Koalitionsstreit um das Deutsche Institut für Menschenrechte

Die Unionsfraktion blockiert ein Gesetz und gefährdet so den Status des Instituts bei den Vereinten Nationen

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In der Großen Koalition gibt es Streit über die Zukunft des Deutschen Instituts für Menschenrechte (DIMR). Das oftmals regierungskritische Institut benötigt dringend eine gesetzliche Grundlage - und die CDU will diese Gelegenheit offenbar nutzen, um dem Institut einen Maulkorb bei den Vereinten Nationen zu verpassen.

Plakat des Instituts für Menschenrechte

Das Deutsche Institut für Menschenrechte ist eine unangenehme Institution. Immer wieder nimmt es Stellung zu tagespolitischen und allgemeinen Problemen im Bereich der Menschenrechte - nicht zur Lage im Ausland, sondern zu der in der Bundesrepublik. Zuletzt kritisierte das DIMR deutlich Pläne aus der Union, weitere Balkanländer zu so genannten "sichere Drittstaaten" zu erklären, um Flüchtlinge aus Osteuropa schneller abschieben zu können.

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Stephan Mayer (CSU) hatte gefordert, Albanien, Kosovo und Montenegro zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären. Bei Flüchtlingen aus diesen Ländern wird angenommen, dass sie nicht verfolgt werden - ihre Anträge können daher vergleichsweise schnell als unbegründet abgewiesen werden. Gegen die Ablehnung kann aufgrund verkürzter Fristen nur schwer Widerspruch eingelegt werden.

Das DIMR wies in der Folge darauf hin, dass sich die Gefährdungssituation für Minderheiten in allen Ländern auch "versteckt und schleichend" entwickeln könne, so dass in jedem Einzelfall geprüft werden müsse, ob ein Flüchtling schutzbedürftig sei oder nicht. Eine Garantie dafür, dass ein Staat sicher sei, könne es nicht geben. Zudem werde in Deutschland zu wenig berücksichtigt, dass auch eine Vielzahl minder schwerer Menschenrechtsverletzungen gegen eine Einzelperson zu einer existenziellen Bedrohungssituation für diese führen könne.

Auch zur Vorratsdatenspeicherung äußert sich das Institut kritisch, zudem mahnt es an, eine Beschwerdestelle für Menschenrechtsverletzungen durch Polizisten im Einsatz zu schaffen.

Die Positionen des Instituts sind für die Bundesregierung oft unbequem. Für die Union möglicherweise sogar zu unbequem. Im März muss sich das DIMR beim internationalen Dachverband der Nationalen Menschenrechtsinstitutionen (International Coordinating Commitee of National Human Rights Institutions - ICC) neu akkreditieren, um den so genannten A-Status und damit volle Mitwirkungsrechte bei den Vereinten Nationen zu erhalten. Doch die Anforderungen, um den seit seiner Gründung im Jahr 2001 bestehenden A-Status zu erhalten, sind derzeit nicht gegeben. Die Prüfung anhand der so genannten Pariser Kriterien (doc), die die nationalen Menschenrechtsinstitute für den Status erfüllen müssen, sind seitdem verschärft worden. Die Pariser Kriterien sehen vor, dass die Institute auf Basis eines Gesetzes arbeiten müssen. Das DIMR wurde 2001 jedoch nur mittels eines einfachen Bundestagsbeschlusses ins Leben gerufen - das reicht nicht mehr aus.

Lahmlegen mit harmlosen Aufträgen?

Bereits im September wurde im SPD-geführten Bundesjustizministerium daher der Referentenentwurf eines Gesetzes geschrieben, welcher in acht knappen Paragraphen das DIMR auf eine gesetzliche Grundlage stellen sollte. An der Arbeit und Organisation des Instituts, welches national und international aufgrund seiner Arbeit anerkannt ist, sollte sich nichts ändern - lediglich der formalen Vorschrift der Pariser Prinzipien sollte Genüge getan werden. Bis heute hat der Entwurf aus dem Haus von Justizminister Heiko Maas jedoch nicht den Kabinettstisch im Kanzleramt erreicht - denn die Union möchte die Chance nutzen, die Arbeit des DIMR neu zu regeln.

So soll dem Unionsentwurf zufolge das DIMR, das bislang als unabhängiger, aber aus dem Bundeshaushalt finanzierter Verein organisiert war, als Anstalt des öffentlichen Rechts im Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes angesiedelt werden. Auch soll es nicht mehr wie bislang uneingeschränkt selbst die Themen festlegen, zu denen es arbeiten will. Stattdessen soll es nur noch in der Zeit selbständig forschen, "in der ihm keine anderen Aufgaben übertragen werden", wie es im Entwurf der Union, der Telepolis vorliegt, heißt.

Die Bundesregierung könnte also das Institut mit für sie harmlosen Aufträgen lahmlegen - und so davon abhalten, eher unangenehme Themen zu untersuchen. Den Pariser Kriterien würde das jedoch widersprechen, denn diese verlangen, dass die jeweiligen nationalen Menschenrechtsinstitutionen von ihrer Regierung unabhängig tätig werden sollen.

Für die SPD sind diese Forderungen aus der Union unannehmbar. Und so stehen sich die beiden Gesetzentwürfe unvereinbar gegenüber. Bislang haben sich Union und SPD nicht auf einen gemeinsamen Gesetzentwurf einigen können. Dabei wird die Zeit knapp, denn vom 16. bis 20. März tagt das ICC in Genf, um die Re-Akkreditierungen vorzunehmen.

Einigen sich Union und SPD bis dahin nicht, so wird das DIMR den A-Status verlieren. Die Folge wäre, dass das DIMR das Recht verliert, an den Sitzungen des UN-Menschenrechtsrates teilzunehmen und dort zu den Tagesordnungspunkten Stellungnahmen abzugeben. Zudem hat es bislang das Recht, im Menschenrechtsrat nach der eigenen Regierung zu sprechen, beispielsweise wenn die Bundesregierung dort im Rahmen der periodischen Überprüfung über die Menschenrechtssituation in Deutschland vorträgt. Bislang kann das DIMR direkt im Anschluss an den Vortrag der Regierung auch kritische Ergänzungen vorbringen. Ohne A-Status wird das nicht mehr möglich sein.

Union riskiert Verlust an Glaubwürdigkeit

Hinzu kommt der Verlust an Glaubwürdigkeit der Bundesrepublik, wenn sie in internationalen Verhandlungen auf Menschenrechtsverletzungen aufmerksam machen will - selbst jedoch aufgrund eines regierungsinternen Konflikts dafür verantwortlich ist, dass die eigene nationale Menschenrechtsinstitution nicht mehr über die vollen Rechte bei den Vereinten Nationen verfügt.

In den Koalitionsstreit hat sich mittlerweile auch die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) eingeschaltet. In einer öffentlichen Stellungnahme, die auch an das Bundeskanzleramt und an sämtliche Bundestagsfraktionen geschickt wurde, kritisiert die BRAK den Unionsentwurf scharf. Eine Eingliederung des Deutschen Instituts für Menschenrechte in das Auswärtige Amt würde den A-Status bei den Vereinten Nationen gefährden. Zudem sei eine Anbindung an das Auswärtige Amt auch nicht angemessen. Die Arbeit des DIMR müsse auf die Menschenrechtssituation im Inland ausgerichtet bleiben. "Das DIMR ist als eine kritische Instanz, die den Blick nach innen richten soll, ins Leben gerufen worden und dabei sollte es bleiben", so die BRAK. Den Entwurf aus dem SPD-geführten Justizministerium befürwortet die Bundesrechtsanwaltskammer dagegen.

Aus Regierungskreisen ist zu hören, dass derzeit keine Einigung in Sachen DIMR in Sicht ist - obwohl sowohl Union als auch SPD beteuern, an einem Erhalt des A-Status interessiert zu sein. Doch dazu müssten sich die Koalitionspartner nicht nur auf einen gemeinsamen Gesetzesentwurf einigen, sondern diesen auch noch bis zur ICC-Sitzung im März durch den Bundestag bestätigen lassen. Das ist nicht unmöglich, wenn bald Bewegung in die Sache kommt. Insgeheim wären manche jedoch schon froh, wenn sich bis zum 16. März wenigstens das Bundeskabinett auf einen Gesetzentwurf einigen könnte.

Das ICC würde dann vielleicht ein Auge zudrücken und dem DIMR erneut den A-Status erteilen, obwohl der Bundestag das Gesetz noch nicht angenommen hat. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Immerhin hat Deutschland 2015 den Vorsitz im UN-Menschenrechtsrat - da wäre es besonders peinlich, den A-Status für das eigene nationale Menschenrechtsinstitut nicht halten zu können.