Griechenland vs. Eurogruppe

Kein Bankrun, keine endgültige Einigung, aber eine absehbare Nachspielzeit

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"Ab Juni wird es für Griechenland ein neues Programm mit intelligenter Verringerung der Schulden geben", berichtete der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis gegenüber der Presse.

Yanis Varoufakis auf der Pressekonferenz. Bild: European Union

Die Eurogruppe hat sich am Freitag in erster Näherung mit der griechischen Regierung darauf geeinigt, die Verlängerung des Kreditprogramms von zwei Monaten um weitere vier Monate auszuweiten. Somit bleiben die griechischen Banken weiterhin am Tropf der EZB: Darüber hinaus bleiben 10,9 Milliarden Euro, welche im 240 Milliarden Euro Kreditvolumen enthalten waren, bei den griechischen Banken. Die Gelder waren zur Rekapitalisierung der vom Haircut 2012 betroffenen Geldhäuser als Kredit von der griechischen Regierung aufgenommen worden.

Dieses kleine Detail beweist, wie wenig der oft als Schuldenschnitt bezeichnete Akt des PSI, der Beteiligung privater Investoren, den Griechen genutzt hat. Yanis Varoufakis, der amtierende griechische Finanzminister hatte es bereits vor einem Jahr sehr ausführlich in seinem Blog erklärt. Nun durfte er als Minister versuchen, die Folgen des PSI für Griechenland zu minimieren.

Auf dem Spiel standen Szenen, wie sie sich 2012 auf Zypern abspielten. Die griechische Regierung ließ durchsickern, dass sie von Seiten der europäischen Partner mit einer faktischen Schließung der griechischen Banken bedroht wurde. Das zumindest konnte das griechische Verhandlungsteam vorerst abwenden. Denn, wie aus dem Amtssitz des Premierministers, dem Megaron Maximou, noch vor Mitternacht durchsickerte, muss Europa noch warten, ob die "Verbitterten" den Kompromiss durch ihre Parlamente bringen.

Griechen sind weiter sauer auf die deutsche Regierung. Bild: W. Aswestopoulos

Mit dem Ausdruck "die Verbitterten" umschrieb das griechische Regierungsmitglied die Spanier und Portugiesen. Denn diese hatten sich auch bei der Eurogruppe am Freitag ebenso wie Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble quergestellt. Die Griechen haben nämlich das erreicht, was Spanien und Portugal ebenso wie die vorherige griechische Regierung sich nicht trauten. Es gibt also zumindest zum jetzigen Zeitpunkt keine "Achse des Südens", von der die Bürger in den schuldengeplagten Mittelmeerstaaten träumen. Die Regierenden in Madrid und Lissabon fürchten vielmehr den Volkszorn, wenn sie ihren Bürgern erklären müssen, dass die Griechen voraussichtlich ab 2016 "mit spanischer und portugiesischer Finanzhilfe" einen höheren Mindestlohn als sie erhalten werden.

Für Varoufakis ist das Argument der höheren Löhne nicht schlüssig. Er erklärte in seiner Pressekonferenz, dass die Griechen seit 2000 mit erheblichen, vom Euro bedingten Preissteigerungen zu kämpfen hatten. Dabei stiegen die Löhne nicht in gleichem Maß wie das Preisniveau. Seit 2010 sanken die Einkommen in Griechenland nominell um bis zu 40 Prozent, falls sie nicht durch Arbeitslosigkeit vollkommen verschwanden. Durch gleichzeitige Steuererhöhungen sank das verfügbare Einkommen weiter, so dass die meisten Griechen aus eigenen Mitteln schlicht nicht überleben können.

Varoufakis erklärte in seiner Pressekonferenz, dass die meisten Finanzminister als gelernte Anwälte keine Ahnung von Ökonomie hätten. Sie würden vielmehr auf Regeln und vereinbarten Zahlen pochen.

Das genau sei ein großer Knackpunkt, so Varoufakis. Denn wirtschaftliche Entwicklungen ließen sich nicht auf Jahre hinaus planen. Als ersten Erfolg kann er verbuchen, dass die Primärüberschüsse der griechischen Staatshaushalte für die nächsten Jahre nicht in ihrer Höhe festgeschrieben werden.

Negativ für die Griechen könnte sein, dass sie gegebenenfalls bis Ende April ohne die Auszahlung der teilweise seit knapp einem Jahr fälligen 7,9 Milliarden Euro auskommen müssen. Glaubt man den griechischen Offiziellen, ist die Einigung auf vorläufige Verlängerung mit keinen neuen Auflagen, Gehaltskürzungen, Entlassungen oder Rentenkürzungen verbunden.

Pressekonferenz nach der vorläufigen Einigung. Bild: European Union

Eurogruppenchef Jereon Dijsselbloems Statements bei der Pressekonferenz klangen dagegen anders. Der Text der vorläufigen Einigung ist in zahlreichen Internetportalen verlinkt oder veröffentlicht worden. Bis Montag - also über das griechische Karnevalswochenende - muss die griechische Regierung der Eurogruppe eine Liste mit den beabsichtigten Reformen vorlegen. Zwischenzeitlich fehlt jedoch der Koalitionspartner von Premierminister Alexis Tsipras, Verteidigungsminister Panos Kammenos ist auf Dienstreise nach Abu Dhabi. Auch er könnte ebenso wie der linke Flügel von SYRIZA quer schießen. Den wirklich goutieren kann den vorläufigen Kompromiss keine der beteiligten Seiten, egal ob in Deutschland, Portugal, Frankreich, Italien, Finnland, Lettland oder Griechenland.

Beim näheren Hinsehen zeigt die am Freitag erzielte Einigung der Eurogruppe nur, dass die Entscheidung über die Zukunft der Schuldenpolitik schlicht erneut verschoben wurde. Es geht bei allen Beteiligten offenbar darum, die als Sackgasse identifizierte Sparzwangpolitik erst dann zu beenden, wenn dieser Schritt den jeweils einheimischen Wählern als alternativlos verkauft werden kann. Die einen, zum Beispiel in Berlin, träumen von einer neuen Sparpolitik an Stelle der alten. Die anderen, in Athen, Nikosia, Dublin oder Rom und insgeheim auch in Paris oder an oppositioneller Seite in Madrid und Lissabon, hoffen auf ein Ende des Diktats von Bundesfinanzminister Schäuble.

Für alle Politiker geht es statt um die vordergründig viel zitierte europäische Einigung schlicht um die persönliche Wiederwahl. Letzteres zeigen insbesondere die führenden Politiker der am 25. Januar in Griechenland unterlegenen Nea Dimokratia. Sie freuen sich ob über Fernsehen, Zeitungsinterviews oder Twitter diebisch über jeden Hieb, den die neue griechische Regierung in ihrem Ringen um bessere Bedingungen für Griechenland aus Berlin einsteckt.