Griechenland zu weitgehendem Entgegenkommen bereit

Obwohl das Land sogar die bisherigen Vereinbarungen anerkennt, stellt sich Deutschland quer und will Griechenland offenbar aus dem Euro treiben

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Eigentlich war schon für Mittwoch geplant, dass sich die griechische Regierung an Brüssel wendet. Doch der Brief, mit dem Griechenland nachsucht, die Finanzhilfen um sechs Monate zu verlängern, hatte sich auf Donnerstag verzögert. Er ging heute in Brüssel ein, gab der Chef der Eurogruppe Jeroen Dijsselbloem über Twitter bekannt. "Received Greek request for six months extension". Am Freitag würden die Finanzminister der Eurogruppe um 15 Uhr über den Vorschlag beraten, zwitscherte er weiter.

Doch schon vor dem Treffen kam eine schroffe Ablehnung aus Deutschland. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) lehnt den Antrag sofort ab, weil sich Griechenland offenbar nicht auf die Knie wirft und sich vollständig den Kürzungsprogrammen unterwerfen will, die bisher von der Troika dem Land auferlegt wurden. Entschuldigung! Troika soll die Truppe aus dem Internationalen Währungsfonds (IWF), EU-Kommission und Europäischer Zentralbank (EZB) ja nicht mehr heißen. Es wurde wie erwartet etwas Schminke aufgelegt. Nun wird von den "Institutionen" gesprochen, damit außer beim Namen alles beim Alten bleibt, ist offensichtlich die Ansicht in Berlin.

Entsprechend erklärte Schäubles Sprecher Martin Jäger in der deutschen Hauptstadt: "Der Brief aus Athen ist kein substanzieller Lösungsvorschlag." Der Antrag der Griechen ziele vielmehr "auf eine Brückenfinanzierung, ohne die Anforderungen des Hilfsprogramms zu erfüllen". Das Angebot entspreche also nicht den Kriterien, die am Montag in der Eurogruppe vereinbart worden seien. Obwohl die bisherigen Programme die Griechen tief in die Depression und in die Misere gestürzt haben, in eine enorme Arbeitslosigkeit, in den Verlust von 25% seiner Wirtschaftsleistung, während die Verschuldung nicht gesunken, sondern inzwischen sogar auf exorbitante 176% der jährlichen Wirtschaftsleistung gestiegen ist, soll nach Ansicht Schäubles alles so bleiben, wie es ist. Dabei gab es zwischenzeitlich schon Krach in der Troika, weil sogar der IWF an dem eingeschlagenen Weg zweifelte (Griechenland-Kurs lässt es in der Troika krachen).

Man könnte Albert Einstein zitieren, wonach es "Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten". Aber auch Wirtschaftsnobelpreisträger wie Paul Krugman haben vor Jahren die Austeritätspolitik schon als "verrückt" gebrandmarkt. Klar ist, dass mit einer "Brückenfinanzierung", wie dies Schäuble nennt, erreicht werden soll, dass eine neue Vereinbarung für eine Entwicklung vereinbart werden kann, die auf Wachstum in der Zeit von 2015 bis 2019 basiert und damit auch Aussicht auf Erfolg hat. Der neue griechische Regierungschef Alexis Tsipras hat immer wieder deutlich gemacht, dass die Schuldenlast wieder bezahlbar werden muss, was heute nicht möglich sei ("Die Mitgliedschaft im Euro ist unwiderrufbar"). Vorgeschlagen hatte Athen zwischenzeitlich auch eine Umschuldung, um von der Fixierung auf das unbeliebte Wort Schuldenschnitt wegzukommen. Das liegt ganz auf der Ebene der EU-Kosmetik, wenn man nun die Troika plötzlich umbenennt.

Die Ablehnung aus Deutschland ist noch erstaunlicher, weil Griechenland den "Institutionen" weit entgegenkommt und nun die bisherigen Vereinbarungen anerkennt. "Die griechische Regierung hat der Verlängerung des Hilfsprogramms unter Überwachung der Troika-Gläubiger zugestimmt", meint das Handelsblatt, das den Brief im englischen Original-Wortlaut veröffentlicht. Griechenland fordert aber "die größte Flexibilität innerhalb des derzeitigen Abkommens".

Athen werde es "erfolgreich abschließen" und räumt den "Institutionen" auch die Überprüfung ein, die zukünftig aber nicht mehr in Griechenland, sondern in Brüssel vorgenommen werden soll. Finanzminister Yanis Varoufakis unterstreicht, dass sich Athen "auf die Vertiefung des Reformprozesses verpflichtet", aber den Schwerpunkt nach den schweren Verwerfungen der aktuellen Krise auf "Wachstum und Beschäftigung" und genauso auf die "finanzielle Nachhaltigkeit" und "soziale Gerechtigkeit" legen wolle.

An roten Linien wird festgehalten

Über Privatisierungen soll nicht das Tafelsilber billig verscherbelt werden, weshalb Fall für Fall geprüft werden müsse. Zudem soll die Mehrwertsteuer nicht noch weiter erhöht werden, weil es die einfache Bevölkerung besonders hart trifft. Erklärt wird auch, die geforderte Arbeitsmarktreform passe nicht in die derzeitige Situation. Die Regierung will mit der Internationalen Arbeitsorganisation ILO nach neuen Ansätzen suchen und den Schutz der Arbeitnehmer in Abhängigkeit des Wirtschaftswachstums genauso erhöhen wie den Mindestlohn. Hier setzt man auf die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), mit der man sich abstimmen will. Die OECD hat schon im vergangenen Jahr vor einem weiteren Lohndumping gewarnt, das in die Deflation führe und deshalb Lohnsteigerungen angemahnt, um auch die Wirtschaft und die Inflation anzukurbeln.

Man muss sich deshalb fragen, ob Schäuble und Berlin auf eine ganz eigene Agenda und den Rauswurf Griechenlands (Grexit) setzen. Es ist auffällig, wie Schäuble notorisch seit Jahren den Austritt als verkraftbar hinstellt. Hier sind immer wieder Widersprüche aufgetaucht, weshalb sich zuletzt sogar die EU-Kommission zur Aussage gedrängt sah, dass die "Mitgliedschaft im Euro unwiderrufbar" sei. Diesen Riss kann man weiter verfolgen. Während Schäuble scheinbar auf die Erniedrigung der Griechen setzt, hat sich der EU-Kommissionpräsident Jean-Claude Juncker diplomatisch Asche aufs Haupt gestreut. "Es hat Fehler gegeben", erklärte er, um der griechischen Regierung ein Entgegenkommen zu erleichtern. Die Troika habe mit ihrer Politik "wirklich gegen die Würde der Völker verstoßen". Er meint, dass daraus Lehren zu ziehen seien.

Um es nicht sofort zum Showdown kommen zu lassen und den Raum für Verhandlungen offen zu halten, das bisherige Rettungsprogramm läuft am Monatsende ab, hat die EZB nun den Notkreditrahmen für griechische Banken ausgeweitet. Die griechische Zentralbank erhält 3,3 Milliarden Euro im Rahmen des ELAs (Emergency Liquidity Assistance) und damit nun 68,3 Milliarden Euro. Schon in der letzten Woche wurde der Rahmen von 60 auf 65 Milliarden Euro angehoben. Zuvor hatte die EZB die Daumenschrauben angezogen und akzeptierte nach den Wahlen keine griechischen Staatsanleihen mehr als Sicherheit für Kredite. Deshalb müssen die Kreditinstitute sich nun das Geld bei der Zentralbank zu schlechteren Bedingungen holen, die über das ELA-Programm von der EZB versorgt wird und sie haftet gegenüber der EZB.