensatz zu Apple, einer Firma, die auf jedem Geschäftsfeld, auf dem sie sich bewegt, eine ganze Menge Konkurrenten hat? Ja und nein. Denn wenn man sich zum Beispiel den Mobilsektor anschaut, dann fällt auf, dass Apple mit seinen iPhones zwar nur einen vergleichsweise geringen Marktanteil hält (ca. 15%), aber sich mit diesem Minderheitanteil das größte Stück vom Gewinnkuchen abschneidet.

Die Rede ist von über 90%. Der einzige andere Konkurrent, der auf diesem Sektor ebenfalls noch einen Gewinn erwirtschaftet, ist Samsung, aber im Vergleich zu Apple sind die Summen sehr bescheiden und im Moment der Tendenz nach im freien Fall. Man könnte also durchaus in diesem Zusammenhang Apple als ein "Kryptomonopol" bezeichnen, das sich nur scheinbar in einer Minderheitensituation befindet. Oder man betrachte sich die Situation bei den PCs. Apple hält hier einen noch niedrigeren Anteil als im Mobilsektor (ca. 7%), kann aber nahezu 50% der anfallenden Profite abschöpfen.

Schaut man sich die Praktiken an, mit denen Apple die Nachschubketten von den Konkurrenten weg und zu sich hin organisiert, könnte man sich schon fragen, wie mächtig dieses "Kryptomonopol" wirklich ist.

Was will Apple mit all dem Geld eigentlich machen?

Wenn man nun den engen Bereich der kartellrechtlichen Erwägungen verlässt, dann ist schon lange klar, dass Apple aufgrund seines geschäftlichen Erfolgs einen absurden Himalaya an Barreserven angesammelt hat. 2012, als dieser Himalaya noch erheblich niedriger war (nämlich nur ca. 100 Milliarden Dollar hoch), kam es immerhin schon zu scherzhaft gemeinten Fragen, ob die Firma nicht einfach Griechenland kaufen solle, um die Schuldenprobleme des Mittelmeerlandes zu lösen.

Zweieinhalb Jahre später drängt sich die Frage, was Apple mit all dem Geld eigentlich machen will, um so nachdrücklicher auf. Apple könnte zum Beispiel die Durchsetzung der erneuerbaren Energien in den USA erzwingen, und sich dadurch die erbitterte Feindschaft der alten Energieindustrien zuziehen. Die Firma könnte über Nacht die Lebensbedingungen für Hunderttausende Chinesen massiv verbessern, und dadurch ein soziales Erdbeben in China hervorrufen; mit der Aussicht, den eigenen Eintritt in den chinesischen Markt gleich wieder zu sabotieren.

Man könnte die üblichen Steuertricks aufgeben und den USA mit einem Schlag die Gelder zur Verfügung stellen, um das marode öffentliche Erziehungswesen zu sanieren, oder Cupertino könnte gleich selbst kostenfreie Erziehung in den USA anbieten, vom Kindergarten bis zur Universität. Apple könnte etwas völlig Verrücktes tun, und die erbärmliche Einkommensstruktur notleidender Künstler weltweit aufbessern (zum Beispiel durch Stipendien), was sogar in guter Verbindung zur Tradition des "Think Different" stehen würde, mit der man immer noch gerne kokettiert

Aber würden die Bürger dieser Welt es verzeihen, wenn die Träumer dieser Welt so "bevorzugt" werden würden? All diese phantastischen Ideen haben zwei Dinge gemeinsam: Erstens würden sie die großen institutionellen Investoren verschrecken, und dadurch die sensationell hohe Marktkapitalisierung von derzeit über 700 Milliarden Dollar gefährden.

Zweitens würde jeder dieser Schritte allzu offensichtlich machen, welche politische Macht Apple mit seinem Geld angesammelt hat. Deswegen wird nichts von alledem geschehen - und auch Griechenland wird keinen angebissenen, blau-weißen Apfel auf seine Flagge nähen. Viel wahrscheinlicher wird sich Apple unter Tim Cook einige Hobbies leisten, wie zum Beispiel die löbliche Unterstützung der Homosexuellenrechte, das Ausprobieren von Solarenergie oder den Versuch, noch tiefer in das Autogeschäft einzusteigen.

Und ansonsten wird man das machen, worauf man sich in den letzten fünfzehn Jahren schon so gut verstanden hat: Aus dem vielen Geld noch viel mehr Geld zu machen. Das klingt schon ziemlich langweilig für die Leute, die einst "anders denken" wollten. Aber es liegt wohl in der Natur des kapitalistischen Betriebs, dass das "andere Denken" letztlich bei der Wiederholung des Immergleichen landet. Auf den Zeitpunkt, zu dem Apples Macht & Herrlichkeit ernsthaft mit der politischen Sphäre kollidiert, ob in den USA, Europa oder China, darf man immerhin gespannt sein: Nachrichtenwert wird diese Situation in jedem Fall haben.