Keiner will den Castor

Die Energie- und Klimawochenschau: 26 unerwünschte Castoren, tritiumhaltiges Wasser und große Offshore-Pläne

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks möchte mit dem Stückwerk beim Atommüll aufhören, so schreibt sie in einem Gastbeitrag im Tagesspiegel. Das klingt vernünftig, erscheint aber angesichts der auf allen Ebenen fehlenden Konzepte sowie der sich jeglichem Konsens verweigernden Atomkonzerne momentan relativ aussichtslos.

Castor. Bild: GNS Gesellschaft für Nuklear-Service mbH" deutlich anzugeben.

Deutlich geht Hendricks mit den Ministerpräsidenten ins Gericht, da sich außer Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg bisher kein weiteres Bundesland bereit erklärt hat, einen Teil der hochradioaktiven Abfälle zwischenzulagern, die schon ab diesem Jahr aus den Wiederaufbereitungsanlagen La Hague in Frankreich und Sellafield in Großbritannien zurückkehren sollen. Die Ministerpräsidenten hatten im Juni 2013 versprochen, sich auf ein drittes Bundesland zu einigen, das einen Teil der 26 Castorbehälter aufnehmen soll. Da dies bislang nicht geschehen ist, will die Umweltministerin die Castoren nun den Ländern zuweisen. "Ich habe deshalb meine Mitarbeiter gebeten, ein Konzept zu erarbeiten, das eine Verteilung des gesamten noch im Ausland befindlichen Atommülls auf verschiedene Standorte in einem bundesweit ausgewogenen Verhältnis vorsieht", schreibt Hendricks.

Dadurch, dass die Genehmigung für das Zwischenlager am AKW Brunsbüttel aufgehoben wurde, würde sich besonderer Bedarf zu einer weiteren Verteilung der Castoren ergeben. Doch das Brunsbüttel-Urteil könnte sich auch an anderen Standorten wiederholen, wie Jochen Stay von .ausgestrahlt erklärt: "Hendricks Plan wird nicht aufgehen, denn die anderen Zwischenlager in Deutschland sind nicht besser gegen Flugzeugabstürze gesichert als die Lagerhalle in Brunsbüttel. Teilweise haben sie deutlich dünnere Wände und Decken. Wenn aber schon die sichere Lagerung von Castor-Behältern im baulich stabilsten Zwischenlager in Brunsbüttel nicht nachgewiesen werden kann, dann wird das an anderen Standorten noch viel weniger gelingen."

Eine Klage läuft derzeit gegen das Zwischenlager Unterweser in Niedersachsen, das ähnlich wie Brunsbüttel gebaut ist. In Bayern will die Bürgerinitiative "Forum Gemeinsam gegen das Zwischenlager und für eine verantwortbare Energiepolitik" beim Bundesamt für Strahlenschutz beantragen, dass die Genehmigung für das Zwischenlager in Grundremmingen aufgehoben wird. Nach Angaben der Initiative ist dieses noch schlechter gesichert als die Halle in Brunsbüttel.

Inzwischen hat sich die hessische Umweltministerin Priska Hinz zu Wort gemeldet und grundsätzliche Bereitschaft signalisiert, wiederaufbereiteten Atommüll aufzunehmen. Sie vermisse aber eine offizielle Anfrage der Bundesumweltministerin.

Hendricks hält in ihrem Tagesspiegel-Beitrag außerdem daran fest, dass die Endlagerkommission sich bis Mitte 2016 auf Kriterien für ein Suchverfahren einigen soll, die danach gesetzlich festgeschrieben werden können. Angesichts der monatelangen Schwierigkeiten, sich auf einen Kommissionsvorsitz zu einigen, wie auch die Ministerin selbst beschreibt, ist dies ein optimistischer Zeitplan. Doch die Zeit drängt, denn selbst wenn ausreichend Zwischenlager für hochradioaktiven Müll gefunden werden, gelten die Betriebsgenehmigungen nur für 40 Jahre, bis dahin müsste theoretisch ein Endlager zur Verfügung stehen.

Atomenergiebehörde für Verklappung

Ein größeres Problem mit strahlenden Abfällen als hierzulande hat man in Japan. Experten der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA haben der japanischen Regierung und dem Atomkonzern TEPCO Fortschritte bei der Stilllegung der havarierten Kraftwerksblöcke von Fukushima Daiichi bescheinigt. Die Strahlendosis wäre auf vielen Teilen des Geländes zurückgegangen. Positiv bewertete die Expertenmission außerdem die Bergung von Brennelementen aus Reaktor 4 sowie die Erweiterung der Kapazitäten, um kontaminiertes Wasser aufzufangen und zu behandeln.

"Trotzdem bleibt die Situation äußerst komplex, wobei die wachsende Menge kontaminierten Wassers eine kurzzeitige Herausforderung darstellt, die nachhaltig gelöst werden muss. Die Notwendigkeit, hochradioaktive abgebrannte Brennelemente, darunter beschädigte Brennelemente und Bruchstücke aus den von Kernschmelze betroffenen Reaktoren zu entfernen, stellt eine enorme langfristige Herausforderung dar", sagte Juan Carlos Lentijo, der bei der IAEA für Nukleare Brennstoffkreisläufe und Abfalltechnologie verantwortlich ist.

Noch immer flössen täglich rund 300 Kubikmeter Wasser in die Reaktorblöcke und würden in Folge kontaminiert. Dabei konnte der Zufluss schon deutlich reduziert werden, unter anderem durch die Konstruktion einer Eisbarriere. 600.000 Kubikmeter kontaminiertes Wasser lagerten in Tanks auf dem Gelände, etwa die Hälfte davon sei schon behandelt worden. Dazu gehören die Entfernung von Cäsium und Strontium.

Letztendlich könnten fast alle Radionuklide bis auf Tritium entzogen werden. Die IAEA rät TEPCO in ihrem vorläufigen Bericht ausdrücklich, ein kontrolliertes Ablassen des tritiumhaltigen Wassers ins Meer in Betracht zu ziehen. "TEPCO wird geraten eine Studie über die radiologischen Auswirkungen auf Bevölkerung und Umwelt durchzuführen, die von einer Freisetzung tritiumhaltigen oder anderen radionuklidhaltigen Wassers ins Meer ausgehen würden, um die radiologische Bedeutung zu bewerten und eine wissenschaftliche Basis für Entscheidungen zu haben."

Sprich: TEPCO soll die radioaktiven Abwässer im Meer verklappen und damit gleichzeitig noch einen Beitrag zur wissenschaftlichen Forschung leisten. Wie das Magazin Klimaretter bemerkt fehlt außerdem jegliches Konzept zur Bergung der geschmolzenen Brennstäbe, was im vorläufigen Bericht der IAEA nur als "enorme langfristige Herausforderung" verklausuliert zur Sprache kommt.

Offshore-Windenergie und Stromtrassen

Großbritannien baut unterdessen nicht nur ein neues Atomkraftwerk, sondern hat auch den größten Offshore-Windpark der Welt genehmigt. Auf der Sandbank Dogger Bank in der Nordsee sollen zunächst Turbinen mit einer Gesamtkapazität von 2.400 Megawatt errichtet werden.

An dem planenden Konsortium Forewind sind RWE, Scottish and Southern Energy, Statkraft und Statoil beteiligt. Nach Angaben von Forewind könnte der Windpark 8 Terawattstunden Strom im Jahr erzeugen und damit 1,8 Millionen Haushalte versorgen. Insgesamt umfasst die Dogger Bank vor der Küste der Grafschaft Yorkshire eine Fläche von 8.660 Quadratkilometern und soll neben dem nun genehmigten Offshore-Park "Dogger Bank Creyke Beck" später noch weitere Windparks beherbergen. Ziel sei eine Kapazität von 9 Gigawatt.

In Deutschland hat im Februar der Offshore-Windpark Borkum Riffgrund 1 von Dong Energy erstmals Strom ins Netz eingespeist. Trotzdem wird an dem 37 Kilometer von Borkum gelegenen Windpark im Laufe des Jahres noch weiter gebaut, bis 78 Turbinen mit einer Gesamtkapazität von 312 Megawatt installiert sind. 2015 sollen Windturbinen mit 2.000 Megawatt ans deutsche Stromnetz angeschlossen werden, 1.000 Megawatt sind bereits angeschlossen.

Der Ausbau der Offshore-Windkraft kann jedoch Transportprobleme nach sich ziehen, so sehen es zumindest die Befürworter des Netzausbaus. Besonders die geplante Trasse SuedLink gilt als Transportweg von Windstrom aus Norddeutschland in den Süden der Republik. Der Bundesverband Windenergie ist unter anderen für den Ausbau, während der Solarenergie-Förderverein darin nur ein Instrument des Stromhandels, nicht aber des Klimaschutzes sieht.

Suedlink begegnet nun nicht nur politischem Widerstand aus Bayern und Hessen, sondern der Netzbetreiber Tennet hat auch von der Bundesnetzagentur eine Aufforderung zum Nachbessern erhalten. Die Planung sei zu wenig transparent und nachvollziehbar, der genaue Trassenverlauf nicht hinlänglich begründet. "Der Antrag muss überarbeitet werden, damit die erkennbaren Umweltauswirkungen und raumordnerischen Konflikte für die betroffenen Regionen deutlich genug werden", so die Bundesnetzagentur. Der Zeitplan für SuedLink müsse sich aber durch die geforderten Nachbesserungen nicht verzögern, so ein Sprecher der Netzagentur. Am heutigen Dienstagabend beschäftigt sich der Koalitionsausschuss unter anderem mit dem Streitthema Netzausbau.