Zentralisierung der Energieversorgung

Stromproduktion erneuerbarer Energieträger und Stromexport im Vergleich. Bild: Fraunhofer ISE

Die Energie- und Klimawochenschau: Die EU will eine Energie-Union schaffen, Vattenfall scheint bei Moorburg mit Verlusten zu rechnen und die Linkspartei fordert mal wieder den geordneten Ausstieg aus der Kohle

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Die EU-Kommission hat am Mittwoch ein Strategiepapier für die Schaffung einer Energie-Union vorgelegt. Maroš Šefcovic, der slowakische Vizepräsident der Kommission, sprach in diesem Zusammenhang vom größten europäischen Energieprojekt seit der Schaffung der Montanunion. Diese war 1952 als Vorläufer der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, der späteren EU gegründet worden und regelte seit dem den Markt für Kohle und Stahl bevor sie schließlich Anfang des Jahrtausends ganz in der EU aufging.

Bild: EU-Kommission

Das Papier hat sowohl eine innen- als auch eine außenpolitische Komponente. Zum einen geht es darum, einen einheitlichen Binnenmarkt für Strom, Gas und andere Energieträger zu schaffen und für die hierzu notwendige Infrastruktur zu sorgen. Das reicht von mehr Terminals für Flüssiggas-Tanker über Kavernen für die Speicherung von Erdgas bis zu mehr grenzüberschreitenden Stromleitungen. Einen Investitionsbedarf von einer Billion Euro sieht die Kommission auf diesem Gebiet allein für die Jahre bis 2020. (Da sage noch mal einer, die Energiewende sei zu teuer.)

Zum anderen geht es auch um handfeste Außenpolitik. Als Ganzes sei die EU der weltgrößte Käufer auf den Energiemärkten. "Daher muss die Europäische Union ihre Fähigkeit verbessern, ihr Gewicht auf die globalen Energiemärkte zu projizieren", heißt es in dem Papier. "Gemeinsam mit den großen Partnern" solle das Regelsystem auf den Energiemärkten verbessert werden. Im Klartext geht es wohl vor allem darum, mit einer Stimme zu sprechen, was unter anderem in Preisverhandlungen von erheblichem Vorteil sein könnte. Werden die Brüsseler Vorgaben angenommen, müssten die EU-Mitglieder künftig mit der Kommission Rücksprache halten, wenn sie mit Dritten über Lieferung von Energierohstoffen verhandeln.

Letzteres zielt natürlich vor allem auf Russland, woraus bei der Vorstellung kein Hehl gemacht wurde. Angesichts des Konflikts mit Russland hält Šefcovic ein einheitliches Vorgehen für besonders wichtig. Die EU beziehe ein rundes Drittel ihrer Energieversorgung aus Russland. Sowohl Erdgas als auch Erdöl liefert der große Nachbar, aber vor allem das Gas bereitet der russophoben Fraktion der westeuropäischen Eliten Kopfschmerzen. Erdöl wird mit Schiffen angeliefert, was vergleichsweise flexibel ist, solange es genug Anbieter gibt. Die Erdgasversorgung ist hingegen weitgehend auf Pipelines angewiesen, und die gibt es nur zu den Gasfeldern in der Nordsee und nach Russland. Die deutsche Eigenversorgungsrate mit Erdgas liegt inzwischen unter zehn Prozent und nimmt rasch weiter ab.

Mit Verflüssigung ließe sich auch die Erdgasversorgung flexibilisieren. Doch dazu fehlt es noch an Infrastruktur. Außerdem ist Flüssiggas bis vor kurzem noch erheblich teurer als das Pipelinegas gewesen. Derzeit entstehen sowohl im Mittelmeerraum als auch in Polen und im Baltikum Flüssiggasterminals und die EU-Kommission sähe gerne mehr davon.

Mehr Zentralisierung

Ansonsten strebt die Brüsseler Kommission für den EU-Binnenmarkt offensichtlich eine Zentralisierung der Energiepolitik an. Die Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER), die bisher eher das Dasein eines Mauerblümchens gefristet hat, das kaum in eigener Verantwortung tätig werden darf, wird erheblich aufgewertet, wenn es nach den Vorstellungen der Brüsseler geht. Sie soll "für alle grenzüberschreitenden Fragen der Energieversorgung zuständig werden, die notwendig sind, um einen nahtlosen internen Markt zu schaffen".

Auch die Stromversorgung wird dieser neuen Behörde unterworfen werden. Für elektrische Energie soll ebenfalls ein EU-weiter Markt her. Die Kommission schlägt vor, die grenzüberschreitenden Leitungen so weit auszubauen, dass sie für zehn Prozent der installierten Kraftwerkskapazitäten reicht. Außerdem strebt die Kommission eine Liberalisierung der Verbraucherpreise an. Insbesondere stört sie sich an den letzten Resten sozialer Komponenten der Preispolitik. Es passt ihr nicht, dass "in einer Reihe von Mitgliedsländern (...) regulierte Endverbraucherpreise genutzt werden, um Haushalte gegen den Anstieg der Energiepreise zu schützen".

Auch sonst ist der Ansatz für den Strommarkt sehr wettbewerbsorientiert. Nach den Erfahrungen der letzten Jahre lässt das für den Ausbau von Solar- und Windenergie nichts Gutes verheißen. Obwohl dieser auch in den Zielen der Energie-Union aufgelistet ist, wird die Betonung des grenzüberschreitenden Wettbewerbs mit einiger Wahrscheinlichkeit zu neuen Angriffen auf das hierzulande bisher sehr erfolgreiche System der Förderung über garantierte Einspeisevergütungen sorgen.

Und wie sieht der weitere Weg aus? Die umrissene Strategie muss zunächst vom Europäischen Rat, das heißt von den Regierungen der Mitgliedsländer gebilligt werden. Sie beinhaltet unter anderem auch zeitliche Vorgaben für eine Reihe von Direktiven und Verordnungen, die in den nächsten beiden Jahren auf den Weg gebracht werden sollen. Auf die müssten sich dann zunächst Rat und EU-Parlament einigen, damit sie schließlich von den Landesparlamenten in nationales Recht überführt werden können. Das wird alles vermutlich noch ein paar Jahre dauern, sodass wir uns derzeit noch eher am Anfang als am Ende der Debatte über eine EU-weite Energiepolitik befinden.

Vattenfalls Milliarden-Grab

Dass Vattenfall dieser Tage in Hamburg sein neues Milliarden-Grab in Betrieb genommen hat, haben wir ja bereits berichtet (Kohle: Kraftwerk Moorburg am Netz). Nachzutragen bleibt nur die Einschätzung der Eigentümer: Vattenfall-Chef Tuomo Hatakka hatte es bereits im November vor der Enquete-Kommission des Berliner Abgeordnetenhauses "ein Opfer der Energiewende" genannt. Und Werner Marnette, der zur Zeit der Moorburg-Planung die Kupferhütte Aurubis (damals noch Norddeutsche Affinierie AG) leitete, spricht laut Zeit davon, dass das Kraftwerk "unrentabel" und "ein Desaster" sei. Aurubis ist Eigentümer eines kleinen Anteils an Moorburg.

Vielleicht hätte man sich doch einmal mit den Umwelt- und Klimaschützern vor der Baustelle auseinandersetzen sollen, statt sie immer wieder von der Polizei wegprügeln und mit Strafverfahren überziehen zu lassen. Zur gleichen Zeit, als Moorburg geplant und gebaut wurde, waren an zahlreichen anderen Standorten in Norddeutschland Neubauten von Kohlekraftwerken unter anderem mit dem Verweis auf ihre mangelnde Wirtschaftlichkeit verhindert worden. Unter anderem in Kiel, Bielefeld, Breme und Brunsbüttel).

Die Linkspartei ließ es sich derweil nicht nehmen, auf die Verantwortung der Hamburger Grünen für den Bau des Kraftwerks Moorburg zu verweisen. Die seinerzeitige grüne Umweltsenatorin Anja Hajduk habe 2008 mit der Genehmigung für den Bau zwar nicht das Klima, wohl aber die erste schwarz-grüne Koalition auf Ländereben gerettet, frotzelt die energie- und klimapolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag Eva Bulling-Schröter. Ansonsten meint die Abgeordnete, dass die in Hamburg verfeuerte Kohle "aus dem Bürgerkriegsland Kolumbien" kommen werde. Ihre Partei setze sich für "ein Kohleausstiegsgesetz auf Bundesebene". Zunächst sollten die ältesten Kohlekraftwerke abgeschaltet werden und bis 2040 das letzte.

Und zum Schluss, weil ein Forumsteilnehmer danach gefragt hatte, ein Vergleich der Grünstromproduktion mit dem Export. Obige Grafik des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme zeigt exemplarisch für die bisherigen 60 Tage des Jahres, dass Sonne, Wind, Wasserkraft und Biogas zusammen stets mehr Strom liefern als zugleich exportiert wird. Man kann also sagen, dass da oft einige Kohle- oder auch Atomkraftwerke allein für den Export arbeiten.

Außerdem zeigt die Grafik, dass es eigentlich keine Korrelation zwischen der jeweils anfallenden Menge des sauberen Stroms und dem Export gibt. Dieser scheint sich weniger nach dem Überangebot im deutschen Netz als nach der Nachfrage im Ausland zu richten. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden für exportierten Strom in den Niederlanden, dem Hauptabnehmer deutscher Exporte, im Durchschnitt 4,6 Cent pro Kilowattstunde erzielt. Beim zweitgrößten Abnehmer Österreich waren es 2014 im Mittel 4,7 Cent pro Kilowattstunde. In den meisten Fällen lagen die Einkaufspreise für die Stromimporte nach Deutschland einige Zehntel Cent unter den Ausfuhrpreisen.