Deutsche Politiker im Verbund mit ukrainischen Oligarchen

Die Ukraine steht vor der Pleite, ukrainische Oligarchen unter Führung von Firtasch planen die gewinnbringende Rettung

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In einem Akt der Verzweiflung hat die ukrainische Notenbank den Leitzins gestern von 19,5 Prozent auf 30 Prozent angehoben, um den Absturz der Währung zu bremsen. Das ist gestern auch geschehen, der Umtauschkurs hat sich wohl vorerst kurzfristig von mehr als 27 auf 24,2 Griwna pro US-Dollar verringert. Die Notenbankchefin Gontarewa sieht 20-22 Griwna als Ziel an, überhaupt wird von der ukrainischen Regierung verbreitet, dass der Wert der Landeswährung um 15-35 Prozent unterbewertet sei. In der Ukraine läuft mitten in der Wirtschaftskrise die vierte Welle der Mobilmachung an, die Regierung will die Heeresstärke auf 250.000 anheben und mit modernen Waffen aufrüsten. Auch in der "Volksrepublik" Donezk wird trotz des Minsker Abkommens an der "freiwilligen" Mobilmachung festgehalten.

Im Dezember erklärte die Notenbankchefin noch, dass Geschäfte mit einem Umtauschkurs von 16:1 als Versuch gelten würden, die Ukraine zu destabilisieren. Im März 2014 war der Umtauschkurs noch bei 10:1 gestanden, ab Dezember ist die Währung dann abgestürzt. Gontarewa hat letzte Woche angeblich eigenmächtig den ukrainischen Banken Devisenkäufe für ihre Kunden und Devisengeschäfte zwischen den Banken verboten. Zudem müssen Unternehmen 75 Prozent ihrer in ausländischen Währungen erzielten Gewinne verkaufen, um den Griwna zu stützen. Die Mindestmenge an Devisen, die Banken halten müssen, wird ab 10. März erhöht. Gestern sind drei Banken, Delta Bank, die viergrößte ukrainische Bank, Kreditprombank und Omega Bank, Pleite gegangen. Kunden werden bis zu einer Höhe von 200.000 Hrwna (8.200 US-Dollar) ihre Einlagen ausgezahlt bekommen.

Durch den Absturz der Währung verteuern sich die Importe und wird die Inflation geschürt, die jetzt bei mehr als 24 Prozent liegt. Man fürchtet, dass es zu Panikkäufen kommen könnte. Die Stadtverwaltung von Kiew will verhindern, dass Geschäfte die Lebensmittelpreise zu stark erhöhen. Man beobachte alle Preise in der Stadt, hieß es. Geplant seien auch Bauernmärkte, wo die Bewohner direkt bei den Herstellern einkaufen können. Die Bevölkerung wird beruhigt, dass es genügend Vorräte von Zucker, Salz und Getreide gebe, sie brauche nicht in Panik verfallen.

Um eine Pleite zu vermeiden, braucht die Ukraine 40 Milliarden US-Dollar. Die Regierung hofft darauf, vom IWF 17,5 Milliarden noch im März zu erhalten, um die fast schon aufgelösten Devisenreserven etwas aufzustocken und fällige Schulden abzubauen. Von den Krediten, die nur mit einschneidenden Sparmaßnahmen gewährt werden, kommt also nichts in der Wirtschaft oder der Bevölkerung an. Letztere muss sich auf einen weiteren Abbau der Löhne, Renten und Sozialleistungen und eine wachsende Arbeitslosigkeit einstellen. So wurde jetzt entschieden, den Preis für Gas ab 1. April um durchschnittlich 260 Prozent zu erhöhen, da staatlichen Subventionen gestrichen werden müssen. Gas zum Kochen wird etwa um das Sechsfache steigen. Jetzt steigt der Mindestpreis auf 3.600 Griwna pro 1.000 Kubikmeter, von Mai bis Ende September müssen dann 7.188 bezahlt werden, für die Wintermonate gilt der Mindestpreis nur bis zu einem Verbrauch von 200 Kubikmeter im Monat, wer mehr verbraucht, zahlt 7.188 wie während des Sommers.

Immerhin konnte der Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine durch die Vermittlung der EU für kurze Zeit "gelöst" werden. Eine Versorgung bis Ende März ist gewährleistet. Gazprom liefert nur noch auf Vorauskasse, die Ukraine wollte nicht mehr für die Gaslieferung an die "Volksrepubliken" aufkommen und hat den Transport gesperrt, so dass Russland diese direkt beliefert hatte.

Die Krise schafft bereits Brüche in der Regierungskoalition. Regierungschef Jazenjuk verlangt mit anderen Parteiführern von Präsident Poroschenko und seinem Block die Absetzung der Notenbankchefin. Jazenjuk, für den die Ukraine Europa verteidigt, wittert eine Verschwörung hinter der Finanzkrise des Landes: "Unsere Feinde sind wach und ruhelos, auch die in internationalen Finanzinstitutionen. Sie bemühen sich, das Programm zwischen der Ukraine und dem IWF zu sabotieren, nicht direkt, sondern durch Mittelsmänner. Es wird signalisiert, dass die Ukraine noch nicht für solch ein Programm bereit sei, da militärische Ungewissheit und der Konflikt im Osten ein großes Hindernis darstellen." Das käme von Ländern, die die Ukraine nicht unterstützen."

Inzwischen ist die Verschuldung auf mehr als 100 Prozent des BIP angewachsen, Anfang 2014 lag sie erst bei 40 Prozent. Bis 2015 müssen 27 Milliarden US-Dollar an Zinsen und Schulden beglichen werden, allein dafür reicht der mögliche IWF-Kredit bei weitem nicht. 3 Milliarden schuldet die Ukraine alleine Russland, das wäre eigentlich Ende 2014 fällig gewesen. Schwer vorstellbar, dass Russland darauf verzichten wird.

Nach Bloomberg ist die Ukraine eines der Länder, denen es 2015 am schlechtesten gehen wird. Nach dem "Misery Index", der den geschätzten Anstieg der Arbeitslosigkeit mit dem der Inflation verbindet, kommt die Ukraine an vierter Stelle, besonders düstere Erwartungen würden demnach Venezuela bevorstehen, gefolgt von Argentinien und Südafrika. Griechenland, Spanien und Russland kommen nach der Ukraine, auch Italien und Portugal werden keine guten Aussichten prognostiziert. Die Arbeitslosenrate soll von jetzt 8,9 Prozent auf 9,5 Prozent ansteigen, die Inflation um weitere 17,5 Prozent.

Dmytro Firtasch in Selbstdarstellung. Bild: dmitryfirtash.com

Sozis aus Deutschland und Frankreich lassen sich von Oligarchen einspannen

Dem von Oligarchen, nicht zuletzt von Poroschenko selbst als Präsident, weiterhin beherrschten Land, das auch deswegen hoch korrupt ist, kommen aber nun auch deutsche Politiker zu Hilfe. Man müsste allerdings sagen, den Oligarchen. So berichten österreichische Zeitungen, dass der ukrainische Oligarch Dmytro Firtasch Hauptgeldgeber und Initiator für eine neu gegründete, so genannte Agentur für die Modernisierung der Ukraine ist. Die Agentur will 300 Milliarden US-Dollar für die Modernisierung und Investitionen aufbringen, selbstlos dürfte dies nicht sein. Verkündet wurde die Gründung im Wiener Palais Ferstel während der Veranstaltung "Ukraine Tomorrow" von Firtasch.

Firtasch, dem wie Poroschenko auch ein Medienunternehmen mit Fernsehkanälen (INTER Channel) gehört, gilt als einer der reichsten Oligarchen, dessen Vermögen auf 10 Milliarden US-Dollar geschätzt wird und der der Präsident des ukrainischen Arbeitgeberverbands ist. Er war Janukowitsch nahegestanden, hat sich aber während der Maidan-Proteste von ihm abgewandt. Sein Unternehmen Group DF hat er in Wien angesiedelt. Dort wurde er kurz nach dem Sturz von Janukowitsch am 12. März aufgrund eines Haftbefehls wegen des Verdachts auf Bestechung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung drei Tage vor dem Referendum auf der Krim festgenommen und wird ein paar Tage später durch Zahlung einer Kaution von 125 Millionen Euro freigelassen. Die USA fordern die Auslieferung und streiten ab, dass es einen Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt gibt. Firtasch hatte gute Beziehungen zu Russland und Firmen auf der Krim.

Firtasch hat prominent eingekauft. Gegründet haben die Agentur offiziell der französische Philosoph Bernard-Henry Levy, der nun sein pro-ukrainisches Engagement auch versilbern will und von einem Marshall-Plan für die Ukriane spricht, der CDU-Bundestagsabgeordnete Karl-Georg Wellmann, Vorsitzender der Deutsch-Ukrainischen Parlamentariergruppe, und der britische Abgeordnete Risby von den Konservativen, der seit 2010 im Oberhaus sitzt und Vorsitzender der British Ukrainian Society ist. Michael Spindelegger, Ex-ÖVP-Chef und Ex-Vizekanzler, ist der Direktor der Agentur. Zum Direktorium sollen noch Ex-Innenminister Karl Schlögl (SPÖ) gehören, der aber sich angeblich noch nicht entschieden hat, sowie der deutsche Politberater und Unternehmer Udo Brockhausen. Spindelegger versicherte, er arbeite nicht für eine Person, sondern für einen Verband.

Gut möglich, wahrscheinlich ziemlich sicher, dass Firtasch die Gründung der Agentur mit weiteren Oligarchen abgesprochen hat. Namen wie Rinat Achmetow und Wiktor Pintschuk machen die Runde. Pintschuk, dessen Vermögen auf einige Milliarden geschätzt wird, ist mit der Tochter des ukrainischen Ex-Präsidenten Leonid Kutschma verheiratet. Kutschma, der wiederum in die Oligarchen-Kreise tief verwoben ist, vertritt auf Bitten von Poroschenko die Ukraine in der Trilaterialen Kontaktgruppe. Achmetow galt bis vor kurzem als der reichste ukrainische Oligarch, seine Unternehmen sind vor allem in der Ostukraine. Er wird bezichtigt, den Separatisten Gelder zu geben, nachdem er versucht hatte, seine Arbeiter gegen die Separatisten aufzustacheln, was aber kläglich missglückt war.

Innerhalb von 200 Tagen soll die Agentur einen "Masterplan" erstellen, so Firtasch. Klar ist vor allem, dass man damit nicht nur die Ukraine aufbauen will, sondern dass auch die Interessen der Oligarchen bedient werden sollen. "Wir arbeiten nicht für Geschäftsleute oder Oligarchen, sondern für die Ukraine", sagte Wellmann der Faz. Auch deutsche sozialdemokratische Politiker stört das Geschmäckle nicht, die nun ihren Anschluss an die politische Karriere in der Agentur suchen. So soll der dem Geld bekanntlich nicht abholde Ex-Finanzminister und gescheiterte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, der immer noch Bundestagsabgeordneter ist, einer Arbeitsgruppe "Finanzen und Steuern" vorsitzen, während Ex-EU-Kommissar Günter Verheugen, ebenfalls SPD, für die "EU-Integration" zuständig ist. Auch Ex-Verteidigungsminister Rupert Scholz (CDU) und der ehemalige französische Außenminister Bernard Kouchner von den Sozialisten sollen mitmischen.

Eigentlich seltsam, dass die Sozis hier so mitspielen und die deutschen Grünen, die sich so für Kiew eingesetzt haben, links liegenbleiben. Schließlich haben prominente Sozialdemokraten wie Schröder, Schmidt, Eppler oder Platzeck die Konfrontation mit Russland und damit die unbedingte Solidarität mit der Ukraine in Frage gestellt. Es gebe eine Vergütung, sagte Steinbrück, ohne Genaueres zu sagen. Dass er nicht selbstlos der Ukraine, vielmehr seinen Geldgebern helfen wird, durfte man annehmen. Die Ukraine kennt der Sozialdemokrat nicht, der sie aber retten will.