Die vorgeschlagenen Reformen

Der anscheinend immer gut gelaunte griechische Finanzminister Yanis Varoufakis. Bild: W. Aswestopoulos

Eine weitere Runde im Nervenpoker um Griechenland

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Die Diskussion um die Verlängerung des bereits einmal auf Ende Februar ausgedehnten zweiten Rettungspakets für Griechenland geht in die nächste Runde. Eigentlich sollte die griechische Administration bis spätestens Montag eine Liste mit Reformen an die Eurogruppe senden. Eigentlich. Denn wieder einmal wurde der Termin nicht eingehalten. Die ständige Verzögerung einer endgültigen Lösung führt im Land zu einer immer größeren Kapitalflucht.

Die Verhandlungen mit der Eurozone

Das griechische Finanzministerium erklärte am Montag, dass die Verzögerung nicht in Athen verursacht wurde. Finanzminister Yanis Varoufakis präzisierte diese Aussage in einem Interview. Die Liste sei bereits Montagvormittag abgeschickt worden, erklärte er, allerdings hätten die übrigen Europäer um den Aufschub gebeten.

Weiterhin dreht sich alles um Varoufakis, der nicht müde wird zu erklären, dass es keine Verhandlung gibt, wenn man nicht auch zum totalen Zerwürfnis bereit ist. Nicht umsonst bekennt er sich in Interviews gern dazu, dass er auch einen Armageddon nicht fürchte. Der smarte Minister, über den die Griechen witzeln, dass er als erster Finanzminister des Landes seine Hand in der eigenen Tasche und nicht in den Taschen der Bürger habe, lüftet frank und frei alle seine Geheimnisse. Die lässig in die Hose gesteckte linke Hand entlastet ihn von den Schmerzen einer Schulterverletzung. Trotz des unwahrscheinlichen Drucks, dem die erst seit dem 27.1. amtierende Regierung standhalten muss, geben sich alle Minister gelöst.

Unbeachtet der letzten griechischen Karnevalstage, welche gewöhnlich ein gesellschaftliches Ereignis für Politik und Bürger sind, tagte der Regierungsrat über das Wochenende in endlosen Mammutsitzungen. Premierminister Alexis Tsipras hatte die Öffentlichkeit in einer Ansprache informiert, dass nach der "Schlacht" der Eurogruppe noch nichts Endgültiges entschieden sei. Yanis Varoufakis gab sich über das Wochenende noch gelöster als üblich. Zur Sitzung der Regierung am Samstagabend erschien er gutgelaunt im Parlament. Geduldig beantwortete er kurze Fragen der Journalisten. Die griechische Regierung tat alles Menschenmögliche, um bei den Wählern das Gefühl eines kleinen Siegs zu erzeugen.

Sonntagnacht schien sich die Aktivität um den Amtssitz des Premiers zu beruhigen. Alle in Athen warteten darauf, am Montagmorgen eine Liste mit den Vorschlägen der Regierung zu lesen. Den ganzen Tag über erschienen in der internationalen Presse Spekulationen über den Inhalt der Liste. Wie üblich schrieb die griechische Presse schnell ab, was im Ausland berichtet wurde. Etwas mit eigenen Gerüchten angereichert fanden die griechischen Berichte danach wieder Zugang zum Ausland.

Wie in früheren Fällen auch, hatte der Journalist Nikos Chatzinikolaou die besseren Tippgeber beim Premier. Frühzeitig kristallisierte sich in seinen Berichten heraus, was der übrigen Journalistengilde erst am Abend per E-Mail als "non paper" zugeschickt wurde.

Bild: W. Aswestopoulos

Die vorgeschlagenen Reformen

Welche Reformen im Schreiben an die Europäer angesprochen werden, wird darin erwähnt. Summen finden sich wie üblich nicht. Zu den Maßnahmen gehören:

  1. Die gesamte erste Säule des Wahlprogramms, welches bei der internationalen Messe von Thessaloniki vorgestellt wurde. Die so genannte erste Säule betrifft soziale Maßnahmen zur Bewältigung der humanitären Krise im Land. Anders als im übrigen Europa, gibt es in Griechenland noch keine organisierte Hilfe für absolut mittellose Menschen.
  2. Ein Großteil der zweiten Säule. Diese beinhaltet zum Beispiel:
    • Ein Verbot für Versteigerungen des Hauptwohnsitzes eines Schuldners
    • Die Regelung der Darlehen von überschuldeten Bürgern und Betrieben.
    • Die Aufhebung der Gesetze, welche die Realwirtschaft abwürgen.
  3. Die Liste der Strukturreformen der vierten Säule von Thessaloniki, wie zum Beispiel:
    • Die Schaffung eines gerechten Steuersystems.
    • Eine organisiert durchgeführte (Steuer)Betrugsbekämpfung.
    • Den Beginn einer effektiven Korruptionsverfolgung.
    • Die Bekämpfung von Schmuggel, insbesondere bei Kraftstoff und Tabak).
    • Die Rekonstruktion des Öffentlichen Sektors ohne die allseits behindernde Bürokratie
  4. In der Liste werden Reformen für den Arbeitsmarkt angesprochen. Es geht um die Tarifautonomie, die im Sinn einer besseren Wettbewerbsfähigkeit wieder hergestellt werden soll.
  5. Ausdrücklich betont wird seitens der Regierung, dass keinerlei Reformen aus dem von der Regierung Samaras bestellten Maßnahmenkatalog der OECD thematisiert werden. Stattdessen will die Regierung die von Tsipras zusammen mit dem Generalsekretär der OECD José Ángel Gurría ausgearbeiteten dringend notwendigen Reformen sofort in Angriff nehmen.
  6. Schließlich betont das Schriftstück, welches die Regierung an die Journalisten schickte, dass die Wiedereinstellung von Beamten nicht erwähnt wird. Diese sei bereits von der Regierung Samaras in den Staatsetat eingetragen worden. Tatsächlich wollte Samaras neue Beamte einstellen und nicht die gemäß einiger Gerichtsbeschlüsse ungerechtfertigt entlassenen Staatsbediensteten wiedereinstellen.
Regierungschef Tsipras gerät unter Druck aus der eigenen Partei. Bild: W. Aswestopoulos

Knatsch innerhalb der Regierung

Damit hat sich Tsipras zunächst von einigen weiteren Punkten des Programms von Thessaloniki verabschiedet. Zumindest hat dies, auch einigen seiner Parteigenossen gemäß, den Anschein. Zwar werden Tsipras und Varoufakis nicht müde zu betonen, dass man inmitten einer Verhandlung nicht andauernd die Maximalpositionen präsentieren kann, sie erreichen aber nicht alle damit.

Zuerst meldete sich Manos Glezos aus Brüssel. Der greise Weltkriegsveteran bat die Wähler um Entschuldigung. Als Mitstreiter von SYRIZA habe er sie zur Wahl der Regierung überredet. Um Glezos sammeln sich einige Mitglieder von SYRIZA. Eine kommunistische Plattform der Partei fordert gar eine außerordentliche Mitgliederversammlung und den Kopf des Premiers. Kostas Lapavitsas, ein weiterer Ökonomieprofessor in den Reihen von SYRIZA, stellte einen Thesenkatalog und Fragen in seinen Blog. Lapavitsas ist Parlamentarier und anders als sein in Amerika und Athen lehrender Kollege Varoufakis Professor in London.

Mikis Theodorakis schloss sich ebenfalls an. Der Komponist und langjährige Abgeordnete der Kommunisten forderte von Tsipras ein "OCHI" zum "Nein" des Bundesfinanzministers. Wie wichtig der Premier die Zweifler nimmt, zeigt die Tatsache, dass er um 10:30 h am Dienstag zu Mikis Theodorakis eilt. Noch am Montag hatte er Theodorakis am Telefon milder gestimmt. Direkt im Anschluss an das Gespräch mit Theodorakis leitet Tsipras den Regierungsrat. Danach gibt es eine Fraktionssitzung von SYRIZA sowie das Warten auf die Antworten aus Berlin und Brüssel.